Im letzten Beitrag wurden einige
Auswüchse der ersten und zweiten Generation neuerer soziologischer
Systemtheorien nach dem Tode Niklas Luhmanns kritisiert. Die aufgezeigten
Probleme beschränken sich aber nicht allein auf die neueren Systemtheorien
sondern scheinen vielmehr Symptome zu sein, von denen die deutsche Soziologie
als Gesamtdisziplin betroffen zu sein scheint. Das damit verbundene Unbehagen
artikuliert sich in letzter Zeit auch vermehrt im Blog der Deutschen Gesellschaft für
Soziologie. Trotz unterschiedlicher theoretischer Perspektiven kommen die
verschiedenen Autorinnen und Autoren zu ähnlichen Diagnosen hinsichtlich des Zustands der Disziplin. Ganz allgemein
formuliert, besteht das Problem darin, dass die Komplexität der modernen
Gesellschaft nach wie vor die etablierten Selbstbeschreibungssemantiken der Gesellschaft
vor scheinbar unüberwindbare Herausforderungen stellen. Bisher sticht in der
gesamtgesellschaftlichen als auch der soziologischen Wahrnehmung vorwiegend die
Krisenhaftigkeit der Moderne hervor. Die Frage ist allerdings, handelt es sich
tatsächlich um das Charakteristikum der modernen Gesellschaft oder nur um eine
Krise ihrer Selbstbeschreibungsformate? So wird zwar das Fehlen eines
gesellschaftsweit gültigen Narrativs beklagt, dass noch für alle Menschen eine
Orientierung bieten könnte und einige wissenschaftliche Beobachter haben die
Bemühungen um ein wissenschaftliches Beschreibungsangebot bereits aufgegeben –
Stichwort Postmoderne. Doch betonen nicht gerade die Klagen die Notwendigkeit
einer solchen modernen Beschreibung der modernen Gesellschaft? Der Versuch dies
zu leisten, gestaltet sich allerdings immer mehr wie die Quadratur des Kreises. Doch
möglicherweise besteht genau darin das Kunststück.
Einer der Wenigen, die es trotzdem versucht haben, war Niklas Luhmann. Sein Angebot, die moderne Gesellschaft als funktional differenziert zu beschreiben, wird auch hier aufgegriffen um aktuelle soziale Probleme zu verstehen. Doch Luhmanns Beschreibungsangebot birgt eine gravierende Gefahr. Man gerät in die Versuchung mit der Beobachtung auf der begrifflichen Ebene der Gesellschaftstheorie zu verbleiben ohne diese Beobachtungen an die Ebenen der Systembildung Organisation und Interaktion anzubinden. Auf diese Weise kann man zwar noch All-Aussagen treffen, die eine gesellschaftsweite Gültigkeit für sich beanspruchen und somit entsprechend bedeutungsschwanger daher kommen. Ohne Anbindung an Organisations- und Interaktionsphänomene bleiben diese Aussagen aber bedeutungsleer, da diese Aussagen lediglich auf Paradoxien oder sogar Tautologien zugespitzt werden können, die in dieser Form alles und nichts besagen. Das kann entweder die Kreativität anregen oder zum Orientierungsverlust führen. Zur Zeit scheint eher Letzteres der Fall zu sein und so beschränkt man sich darauf auf Probleme zuzuspitzen. Luhmann bezeichnete diese Form des Umgangs mit Paradoxien Gorgonenbetrachtung (vgl. Luhmann 1991, S. 58). Dabei handelt es sich bereits um eine Form mit moderner Komplexität umzugehen, die aufgrund ihrer Kurzschlüssigkeit in gleichsam mystischer Weise über alles und nichts informiert. Diese Formen der Komplexitätsreduktion beachten jedoch einen wichtigen Umstand nicht, der in der allgemeinen Systemtheorie bekannt ist und auch schon in den Gründungszeiten der Soziologie von Gabriel Tarde gesehen wurde (vgl. 2009, S. 75f.), nämlich dass Teile bzw. Subsysteme eines Systems komplexer sein können als das ganze System. Will man also ein tieferes Verständnis der modernen Gesellschaft entwickeln, ist man mehr oder weniger gezwungen aus diesem kurzschlüssigen gesellschaftstheoretischen Zirkel auszubrechen und die Aufmerksamkeit auf Organisationssysteme, Interaktionssysteme und die strukturell gekoppelten Menschen zu lenken.
Einer der Wenigen, die es trotzdem versucht haben, war Niklas Luhmann. Sein Angebot, die moderne Gesellschaft als funktional differenziert zu beschreiben, wird auch hier aufgegriffen um aktuelle soziale Probleme zu verstehen. Doch Luhmanns Beschreibungsangebot birgt eine gravierende Gefahr. Man gerät in die Versuchung mit der Beobachtung auf der begrifflichen Ebene der Gesellschaftstheorie zu verbleiben ohne diese Beobachtungen an die Ebenen der Systembildung Organisation und Interaktion anzubinden. Auf diese Weise kann man zwar noch All-Aussagen treffen, die eine gesellschaftsweite Gültigkeit für sich beanspruchen und somit entsprechend bedeutungsschwanger daher kommen. Ohne Anbindung an Organisations- und Interaktionsphänomene bleiben diese Aussagen aber bedeutungsleer, da diese Aussagen lediglich auf Paradoxien oder sogar Tautologien zugespitzt werden können, die in dieser Form alles und nichts besagen. Das kann entweder die Kreativität anregen oder zum Orientierungsverlust führen. Zur Zeit scheint eher Letzteres der Fall zu sein und so beschränkt man sich darauf auf Probleme zuzuspitzen. Luhmann bezeichnete diese Form des Umgangs mit Paradoxien Gorgonenbetrachtung (vgl. Luhmann 1991, S. 58). Dabei handelt es sich bereits um eine Form mit moderner Komplexität umzugehen, die aufgrund ihrer Kurzschlüssigkeit in gleichsam mystischer Weise über alles und nichts informiert. Diese Formen der Komplexitätsreduktion beachten jedoch einen wichtigen Umstand nicht, der in der allgemeinen Systemtheorie bekannt ist und auch schon in den Gründungszeiten der Soziologie von Gabriel Tarde gesehen wurde (vgl. 2009, S. 75f.), nämlich dass Teile bzw. Subsysteme eines Systems komplexer sein können als das ganze System. Will man also ein tieferes Verständnis der modernen Gesellschaft entwickeln, ist man mehr oder weniger gezwungen aus diesem kurzschlüssigen gesellschaftstheoretischen Zirkel auszubrechen und die Aufmerksamkeit auf Organisationssysteme, Interaktionssysteme und die strukturell gekoppelten Menschen zu lenken.
Die vorangegangen Untersuchungen
verfolgten einen top-down-Ansatz. Den Startpunkt bildete jedes Mal die
Gesellschaftsebene indem von der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft
ausgegangen wurde um dann die Piratenpartei,
Öffentlichkeit,
das
Internet, Trollen
oder Amokläufe
vor diesem Hintergrund interaktionstheoretisch zu analysieren. Dieses Mal wird
der umgekehrte Weg gegangen. Den Startpunkt bildet das Bezugsproblem von
Kommunikation in Form der Situation doppelter Kontingenz. Da Kommunikation die
Selbstreferenz der Gesellschaft bezeichnet, handelt es sich bei doppelter
Kontingenz zugleich auch um die Beschreibung des Bezugsproblems der
Gesellschaft. Zweck dieses bottom-up-Ansatzes ist es die systemtheorieinterne
Verbindung zwischen Mikroebene (Interaktion) und Makroebene (Gesellschaft) zu beleuchten.
Damit wird dem Problem Rechnung getragen, dass die drei Ebenen der
Systembildung sich zwar analytisch trennen lassen aber empirisch immer
zusammenfallen. Kommunikation differenziert sich in einzelne
Interaktionssysteme, die Interaktionssysteme differenzieren sich in einzelne
Organisationen und die Organisationen differenzieren sich in verschiedene
Funktionssysteme. Dass die Verbindung geklärt werden muss zeigt sich z. B. an
systemtheorieinternen Debatten wie der Frage, ob Organisationen der
Selbstreferenz eines Funktionssystems zugerechnet werden können oder ob sie
mehreren Funktionssystemen zugerechnet werden müssen? Es kann aber nicht darum
gehen die Ansätze top-down und bottom-up gegeneinander auszuspielen. Vielmehr
ist es das Ziel ein besseres Verständnis der zirkulären
Rückkopplungsverhältnisse zwischen den Systemebenen Interaktion, Organisation
und Gesellschaft zu entwickeln. Gleichwohl wird hier dafür plädiert als
methodischen Ausgangspunkt die Systemebene Interaktion zu wählen.
Im Folgenden wird es darum gehen
zu zeigen, dass sich dieses Verständnis auch in der soziologischen
Systemtheorie Luhmanns finden lässt. Dazu wird zunächst noch einmal die
Situation der doppelten Kontingenz dargestellt (I.). Im Anschluss daran, werden
einige methodologische Anmerkungen dazu gemacht (II.). Danach wird die Funktion
der Schematismen der Interaktion im Rahmen der Systemtheorie dargestellt, zu
denen auch wieder einige methodologische Anmerkungen folgen (III.). Ziel ist es
zu begründen, warum hier eine radikal mikrosoziologische Lesart der
Systemtheorie Luhmanns verfolgt wird, die gerade auch für das Verständnis
vieler Probleme der modernen Gesellschaft fruchtbar sein könnte (IV.). Mikro-
und Makrosoziologie sind nicht zwei Ansätze, die sich gegenseitig ausschließen,
sondern zwei Seiten einer Medaille die methodisch zusammen gehören. Dabei
handelt es sich nicht um einen grundsätzlich neuen Ansatz in der Soziologie. Der
Zusammenhang wird aber im Rahmen jedes Theorieangebots anders konstruiert.
Gerade für die Systemtheorie Luhmanns scheint dieser Zusammenhang noch nicht
hinreichend geklärt zu sein.
Doppelte Kontingenz bezeichnet
eine Situation sinnhafter Unbestimmtheit in der zwei Menschen das
erste Mal sich gegenseitig wahrnehmend aufeinander treffen. Es handelt sich dabei um den hypothetischen
Ausgangspunkt soziokultureller Evolution, den es historisch vermutlich niemals
gegeben hat. Das Problem in dieser Situation ist zum einen, dass die sich
begegnenden Menschen für ihre psychischen Vorgänge wechselseitig intransparent
sind (vgl. Luhmann 1984, S. 156) und zum Anderen, dass keine sinnhafte
Bestimmung der Situation möglich wäre, wenn die Anwesenden ihr Handeln
wechselseitig vom Handeln ihres Gegenübers abhängig machen (vgl. Luhmann 1984,
S. 149ff.). Mit anderen Worten, wenn beide Anwesende darauf warten, was der
jeweils andere als Erstes tun wird, kommt es zu keiner sinnhaften Bestimmung
der Situation. Um in dieser Situation eine erste sinnhafte Bestimmung vornehmen
zu können [1], ist kein wie auch immer geartetes Vor-Verständigt-Sein der
Anwesenden notwendig. Vielmehr wirken Zufälle in dieser Situation
autokatalytisch um Ordnungsbildung in Gang zu bringen. So kann im Prinzip jede
beobachtbare Handlung von einem der beiden Anwesenden den Anlass für die
Bildung eines sozialen Systems geben. Warum spricht man aber von doppelter
Kontingenz?
Von Kontingenz spricht man immer
dann, wenn funktionale Äquivalente zur Verfügung stehen um ein bestimmtes
Problem zu lösen. Die Tatsache, dass es mehrere Möglichkeiten gibt um das
Problem zu lösen, macht es möglich die gewählte Lösung als kontingent zu
beobachten. Es hat keine Notwendigkeit bestanden die gewählte Lösung zu nehmen.
Man hätte auch eine andere Lösung wählen können (vgl. Luhmann 1984, S. 152).
Betrachtet man die Begegnung von zwei Menschen zunächst aus der Perspektive
einer Person, so besteht ein offener Horizont von Handlungsmöglichkeiten
aus dem im Prinzip jede gewählt werden könnte um für beide Anwesende eine erste
sinnhafte Bestimmung vor zu nehmen. Im Hinblick auf eine Person handelt es sich
aber nur um einfache Kontingenz. Von doppelter Kontingenz wird gesprochen,
weil die Möglichkeitshorizonte beider Anwesender berücksichtigt werden (vgl.
Luhmann 1984, S. 154). Auf diese Weise entsteht ein unüberschaubarer Verweisungsüberschuss an Handlungsmöglichkeiten.
Dieser Verweisungsüberschuss wird als Komplexität
bezeichnet. Aus diesem Möglichkeitshorizont können aber nicht mehrere
Alternativen zugleich realisiert werden sondern immer nur eine zu einem
bestimmten Zeitpunkt. Man ist also zur Aktion gezwungen um diesen
Verweisungsüberschuss zu verkleinern bzw. Komplexität zu reduzieren (Vgl.
Luhmann 1984,S. 162). Was immer das erste soziale Ereignis war, es kann zum
Anlass für die Bildung eines sozialen Systems genommen werden. Es bleibt aber
in Bezug auf die Handlungsspielräume beider Anwesender kontingent, denn eine
andere Handlung hätte dieselbe Funktion erfüllt. Durch diese Dopplung der
Möglichkeitshorizonte können also durch die Beteiligten wechselseitig die realisierten
Handlungen als kontingent beobachtet werden. Somit ist bereits der Handlung als
dem Einzelereignis eines Systems die eigene Kontingenz eingeschrieben und eben
deshalb „aktualisierte Kontingenz“ (Luhmann 1984, S. 160). Desweiteren schränkt
dieses erste Ereignis und jedes darauf folgende die Möglichkeitsspielräume für
Anschlusshandeln sukzessiv immer weiter ein. Mithin bietet also erst die Auflösung der Situation doppelter Kontingenz
die Möglichkeit für Integration (vgl.
Luhmann 1984, S. 161) und Verdichtung der Situation im Medium Sinn.
Doch obwohl die Situation
doppelter Kontingenz gleichsam zufällig überwunden werden kann, läuft sie wie
ein dunkler Schatten bei allem Prozessieren von Sinn immer mit. Soziale Systeme
können sich also genau so schnell wieder auflösen wie sie entstanden sind. Das
merkt man z. B. immer dann, wenn in Gesprächen plötzliche Pausen auftreten, die
als peinliches Schweigen erfahren werden. Gerade dieses Operieren unter der
Bedingung eines ständig drohenden Abbruchs der Kommunikation sorgt für die Generalisierung der Sozialdimension
allen Sinns indem jedes Ereignis daraufhin befragt werden kann bzw. sogar
befragt werden muss, wie es durch den Kommunikationspartner erlebt wird und wie
er daraufhin handeln wird (vgl. Luhmann 1984, S. 161). Vereinfacht ausgedrückt,
Kommunikation zwingt dazu sich auf das
Erleben seines Kommunikationspartners einzulassen damit Kommunikation
weiterlaufen kann. Sachlich
gelingt dies über den gemeinsamen Fokus der Aufmerksamkeit mit der Frage, wie
dieser durch den Kommunikationspartner erlebt wird. Sozial gelingt dies über die entstandene symbolische Ordnung der
Images der beteiligten Anwesenden mit der Frage, wie erlebt sich der
Kommunikationspartner in der aktuellen Situation. Image wurde im vorletzten
Text im Anschluss an Erving Goffman als Einheit der Unterscheidung von psychologischer Selbstbeschreibung und sozialer Fremdbeschreibung reformuliert
und stellt auf die strukturelle Kopplung von Menschen und sozialen Systemen ab
[2]. Hinsichtlich der psychologischen Perspektive erfolgt die Selbstwahrnehmung
nicht nur über das Medium Sinn (vgl.
Luhmann 1984, S. 92 – 147) in dem psychische und soziale Systeme operieren
sondern auch im Medium der Gefühle.
Die Frage nach dem Erleben der Kommunikationspartner als Person ist damit immer
auch eine Frage nach den Gefühlen des Kommunikationspartners. Erst Gefühle
machen Menschen zu nicht-trivialen Maschinen im Sinne Heinz von Foersters, die
nicht einfach nach einem Reiz-Reaktion-Muster funktionieren sondern aufgrund
der emotionalen Eigenzustände immer mit Erwartungsunsicherheiten behaftet sind
[3].
Entsprechend trägt auch der
Ausdruck des emotionalen Zustands ebenso zur ersten Bestimmung der Situation
doppelter Kontingenz bei. Während die mitgeteilte Information der Situation
eine erste sachliche Bestimmung gibt, wird durch die emotionale Tönung der
Mitteilung eine erste soziale Bestimmung vorgenommen in dem sie über die
Stimmung des Kommunikationspartners informiert. So macht es einen gravierenden
Unterschied, ob man die erste Person, der man am Morgen begegnet, mit einem
muffligen oder einem enthusiastischen „Guten Morgen“ begrüßt. Auf diese Weise
wird die morgendliche Zugänglichkeit bzw. Kommunikationsbereitschaft
signalisiert. Während ersteres lediglich eine geringe
Kommunikationsbereitschaft kommuniziert, signalisiert letzteres die Offenheit
gegenüber dem Kommunikationspartner. So kann gerade die emotionale Tönung der
Mitteilung den Verlauf einer Interaktionssituation maßgeblich bestimmen. Der Ausdruck
des emotionalen Erlebens eines Kommunikationspartners (Alter) durch sein
Handeln kann das emotionale Erleben des anderen Kommunikationspartners (Ego)
beeinflussen, was wiederum sein Handeln beeinflussen wird. Durch diese
zirkuläre Rückkopplung des emotionalen Erlebens in der jeweiligen
Anschlusshandlung der Kommunikationspartner kann sich der Kommunikationsprozess
emotional immer weiter hochschaukeln, einen gewissen Rhythmus entwickeln und
zum Eindruck eines gleichgerichteten Erlebens und gelungener Kommunikation
führen. Auf der anderen Seite kann der Kommunikationsprozess auch zu einer emotionalen
Abwärtsspirale führen. Es stellt sich kein emotionaler Gleichklang her, die
Kommunikationspartner lassen sich nicht gegenseitig ausreden sondern fallen sich
gegenseitig ins Wort und unterbrechen sich fortlaufend. Ein solcher Verlauf
einer Kommunikationssequenz kann zur Erfahrung situativer Entfremdung und dem
Eindruck misslungener Kommunikation führen.
Dem entsprechend lassen sich im
Verlauf der Kommunikation Phänomene beobachten, die mit dieser emotionalen
Abstimmung oder eskalierenden Verstimmung korrespondieren. Dafür muss man auf
die jeweilige Anschlusshandlung achten und ob
die vorangegangenen Ereignisse als Prämisse für die Selektion des jeweiligen,
weiteren Anschlusses gewählt wurde. So kann man während eines Gesprächs nicht einfach plötzlich das Thema
wechseln; man kann den Polizisten nicht mit Zaubertricks verblüffen um zu
verhindern, dass der einem gerade einen Strafzettel für Falschparken ausstellt;
man kann im Supermarkt an der Kasse nicht mit Zigaretten bezahlen; man kann
nach einer Diskussionsrunde über Sexismus nicht im Anschluss die
Diskussionspartnerin mit primitiven Machosprüchen anmachen. Eigentlich kann man
alle diese Dinge schon tun. Aber es sind die sozialen und psychologischen
Effekte dieser Irritationen, die hier interessieren. In Abhängigkeit davon, wie
ein bestimmter Sachverhalt beobachtet wird, ergeben sich Kriterien nach denen
sich prüfen lässt, ob eine bestimmte Anschlusshandlung als Verstehen oder Missverstehen
beobachtet wird. Neben der sachlichen Angemessenheit in Abhängigkeit vom
Beobachterstandpunkt, haben die jeweiligen Anschlüsse auch Konsequenzen für die
Beobachtung der Person, die jeweils in einer bestimmten Art und Weise
anschließt. Die Summe von sachlichen, sozialen und zeitlichen Differenzen
zwischen den Einzelereignissen einer Kommunikationssequenz kondensiert im
Hinblick auf soziale Systeme Sachverhalte
– z. B. Themen – und Personen an
denen sich die Beteiligten orientieren um Anhaltspunkte zu finden wie ihre
Möglichkeitsspielräume von Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt und adäquate
Anschlüsse gefunden werden können [4]. Im Hinblick auf die beteiligten psychischen Systeme
kondensiert die soziale Beziehung der
Kommunikationspartner. Wie diese Beziehung von den beteiligten
Kommunikationspartnern wahrgenommen wird, hängt von den jeweiligen
Möglichkeitshorizonten ab in dessen Kontext die einzelnen Beteiligten die
beobachteten Ereignisse interpretieren können. Das Ausgangsproblem der
doppelten Kontingenz verlangt dies geradezu um sich weiterhin an Kommunikation
beteiligten zu können.
Der soziologisch-systemtheoretisch geprägte Beobachter richtet nun seine Aufmerksamkeit darauf,
wie die Differenz zwischen System (Sachverhalt) und Umwelt (beteiligte
Personen) durch das soziale System gehandhabt wird. Das bedeutet umgekehrt auch beobachten zu können, wie die beteiligten Personen psychisch die Differenz von System und Umwelt handhaben. Die Problemkonstruktion der
doppelten Kontingenz bekommt dadurch eine grundlegende methodische Funktion für
systemtheoretische Analysen. Das Bezugsproblem der Soziologie wurde im letzten
Beitrag als Problem der
Handlungskoordination bei divergentem Erleben der beteiligten Menschen
beschrieben. Die Rekonstruktion dieses Problems als Situation doppelter
Kontingenz präzisiert dieses Problem noch einmal und schränkt zugleich das
Aufmerksamkeitsfeld für die Beobachtung der Lösung sozialer Probleme ein. So gewinnt
die soziologische Systemtheorie durch das Begriffsinstrumentarium, mit dem die
Situation doppelter Kontingenz konstruiert wird, die notwendige informationelle
Offenheit für ihre Umwelt.
Aus der Formlehre George
Spencer-Browns resultiert die Einsicht, dass Informationen nur über
Unterscheidungen gewonnen werden können. Ein
Unterschied, der einen Unterschied macht (vgl. Bateson 1982, S. 123) – und
somit eine Information – ist nur im Rahmen einer Zwei-Seiten-Form möglich
(vgl. Sepncer-Brown 1992). Diese modalisierte Beschreibung von Unterscheidungen als Formen ermöglicht
es zum einen nach der anderen Seite der Form und zum anderen nach der Einheit der
Zwei-Seiten-Form zu fragen. Es gilt damit zu beobachten im Rahmen welcher
Unterscheidungen bestimmte Ereignisse im Verlauf einer Kommunikationssequenz
für welchen Beteiligten einen Sinn ergeben oder eben nicht. Auf der Grundlage
von Spencer-Browns Formbegriff wird damit nichts weiter an eine laufende
Kommunikationssequenz herangetragen als eine Annahme darüber wie Informationen durch Unterscheidungen
gewonnen werden können. Im Rahmen der Theorie bedeutet das, dass nichts
mehr ausgeschlossen wird. Im Rahmen der Form wird jedes Ereignis zumindest im
Prinzip denkbar und auch das Nicht-Ereignis unter Umständen als Handlung interpretierbar.
Kommunikationsprozesse sind jedoch diskontinuierliche Flüsse von Unterschieden,
die Unterschiede machen können. Da
der Formbegriff praktisch auf jedes Ereignis anwendbar ist und somit keine
Einschränkung des Aufmerksamkeitsfelds ermöglicht, würde eine Beobachtung im
Hinblick auf die Beobachtung von Unterschieden einen nicht mehr zu
bewältigenden Informationsüberschuss erzeugen und die Komplexität der Umwelt
Eins zu Eins in das System spiegeln. Daraus ergibt sich nochmals aus informationstheoretischer Perspektive die Notwendigkeit der Komplxitätsreduktion für soziale und psychische Systeme.
Es sind also weitere
Einschränkungen notwendig damit die Beobachtung nicht überfordert
wird. Für die soziologische Beobachtung stellt diese
Einschränkung die Rekonstruktion des soziologischen Bezugsproblems als
Situation doppelter Kontingenz dar. Doch selbst diese Einschränkung schließt
zumindest noch alle soziologisch denkbaren Lösungen dieses Bezugsproblems ein,
die ebenfalls unüberschaubar sind. Zugleich entsteht aber auf diese Weise eine
extrem hohes Irritationspotential der soziologischen Systemtheorie, welche den
Anspruch universeller Anwendbarkeit auf soziale Sachverhalte begründet – aber
noch nicht zwangsläufig einlöst. Unter Beachtung des Bezugsproblems der
Soziologie hängt es dann vom Interesse eines jeden Forschers ab, was als
Beobachtungsgegenstand gewählt wird und bietet damit die Möglichkeit der internen Differenzierung der Soziologie.
Diese universelle Anwendbarkeit verbietet aber jegliche normativen Vorannahmen über Zwecke oder Ziele von Kommunikation. Theoretisch ist alles möglich, praktisch bzw. empirisch zeigt sich aber immer wieder aufs Neue, dass nicht alles möglich ist, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur eine bestimmte Lösung zum Zuge kommt. Damit stellt das Problem der doppelten Kontingenz den methodischen Ausgangspunkt dar um zu fragen, wie es kommt, dass genau diese Reduktion von Komplexität realisiert wurde und keine andere? Wenn theoretisch alles möglich ist, entfällt auch die Annahme, dass Kommunikation auf ein bestimmtes Ergebnis wie z. B. einen zu erreichenden Konsens zustrebt. Auch das ist vielmehr eine empirische Frage. Im Unterschied zu Luhmann wird hier lediglich betont, dass die kommunizierte Stimmung im Verhältnis zum kommunizierten Sinn eine ebenso wichtige Rolle für das Ergebnis spielt. Beides steht nicht unverbunden nebeneinander sondern Information und Ausdruck müssen analytisch miteinander in Beziehung gesetzt werden.
Diese universelle Anwendbarkeit verbietet aber jegliche normativen Vorannahmen über Zwecke oder Ziele von Kommunikation. Theoretisch ist alles möglich, praktisch bzw. empirisch zeigt sich aber immer wieder aufs Neue, dass nicht alles möglich ist, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur eine bestimmte Lösung zum Zuge kommt. Damit stellt das Problem der doppelten Kontingenz den methodischen Ausgangspunkt dar um zu fragen, wie es kommt, dass genau diese Reduktion von Komplexität realisiert wurde und keine andere? Wenn theoretisch alles möglich ist, entfällt auch die Annahme, dass Kommunikation auf ein bestimmtes Ergebnis wie z. B. einen zu erreichenden Konsens zustrebt. Auch das ist vielmehr eine empirische Frage. Im Unterschied zu Luhmann wird hier lediglich betont, dass die kommunizierte Stimmung im Verhältnis zum kommunizierten Sinn eine ebenso wichtige Rolle für das Ergebnis spielt. Beides steht nicht unverbunden nebeneinander sondern Information und Ausdruck müssen analytisch miteinander in Beziehung gesetzt werden.
Jede realisierte Operation eines
sozialen Systems fand also im Rahmen eines Ordnungsgesichtspunkts statt und hat
innerhalb dieses Rahmens einen bestimmten Sinn bzw. eine bestimmte Funktion.
Allgemein formuliert, erfüllt jede Operation die Funktion die sozial erzeugte
Unsicherheit zu absorbieren und die Komplexität der möglichen
Handlungsalternativen zu reduzieren. Daraus folgt, dass jede realisierte Operation eines sozialen Systems eine Funktion erfüllt.
Keine Operation ist sinn- bzw. funktionslos. Die Frage ist dann, welche
Funktion wird erfüllt? Durch das Internet sind inzwischen
Kommunikationsgewohnheiten ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, mit denen
früher lediglich Sozialpsychologen konfrontiert wurden. Die Rede ist von einem
Phänomen, dass heute unter dem Begriff „Trollen“ diskutiert wird und auch in
diesem Blog an
früherer Stelle eingehend analysiert wurde. Trollen wurde hier als eine
bestimmte Form der Kritik beschrieben, die sich vor allem dadurch auszeichnet,
dass sie die vorangegangenen Ereignisse nicht als Prämisse der weiteren
Anschlussselektion nimmt sondern gleichsam im Blindflug zur Übernahme der
eigenen Sichtweise motivieren will. Die Art und Weise, wie das versucht wird,
zeugt jedoch nur davon, dass der trollende Kommunikationspartner nicht in der
Lage oder nicht willens ist, die Perspektive des Kommunikationspartners zu
übernehmen um davon ausgehend die eigenen Anschlüsse zu wählen. Ob das mit oder
ohne Absicht erfolgt, ist dabei unerheblich [5]. Worauf es ankommt, ist die
Beobachtung, dass mindestens ein Kommunikationspartner nicht in der Lage ist
sich auf das Erleben des Kommunikationspartners einzulassen. Dass dies bereits
bei der Kommunikation unter Anwesenden für die Beteiligten unter Umständen eine
große Herausforderung darstellen kann, darauf wurde bereits in der damaligen
Untersuchung des Troll-Phänomens hingewiesen. Unter den erschwerten Bedingungen
des Internets bei der sich Kommunikationsteilnehmer nur sehr eingeschränkt auf
ihre Wahrnehmung verlassen können, erweist sich eine derartige
Kommunikationsweise als wenig erfolgreich. Durch das Internet ist dies auch für
jeden beobachtbar geworden.
Was das Trollen jedoch zeigt,
ist, dass man, obwohl die jeweiligen Beiträge der Kommunikationsteilnehmer
nicht als Prämisse der weiteren Anschlussfindung genommen wurden, sich die
Kommunikation trotzdem weiter fortsetzt ohne dass dies noch eine erkennbare soziale Funktion hat, denn die sozial
erzeugte Unsicherheit wird durch das Trollen weiter gesteigert statt
absorbiert. Wenn jedoch jede Kommunikation eine Funktion erfüllt, dann wird die
Aufmerksamkeit eines soziologischen Beobachters mehr oder weniger zwangläufig
auf die Beobachtung der psychischen Selbstreferenz gelenkt – also wie die Person
die Unterscheidung von System und Umwelt handhabt um sich zu seiner Umwelt in
Beziehung zu setzen. Die beobachtete Troll-Kommunikation dient dann nicht mehr
der sozialen sondern der psychischen Unsicherheitsabsorption. Da jeder
Kommunikationsteilnehmer durch sein aktuelles Handeln auch über sein situatives
Erleben informiert, kann dies durch eine Analyse entsprechender
Kommunikationssequenzen gezeigt werden. Während Imagepflege ursprünglich auf die
Gefahr des Rückfalls in die Situation doppelter Kontingenz – im Sinne einer
Exklusion – reagierte, indem die Images der beteiligten Menschen vor
Beschädigungen geschützt werden um die eigene Anschlussfähigkeit zu sichern,
verkehrt sich diese Funktion beim Trollen in ihr Gegenteil. Die Images aller
Beteiligten werden beschädigt mit gravierenden Folgen für das soziale System
und die beteiligten psychischen Systeme.
Umso überraschender ist es, wenn es trotzdem nicht zum Abbruch der Kommunikation kommt. Dies legt die Schlussfolgerung nahe, dass
beim Trollen keine soziale sondern eine psychische Funktion erfüllt wird. Im
Falle des Trollens hat sich gezeigt, dass die Form der Imagepflege, mit der
sich Trolle an Kommunikation beteiligen, die soziale Funktion der Imagepflege
korrumpieren und lediglich zur emotionalen Selbstbefriedigung ausnutzen. In
anderen Worten, Kommunikation kann auch zur psychischen Unsicherheitsabsorption
genutzt werden und steigert gerade dadurch die soziale Unsicherheit [6]. Daher
kann diese Möglichkeit bei einer
Analyse von Kommunikationssequenzen nicht ausgeschlossen werden. Wie aber
bereits an den Beispielen Trollen und Amokläufen gezeigt wurde, sind die
beschriebenen Symptome Formen des Umgangs mit dem sozialen Problem personaler
Anschlussfähigkeit ohne dieses jedoch zu lösen. Deswegen werden keine
Vorannahmen darüber getroffen, welche Funktion Kommunikation in einem
bestimmten Fall erfüllt. Aufgrund der Vorannahme, dass theoretisch keine
Handlungsmöglichkeit ausgeschlossen werden kann, muss die Frage nach der jeweils
aktuell relevanten Funktion empirisch geklärt werden. Unter dem Eindruck
dysfunktionaler Kommunikationsstile kann nicht ausgeschlossen werden, dass
bestimmte Handlungen für den Fortgang von Kommunikationsprozessen pathologisch
werden können.
Die bisherigen Ausführungen
bewegten sich im Rahmen der allgemeinen Theorie sozialer Systeme. Mit der Frage
nach der Funktion bestimmter Handlungen im Rahmen von Kommunikationssequenzen
kommt langsam die Schwelle in den Blick von der man zur Theorie der
Systemdifferenzierung abheben könnte um die funktionale Differenzierung der
modernen Gesellschaft zu beschreiben. Die Situation doppelter Kontingenz ist
aber nur die Problemkonstruktion von der ausgegangen wird und dessen Lösung Kommunikation
ist. Bevor die funktionale Differenzierung der Gesellschaft stärker in den
Blick genommen werden kann, ist zunächst noch erforderlich die Sichtweise der
soziologischen Systemtheorie auf laufende Kommunikationsprozesse darzustellen. Der
Begriffsapparat dafür wird durch die Schematismen
der Interaktion (vgl. Luhmann 2005a, 2005b) bereitgestellt. Diese sind zum
einen das Schema Alter/Ego und zum
anderen das Schema Erleben/Handeln.
Obwohl die soziologische
Systemtheorie eine universelle Anwendbarkeit für sich in Anspruch nimmt, was
die Kommunikation unter Abwesenden mit einschließt, bilden die Schematismen der Interaktion den analytischen Ausgangspunkt dafür.
Der Begriff Interaktion bezeichnet allerdings nur die Kommunikation unter
Anwesenden. Diese Engführung auf face-to-face-Kontakte wird auch in den
folgenden Ausführungen beachtet. Das bedeutet, sie stellen zunächst nur auf die
Kommunikation unter Anwesenden ab. Kommunikation findet immer dann statt, wenn zwei
Menschen aufeinander treffen, sich gegenseitig wahrnehmen und sich dieser Wahrnehmung
des Wahrgenommen-Werdens auch bewusst sind. Die soziologische Systemtheorie
beschreibt dieses Verhältnis der Anwesenden als ein Verhältnis wechselseitiger
Beobachtung – zum einen als Wahrnehmung, zum anderen als sinnhaftes
Unterscheiden und Bezeichnen. Dabei bezeichnet der Begriff Alter die beobachtete Person und der Begriff Ego die beobachtende Person. Der soziologischen Systemtheorie geht
es bei der Beobachtung dieses Beobachtungsverhältnisses nicht darum, wer oder
was Alter und Ego sind oder sein könnten, sondern darum wie Alter durch Ego
beobachtet wird und wie seine Beobachtung Alters seine Selektionen bezüglich
weiterer kommunikativer Anschlüsse beeinflusst. Hinsichtlich laufender Kommunikationsprozesse ist es daher wichtig zu
beachten, dass die anwesenden Menschen immer beides zugleich sind: Beobachter
und Beobachteter.
Das zweite Schema – Erleben/Handeln – stellt darauf ab, wie die Selektionsleistungen des sozialen Systems zugerechnet werden. Kommunikation funktioniert nur, wenn im Verlauf
einer Kommunikationssequenz fortlaufend zwischen Information (Erleben) und
Mitteilung (Handeln) unterschieden wird und eine der beiden Alternativen als
Prämisse für die Selektion des Anschlusses (Verstehen) zugrunde gelegt wird.
Dies gilt für alle Anwesenden und im Prozess der Kommunikation sind Alter und
Ego dann auch wieder beides – erlebend
und handelnd. In Abhängigkeit davon ob von den Beteiligten die
Anschlusshandlung auf die Situation – das soziale System – oder auf eine Person
– die Umwelt – zugerechnet wird, ist von Handeln oder Erleben die Rede (vgl.
Luhmann 1997, S. 335). Handeln
bezeichnet also eine Zurechnungsleistung,
die auf interne, situationsbezogene Faktoren Bezug nimmt und auf diese Weise die
Selektion dem sozialen System selbst
zuschreibt. Erleben bezeichnet
dagegen eine Zurechnungsleistung, die
auf externe, personenbezogene
Einflüsse Bezug nimmt und auf diese Weise die Selektion der Umwelt des sozialen Systems zuschreibt.
Für die soziologische Beobachtung einer Kommunikationssituation wird der
Unterschied zwischen Erleben und Handeln aber nur insoweit relevant, wenn die
internale oder externale Zurechnung bestimmter Selektionen zum Thema bzw.
Problem der Kommunikation wird. Es geht also nicht um eine vollständige
Klassifikation des Verhaltens im Verlauf der Kommunikation (vgl. Luhmann 2005a,
S. 80). Darum kann es gar nicht gehen, weil der Kommunikationsprozess dazu viel
zu komplex ist. Es erfordert also Reduktionen um Orientierungspunkte zu haben
an denen sich die Auswahl der Selektionen orientieren kann.
Es kann allerdings nicht
ausgeschlossen werden, dass die Reduktionen durch die beobachteten Systeme
anders vorgenommen werden als im Rahmen dieser Theorie. Es wäre sogar sehr
überraschend, wenn sich ein beobachtetes System mit denselben Formen beobachten
würde, wie der diesen Vorgang beobachtende soziologische Beobachter. Es gilt
also, solange die Zurechnung der Verantwortung für den Kommunikationsverlauf
nicht zum Thema wird, läuft die Kommunikation einfach. Dann bilden die
Differenz von Alter und Ego und die Differenz von Erleben und Handeln die
Informationskatalysatoren für das Kondensieren von Sachverhalten und Personen
im Medium Sinn, die entsprechende Orientierungspunkte für die
Anschlussselektionen liefern. Diese Konstruktionen fungieren dann auch als
Gedächtnis um das soziale System davon zu entlasten von Moment zu Moment immer
wieder klarstellen zu müssen, was gemeint sein könnte [7]. Das bedeutet nicht,
dass die an einer Kommunikationssequenz Beteiligten mit den Schematismen der
Interaktion beobachten. Es lassen sich aber funktional äquivalente
Konstruktionen finden, die jeweils einer der Seiten der Schematismen Alter/Ego
und Erleben/Handeln zuordnen lassen. Allerdings kann auch nicht
ausgeschlossen werden, dass solche Konstruktionen einfach fehlen. Diese
systemintern erzeugten Konstruktionen von Sachverhalten und Personen dienen den
Beteiligten als Kristallisationspunkte für die Bildung von Erwartungen und
Erwartungserwartungen, welche für die Selektion weiterer kommunikativer
Anschlüsse eine ausreichende Orientierung geben. Eine Restunsicherheit bleibt
aber immer bestehen und lässt sich auch nicht eliminieren. Unabhängig davon wie
in einer konkreten Situation beobachtet wird, zeigt sich hier noch einmal, dass
durch das fortlaufende Unterscheiden zwischen Information und Mitteilung für
den weiteren Anschluss geradezu zwangsläufig und unvermeidlich Sachverhalte und
Personen für die Beteiligten entstehen. Ohne diese Konstruktionen wäre jegliche
Koordination von sozialem Handeln bei divergentem psychischem Erleben unmöglich.
Die systemintern erzeugten
Konstruktionen von Sachverhalten und Personen bieten den Beteiligten zugleich
auch das notwendige Irritationspotential um im Kontext von
situationsspezifischen Themen, Zielen oder Funktionen unterscheiden zu können,
was ein passender oder unpassender Anschluss sein könnte. Anders ausgedrückt,
liefern Sachverhalte und Personen Kriterien zu wechselseitigen Einschränkung
von Freiheitsgraden. Obwohl der Unterschied zwischen Information und Mitteilung
im Prinzip ausreicht um die Konstitution von gleichsam strukturellen
Kondensaten in Form von Sachverhalten und Personen entlang der Schematismen
Alter/Ego und Erleben/Handeln zu beschreiben und wie dadurch soziale und
psychische Systeme irritiert werden können, sollen gerade im Hinblick auf
Interaktionen im Sinne von Kommunikation unter Anwesenden noch zwei
Präzisierungen vorgenommen werden. Diese Präzisierungen werden dem Model des
Interaktionsrituals von Randall Collins entnommen (vgl. 2005, S. 48). Als einen
Faktor für gelungene Interaktionsrituale nennt Collins die Unterscheidung
zwischen Insidern und Outsidern. Diese Unterscheidung ist aber
nicht mit der Unterscheidung von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern identisch,
denn sie zielt nicht auf formale Organisationen ab, sondern auf den Unterschied zwischen Beteiligten und
Nicht-Beteiligten. Und genau in diesem Sinne wird die Unterscheidung von
Insidern und Outsidern hier interpretiert. Dieser Unterschied wird besonders im
Hinblick auf die Analyse von Inklusions- und Exklusionsprozessen relevant.
Als einen weiteren Faktor für
gelungene Interaktionsrituale identifiziert Collins den gemeinsamen Fokus der Aufmerksamkeit. Bei der
face-to-face-Begegnung muss für das Zustandekommen von Kommunikation nicht nur
die Wahrnehmung reflexiv werden sondern auch der gemeinsame Fokus der
Aufmerksamkeit an dem sich die Handlungen der Beteiligten orientieren. Der Fokus kann sich auf Sachverhalte oder
Personen richten. Collins betont, dass es nicht nur darum gehen kann, dass
die Beteiligten einen gemeinsamen Fokus der Aufmerksamkeit haben, sondern dass sie
sich gelegentlich gegenseitig versichern, was der gemeinsame Fokus der
Aufmerksamkeit ist. Das mag mit Blick auf Interaktionen zunächst etwas
pedantisch wirken. In konkreten Situationen wird es eher seltener vorkommen,
dass man sich durch direktes Nachfragen über den gemeinsamen Fokus der
Aufmerksamkeit verständigt sondern zumeist indirekt über das gezeigte
Engagement der Beteiligten validiert.
Nichts desto trotz verweist die
Aufmerksamkeitsfokussierung auf zwei
wichtige Irritations- bzw. Störungsquellen für Kommunikationsprozesse. Das
ist zum einen die Frage der Interpenetrationsfähigkeit
sozialer Systeme. Gelingt es der Kommunikation die Komplexität der Umwelt in
ausreichendem Maße systemintern zu konstruieren? Das betrifft sowohl Sachverhalte
als auch Personen und bezieht sich auf die impliziten und expliziten Annahmen
und Erwartungen der Beteiligten zur Definition der Situation um passende
Anschlüsse zu wählen. Von hier aus eröffnet sich das ganze Problemfeld der
Lernfähigkeit/Lernunfähigkeit von sozialen und psychischen Systemen. Zum
anderen gewinnt die Frage, was im Fokus der Aufmerksamkeit steht, auch im
Hinblick auf die Kommunikation unter Abwesenden
besondere Bedeutung. Die menschliche Wahrnehmung hat für die Koordination der
kommunikativen Anschlüsse unter Anwesenden eine kaum zu unterschätzende
Funktion und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen wird der menschliche Körper auf diese Weise zu einer wichtigen Stütze
und Irritationsquelle für Interaktionen, da die Augen, das Gehör, die Nase, der
Tastsinn und der Geschmacksinn weitere Informationsquellen darstellen, die eine
stärkere Kontrolle der Situation gewährleisten als dies bei der Kommunikation
unter Abwesenden der Fall ist. Zum anderen kann der Mensch als emotionaler Resonanzkörper bei Anwesenheit intensiver in Anspruch genommen werden als bei Abwesenheit. Das beeinflußt maßgeblich die psychische Aufmerksamkeitsfokussierung. Das Problem der Aufmerksamkeitsfokusierung ist seit der Erfindung des
Buchdrucks bekannt und die literarischen Darstellungsformen haben versucht
diese besonderen Schwierigkeiten bei Kommunikation unter Abwesenden zu
berücksichtigen. Trotzdem wird die Kommunikation bzw. die Gesellschaft durch
die Entstehung der elektronischen Medien vor neue Herausforderungen gestellt,
die sich besser verstehen lassen, wenn man den Unterschied zwischen der
Kommunikation unter Anwesenden und der Kommunikation unter Abwesenden im
Hinblick auf den gemeinsamen Fokus der Aufmerksamkeit berücksichtigt.
Durch Schrift bzw. Buchdruck fand
eine räumliche und zeitliche Entkopplung von Kommunikation statt. D. h. an eine
schriftliche Mitteilung musste nicht mehr unmittelbar angeschlossen werden,
sondern man konnte sich nun einen Tag, eine Woche, einen Monat oder auch Jahre
oder Jahrhunderte Zeit lassen um eine Mitteilung wieder aufzugreifen und daran
anzuschließen. Die Kommunikationskomponenten Mitteilung und Verstehen wurde in der Zeitdimension entkoppelt (vgl. Luhmann
1997, S. 309f.). Mit dem Entstehen der elektronischen Medien, speziell des
Computers und des Internets, findet nun auch eine Entkopplung zwischen der Sach- und der Sozialdimension statt. Mit
dem Internet werden Informationen aus den unterschiedlichsten räumlichen und
zeitlichen Entstehungskontexten sichtbar - allerdings ohne dass diese
Entstehungskontexte noch erkennbar sind (vgl. Luhmann 1997, S. 310). Bei der
Kommunikation via Internet kann es also passieren, dass nicht klar ist wer
etwas mitteilt und wie die mitgeteilten Informationen zu verstehen sind. Damit
werden die elektronischen Medien zu erheblichen Störquellen für Kommunikation
und erodieren tendenziell die Funktionsbedingungen von Kommunikation. Luhmann
selbst war der Meinung, dass mit den elektronischen Medien eine Grenze erreicht
ist, „an der nichts mehr kommunizierbar ist – mit einer Ausnahme: der
Kommunikation von Aufrichtigkeit“ (Luhmann 1997, S. 311). Aufgrund der
Kommunikationspathologien, die sich via Internet beobachten lassen, muss
allerdings bezweifelt werden, dass die Kommunikation von Aufrichtigkeit via
Internet noch gelingt. Vielmehr scheint die Anonymität des Internets gerade dieser Möglichkeit jegliche Grundlage
zu entziehen.
Es ist auch nicht zu sehen, wie
dieses Problem allein durch neue technische Entwicklungen oder geeignete
Kommunikationsformen gelöst werden könnte. Jegliche Lösungsstrategie, die
diesen Weg einschlägt, wird das Problem der sozialen Entkopplung zwischen
Mitteilung und Information nur noch verschärfen. Damit soll allerdings keine
kulturkritische Position gegenüber dem Internet bezogen werden. Ungeachtet der
Kommunikationspathologien des Internets werden nicht die Vorteile für die
Kommunikation unter Abwesenden und deren Koordinationspotentiale übersehen. Die
Kommunikation läuft aber tendenziell besser, wenn sich die
Kommunikationspartner bereits aus einer persönlichen Begegnung kennen, weil
durch persönliche Bekanntschaft leichter verständlich wird, wie eine Mitteilung
gemeint sein könnte. Dieser Umstand verweist auf die große Bedeutung von Vertrauen für die Kommunikation – nicht
nur via Internet. Durch die Multiplikation der Kontexte, in denen eine
Mitteilung verstanden werden kann, wird das Vertrauen in Kommunikation vor völlig neue
Herausforderungen gestellt mit erheblichen Konsequenzen auf die
Zurechnungsgewohnheiten für internale und externale Selektionsleistungen.
Kommunikation via Internet zeigt, wie leicht Vertrauen missbraucht werden kann.
Entsprechend stellt sich die Frage, ob
sich bei der Kommunikation via Internet neue Formen der Vertrauensbildung
einspielen können. Hinsichtlich der Kommunikation unter Unbekannten via
Internet müssen die Chancen eher schlecht eingeschätzt werden, denn jede
technische Innovation wird Desintegrationsmöglichkeiten nur noch weiter
steigern ohne dass erkennbar wäre in welcher Weise ohne jeglichen räumlichen
oder zeitlich Durchgriff noch eine Integration möglich wäre [8]. Das betrifft
auch die Integrationschancen über symbolisch generalisierte
Kommunikationsmedien (vgl. Luhmann 1997, S. 314f.). Verbreitungsmedien minimieren daher die Erfolgschancen von symbolisch
generalisierten Kommunikationsmedien. Zugleich regen sie aber auch die
stärkere Forcierung auf bestimmte erfolgversprechende Annahmemöglichkeiten an.
Mithin ist es eine Leistung von
symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien, die Erfolgschancen
hoch unwahrscheinlicher Kommunikationsangebote unabhängig von einer bestimmten
Interaktionssituation und unabhängig von bestimmten Personen zu gewährleisten. Die funktionale Differenzierung der Gesellschaft
ist also selbst bereits eine Reaktion auf die gestiegenen Möglichkeiten
räumlicher und zeitlicher Distanzierung zwischen Menschen. Das Internet
führt nun in aller Deutlichkeit vor Augen, dass Abwesenheit die Erfolgschancen
hoch unwahrscheinlicher Kommunikationsangebote extrem reduziert. Dies zeigt sich
unter anderem auch daran, dass die Verfügbarkeit kontingenter Informationen via
Internet die Autorität von Experten massiv in Frage stellt (vgl. Luhmann 1997,
S. 312). Die einzig konsequente Schlussfolgerung angesichts dieser Problemlage
ist es sich wieder stärker auf die vertrauensbildende
Funktion der Kommunikation unter Anwesenden rück zu besinnen. Im Hinblick
auf die Erfolgschancen konstruktiver Kritik wurde dies bereits in früheren
Beiträgen betont. Diese Einsicht wird nun an dieser Stelle bis auf die Ebene
der Gesellschaftstheorie generalisiert: Abwesenheit
reduziert die Erfolgschancen von Kommunikationsangeboten. Diese Einsicht
sollte jedoch nicht als ein Plädoyer für den Verzicht auf elektronische Medien
missverstanden werden. Es wird lediglich auf die unüberwindlichen Grenzen der
elektronischen Medien für Kommunikation bzw. Gesellschaft hingewiesen. Unter
diesem Gesichtspunkt wird schließlich verständlich, warum Luhmann Organisierung
und Individualisierung als Lösungsstrategien für diese durch die elektronischen
Medien erzeugten Selektionsprobleme identifiziert (vgl. Luhmann 1997, S. 311).
Als erfolgversprechend erscheinen diese Lösungsstrategien erst dann, wenn man
den Unterschied der Kommunikation unter Anwesenden und der Kommunikation unter Abwesenden mit berücksichtigt.
Und auch für die soziologische
Systemtheorie muss diese Konsequenz gezogen werden. Es kann also nicht darum
gehen auf die Steigerungslogiken der Moderne hereinzufallen und den Jüngern der
Internettechnologie nach dem Mund zu reden. Niklas Luhmann hat eine der
komplexesten Theorien der modernen Gesellschaft vorgelegt, die der Soziologie zu
Verfügung steht. Ihr Potential ist bis jetzt aber nur ansatzweise ausgeschöpft
worden. Was man allerdings heute feststellen kann, ist, dass Luhmann, obwohl er
sich von der alteuropäischen Tradition absetzen wollte, in einer Hinsicht nach wie vor in ihr verhaftet blieb. Das
ist die Tradition der aufklärerischen Vernunft, die in der systemtheoretischen
Beschreibung der modernen Gesellschaft in ihrer bisher radikalsten Form
ausgebreitet wurde. Was dabei jedoch auf der Strecke blieb, ist die Rolle des
Menschen und sein Verhältnis zur Gesellschaft. Damit ist nicht der alte
Gegensatz von Gesellschaft und Individuum gemeint sondern das Verhältnis
struktureller Kopplung zwischen Mensch und Gesellschaft. Aufgrund der
Rückbesinnung auf die Funktion der Anwesenheit für Vertrauensbildung wird hier
die Systemtheorie Niklas Luhmanns einer mikrosoziologischen Lesart unterzogen.
Dass diese Rückbesinnung auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen
stattfindet, zeigt sich aktuell an der Entscheidung der Yahoo-Chefin Marissa Mayer die
Home-Office-Arbeitsplätze in der Firma drastisch zu reduzieren und wieder stärker auf die Vorteile der direkten Kontakte
zwischen Konzernmitarbeitern zu setzen. Diese
Entscheidung unter Macht- und Kontrollaspekten ideologisch diskutieren zu
wollen, zeigt, dass die zugrundliegende Problemstellung intensiverer
Vertrauensbildung durch Kommunikation unter Anwesenden noch nicht erkannt
wurde [9]. Die Einführung von Home Office führt speziell beratende und helfende
Tätigkeiten ad absurdum, bei denen der direkte Kontakt ein unverzichtbarer
Bestandteil des Tätigkeitsprofils ist. Dies würde zum Beispiel den ganzen
Bereich der sozialen Arbeit betreffen aber auch viele Dienstleistungsberufe mit
direktem Kundenkontakt. Die vertrauensbildene Funktion der Kommunikation unter Anwesenden ist in vielen Tätigkeiten
eine unverzichtbare Erfolgsbedingung - nicht nur im Kontakt mit Kunden sondern auch mit Kollegen. Diese vertauensbildende Funktion der
Kommunikation unter Anwesenden zu politisieren muss heute als eine der schwerwiegendsten Pathologien der modernen Gesellschaft betrachtet werden, denn
dadurch wird das Vertrauen in Vertrauensbildung massiv erschüttert. Hierbei
spielen auch Teile der Sozialwissenschaften eine unrühmliche Rolle. Und das
gerade dadurch, dass lediglich auf einem abstrakten gesellschaftstheoretischem
Niveau argumentiert wird ohne jegliche empirische Anbindung an das
soziologische Bezugsproblem, welches in der Kommunikation unter Anwesenden
begründet wird.
Mit diesem Beitrag sollte
deutlich geworden sein, dass bei einem genauen Studium von Luhmanns
soziologischer Systemtheorie die hier vertretene interaktionstheoretische
Lesart durch Luhmann selbst nahegelegt wird. Sowohl die Rekonstruktion des
Bezugsproblems der Soziologie als Situation doppelter Kontingenz als auch die
Schematismen der Interaktion zur Analyse von Kommunikationsprozessen, aus denen
Luhmann dann auch die Bezugsprobleme der einzelnen Funktionssysteme der
Gesellschaft rekonstruiert (vgl. Luhmann 1997, S. 334ff.), lassen den Schluss
zu, dass die soziologische Systemtheorie mikrosoziologisch
fundiert ist (vgl. Walkow 2008, S. 44). Dieser Verbindung zwischen der
Mikro- und der Makroebene innerhalb der Systemtheorie Luhmanns ist bisher zu
wenig Beachtung geschenkt worden. Der methodische Akzent wird in diesem Blog auf die
stärkere Anbindung der gesellschaftstheoretischen Aussagen auf
Interaktionssituationen gelegt. Daraus ergeben sich zum einen neue Perspektiven
auf den Unterschied zwischen der Kommunikation unter Anwesenden und der
Kommunikation unter Abwesenden. Zum anderen rücken damit die Bedeutung der
menschlichen Emotionen und ihre Irritationspotentiale für soziale Systeme in
den Fokus der Aufmerksamkeit. Auf diese Weise gelingt es zum einen eine
differenzierte Sicht auf die Funktion des Internets für die moderne
Gesellschaft zu entwickeln, welche die Potentiale der elektronischen Medien
nicht unterschätzt und die Grenzen der Kommunikation via Internet nicht überschätzt.
Zum anderen gelingt es auf diese Weise Probleme wie Depression und Entfremdung
in den Blick zu bekommen. Entscheidend dafür wird eine präzisere Beschreibung
der strukturellen Kopplung von Gesellschaft und Menschen sein, die sich in
Bezug auf den Kommunikationsprozess als Frage reformuliert, wie soziale
Informationen durch Menschen sinnhaft und
emotional abgegriffen werden.
Dieser Rückbezug der
Gesellschaftstheorie auf den Menschen scheint dringend notwendig zu sein, denn in den gesellschaftlichen Selbstbeschreibungen setzen sich immer mehr Kommunikationsmodelle durch, die unter dem Eindruck des Internets die Kommunikation unter Abwesenden als neues Ideal progagieren und einer weiteren Technisierung von Kommunikationsprozessen Vorschub leisten, welche die Entfremdung von Kommunikation unter Anwesenden befördert. Dabei wird aber das Problem mit der Lösung verwechselt, denn die technischen Möglichkeiten elektonischer Kommunikationsmöglichkeiten treiben die räumliche Distanzierung der Menschen weiter voran und verschärfen auf diese Weise das Problem der Handlungskoodination bei divergentem Erleben. Desweiteren bedeutet Technisierung von Kommunikationsprozessen nicht nur Zeitgewinn sondern kann auch zur Versuchen führen die menschliche Umwelt zu trivialisieren. Und diese Vorstellung einer asymmetrischen gleichsam parasitären Beziehung [10] zwischen Mensch und Technik wird dann wieder an die Beziehungen zwischen Menschen herangetragen.
Aber auch diese Rückbesinnung wird die Komplexität der soziologischen Gesellschaftsbeschreibung weiter steigern. Es wird damit aber zumindest die Hoffnung verbunden kommunikative Rationalität und menschliche Emotionalität wieder miteinander versöhnen zu können. Zugleich wird auch deutlich, warum soziologische Theoriebildung ständig der Gefahr ausgesetzt ist in der Gorgonenbetrachtung stecken zu bleiben. Die Beobachtung der Situation doppelter Kontingenz und laufender Interaktionssequenzen gleicht einem ungeschützem Blick in die Sonne. Von beidem kann man erblinden. Das Prisma der Soziologie ist eine komplexe Theorie, die in der Lage ist den Kommunikationsfluss in seine einzelnen Spektralfarben aufzusplitten. Ob die Resultate auch durch die nicht-wissenschaftliche Umwelt angenommen werden, erscheint relativ unwahrscheinlich.
Gleichwohl lassen sich mit Hilfe der soziologischen Systemtheorie Problemlösungsstrategien beobachten, welche der modernen Bedingung funktionaler Differenzierung angemessen sind und welche nicht. Auf diese Weise kann der Eindruck gebrochen werden, dass die moderne Gesellschaft nur noch psychisch kranke Menschen produziert. Es lässt sich aber besser verstehen, warum es heute so schwierig ist funktionale bzw. kooperative von pathologischen bzw. kämpferischen Kommunikationsstilen zu unterscheiden. Beides sind Anpassungsleistungen an die Kommunikationsbedingungen funktionaler Differenzierung. Damit sich das Zusammenleben der Menschen qualitativ verbessern kann, müssten sich die kooperativen Kommunikationsstile evolutionär durchsetzen. Die Tragik der Gesellschaft liegt aber darin, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich kooperative Kommunikationsstile durchsetzen werden, wesentlich geringer ist als die Wahrscheinlichkeit für die Durchsetzung kämpferischer Kommunikationsstile. Denn für Kooperationen ist Empathie, Intelligenz, Geduld, Ausdauer und Energie notwendig, für den Kampf dagegen nicht – es sei denn es handelt sich um den Kampf um und für Kooperation. Vereinfacht ausgedrückt, Kampf ist der einfachere Weg, Kooperation der Schwierigere; Kampf ist parasitär, Kooperation symmetrisch.
Diese Problemstellung verweist die Aufmerksamkeit soziologischer Beobachter immer wieder auf die strukturelle Kopplung von Mensch und Gesellschaft. Die Frage, die sich viele Sozial- und Geisteswissenschaftler heute stellen müssen, ist, ob sie lediglich das bestätigen wollen, was sowieso zu erwarten ist, nämlich, dass Gesellschaft bzw. Kommunikation eigentlich nicht funktionieren kann oder ob sie sich auf die Suche nach den erfolgreichen Ausnahmefällen machen, die als sozial und emotional intelligente Lösungen des soziologischen Bezugsproblems betrachtet werden können. Das zu unterscheiden, erfordert einen entsprechend komplexen Begriffsapparat. Für einen soziologisch informierten Kampf für Kooperation ist es dann aber auch notwendig geeignete Formen zu finden, mit denen soziologische Beschreibungsangebote der modernen Gesellschaft in die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft übersetzt werden können. Darin besteht die gegenwärtige Herausforderung einer soziologischen Aufklärung.
Aber auch diese Rückbesinnung wird die Komplexität der soziologischen Gesellschaftsbeschreibung weiter steigern. Es wird damit aber zumindest die Hoffnung verbunden kommunikative Rationalität und menschliche Emotionalität wieder miteinander versöhnen zu können. Zugleich wird auch deutlich, warum soziologische Theoriebildung ständig der Gefahr ausgesetzt ist in der Gorgonenbetrachtung stecken zu bleiben. Die Beobachtung der Situation doppelter Kontingenz und laufender Interaktionssequenzen gleicht einem ungeschützem Blick in die Sonne. Von beidem kann man erblinden. Das Prisma der Soziologie ist eine komplexe Theorie, die in der Lage ist den Kommunikationsfluss in seine einzelnen Spektralfarben aufzusplitten. Ob die Resultate auch durch die nicht-wissenschaftliche Umwelt angenommen werden, erscheint relativ unwahrscheinlich.
Gleichwohl lassen sich mit Hilfe der soziologischen Systemtheorie Problemlösungsstrategien beobachten, welche der modernen Bedingung funktionaler Differenzierung angemessen sind und welche nicht. Auf diese Weise kann der Eindruck gebrochen werden, dass die moderne Gesellschaft nur noch psychisch kranke Menschen produziert. Es lässt sich aber besser verstehen, warum es heute so schwierig ist funktionale bzw. kooperative von pathologischen bzw. kämpferischen Kommunikationsstilen zu unterscheiden. Beides sind Anpassungsleistungen an die Kommunikationsbedingungen funktionaler Differenzierung. Damit sich das Zusammenleben der Menschen qualitativ verbessern kann, müssten sich die kooperativen Kommunikationsstile evolutionär durchsetzen. Die Tragik der Gesellschaft liegt aber darin, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich kooperative Kommunikationsstile durchsetzen werden, wesentlich geringer ist als die Wahrscheinlichkeit für die Durchsetzung kämpferischer Kommunikationsstile. Denn für Kooperationen ist Empathie, Intelligenz, Geduld, Ausdauer und Energie notwendig, für den Kampf dagegen nicht – es sei denn es handelt sich um den Kampf um und für Kooperation. Vereinfacht ausgedrückt, Kampf ist der einfachere Weg, Kooperation der Schwierigere; Kampf ist parasitär, Kooperation symmetrisch.
Diese Problemstellung verweist die Aufmerksamkeit soziologischer Beobachter immer wieder auf die strukturelle Kopplung von Mensch und Gesellschaft. Die Frage, die sich viele Sozial- und Geisteswissenschaftler heute stellen müssen, ist, ob sie lediglich das bestätigen wollen, was sowieso zu erwarten ist, nämlich, dass Gesellschaft bzw. Kommunikation eigentlich nicht funktionieren kann oder ob sie sich auf die Suche nach den erfolgreichen Ausnahmefällen machen, die als sozial und emotional intelligente Lösungen des soziologischen Bezugsproblems betrachtet werden können. Das zu unterscheiden, erfordert einen entsprechend komplexen Begriffsapparat. Für einen soziologisch informierten Kampf für Kooperation ist es dann aber auch notwendig geeignete Formen zu finden, mit denen soziologische Beschreibungsangebote der modernen Gesellschaft in die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft übersetzt werden können. Darin besteht die gegenwärtige Herausforderung einer soziologischen Aufklärung.
[1] Es sollte klar sein, das hier
nicht von einer vollständigen Bestimmung der Situation die Rede ist. Die
sinnhafte Bestimmung durch ein Ereignis bleibt immer unvollständig und
ambivalent und bietet gerade dadurch einen Anlass zum Weitermachen.
[2] Der Imagebegriff stellt
zunächst auf das Beobachtungsverhältnis von Menschen und sozialen Systemen ab.
Nichts desto trotz lässt sich der Imagebegriff auch auf die
Beobachtungsverhältnisse von sozialen Systemen anwenden. Damit verändert sich
aber die ursprüngliche Problemstellung der emotionalen Verbundenheit von
Menschen mit ihrem Image und den daraus entstehenden sozialen Irritationen. Sie
lässt sich nicht Eins zu Eins auf die Beobachtungsverhältnisse von sozialen
Systemen übertragen, weil soziale Systeme keine Gefühle haben. Das damit
aufgespannte Problemfeld symbolischer Generalisierungen wird in einem der
kommenden Beiträge behandelt.
[3] Das über Luhmanns Verwendung
von Spencer-Browns Formenkalkül hinausgehende Potential wird zumeist in der
Hoffnung gesehen über das sozialen und psychischen Systemen gemeinsame Medium
Sinn soziale Systeme und Menschen berechenbar zu machen und damit zu trivialisieren.
Bereits das computergestützte Prozessieren von Semantiken stellt dieses
Vorhaben vor unüberwindliche Probleme. Mit den menschlichen Emotionen kommt
eine zweite unüberwindliche Hürde dazu.
[4] Ähnlich bereits Emile Durkheim,
der zwischen Personen und Dingen unterschied (vgl. 1984, S. 194f.). Aus systemtheoretischer
Perspektive muss betont werden, dass sich das Erkenntnisinteresse allein auf
die sozialen und psychischen Konstruktionen von Sachverhalten und Personen richtet.
Es werden keine Aussagen über die materielle Umwelt getroffen. Gregory Bateson
unterscheidet in diesem Zusammenhang im Anschluss an C. G. Jung zwischen creatura und pleroma (vgl. 1981, S. 617f; 1982, S. 14). Während pleroma die physikalische Welt der
materiellen Dinge bezeichnet, bezieht sich creatura
auf die geistige Welt der Ideen – u. a. Ideen von Personen und Dingen. Die soziologische Beobachtung kann ihre Aufmerksamkeit nur auf
die creatura richten – also auf
Unterschiede, die im Hinblick auf das soziologische Bezugsproblem Unterschiede
machen – und Aussagen über diese treffen. Selbst die Veränderungen der materiellen Welt können nur als Phänomene der creatura begriffen werden, weil Menschen nur im Hinblick auf ihre Vorstellungen von Dingen handeln und nicht aufgrund der wirklichen Eigenschaften von Dingen.
[5] Soziologisch irrelevant ist
der Unterschied ob mit oder ohne Absicht getrollt wird nicht – allerdings nicht
im Hinblick darauf, was die Absicht sein könnte oder ob Trolle bewusst oder
unbewusst, das tun, was sie tun. Für eine soziologische Analyse ist der
Unterschied nur relevant im Hinblick darauf, welche Erwartungen bzw. welches
Image durch das beobachtete Verhalten bei den Kommunikationspartnern entsteht.
Nimmt man an, dass ein Troll ohne Absicht auf diese Weise kommuniziert, dann
wird die Person, die nicht auf ihre Umwelt achtet, als ein Idiot im
ursprünglichen Sinne des Wortes beobachtet. Nimmt man dagegen an, dass ein
Troll mit Absicht auf diese Weise kommuniziert, dann wird er aufgrund seiner
Doppelmoral, die er zwar auf seine Kommunikationspartner anwendet zugleich aber
so handelt als ob diese nicht für ihn gelten würde, als Heuchler beobachtet.
Im Rahmen von Goffmans Unterscheidung von Image, kein Image und falschem Image (Goffman , S. 11ff.) entspricht der Idiot dem fehlenden Image, weil es dem Idioten nicht gelingt eine geeignete Verhaltensstrategie zu entwickeln und bei einem Heuchler handelt es sich um ein falsches Image, da er entgegen den geweckten Erwartungen handelt. Ob das mit Absicht geschieht oder nicht spielt dann insofern keine Rolle, weil das Risiko der Exklusion aufgrund dieser Form der Erwartungsbildung unabhängig von dieser Frage entsteht. Im Anschluss daran stellt sich die Frage, ob man sich unter den Bedingungen funktionaler Differenzierung, die von den Menschen eine gesteigerte Reflexivität bezüglich der eigenen sozialen Beobachtbarkeit verlangt, sich einen derartigen Kommunikationsstil leisten kann?
Im Rahmen von Goffmans Unterscheidung von Image, kein Image und falschem Image (Goffman , S. 11ff.) entspricht der Idiot dem fehlenden Image, weil es dem Idioten nicht gelingt eine geeignete Verhaltensstrategie zu entwickeln und bei einem Heuchler handelt es sich um ein falsches Image, da er entgegen den geweckten Erwartungen handelt. Ob das mit Absicht geschieht oder nicht spielt dann insofern keine Rolle, weil das Risiko der Exklusion aufgrund dieser Form der Erwartungsbildung unabhängig von dieser Frage entsteht. Im Anschluss daran stellt sich die Frage, ob man sich unter den Bedingungen funktionaler Differenzierung, die von den Menschen eine gesteigerte Reflexivität bezüglich der eigenen sozialen Beobachtbarkeit verlangt, sich einen derartigen Kommunikationsstil leisten kann?
[6] Das macht Trollen unter
funktionalen Gesichtspunkten zu so einem schillernden Phänomen, denn sie
zeichnet sich sozial durch ihre Multifunktionalität aus. Dies wurde als Macht, Doppelmoral
und Erziehung des Trolls beschrieben. Troll-Kommunikation ist alles und nichts
und steigert eben dadurch die Unsicherheit in dem Sinne, dass der Troll als
Zurechnungsinstanz für Handlungen keine Erwartbarkeit sichert bzw. nur die
Erwartung gesteigerter Unsicherheit. Siehe dazu auch Fußnote 3.
[7] Bei diesen systemintern
konstruierten Sachverhalten und Personen handelt es sich annährungsweise um
das, was Bruno Latour im Anschluss an Michel Serres als Quasi-Objekte und
Quasi-Subjekte bezeichnet (vgl. Latour 2008, S. 70ff.). Auch Luhmann nimmt im
Zusammenhang von Gedächtnisbildung auf Serres‘ Quasi-Objekte Bezug, weist aber
darauf hin, dass es sich bei Quasi-Objekten um Formen der Gedächtnisbildung
handelt, die vorwiegend in schriftlosen, tribalen Gesellschaften zu finden sind
(vgl. Luhmann 1997, S. 584f.).
Gerade unter diesem Gesichtspunkt erscheint es allerdings fraglich ob der von Latour vorgestellte Ansatz einer symmetrischen Anthropologie geeignet ist um die (nicht-)moderne Gegenwartsgesellschaft zu beschreiben. Aus Luhmanns Perspektive – die hier geteilt wird – bezeichnet der Begriff Quasi-Objekt eine bestimmte Weise der Zuschreibung internaler und externaler Selektionsleistungen und daran anschließender Gedächtnisbildung, die sich nur in archaischen Stammesgesellschaften finden lässt. Latours Argument, um die These zu stützen, das wir nie modern gewesen sind, beruht auf der Annahme, dass es keine Unterschiede in der Art und Weise der Zurechnung internaler und externaler Selektionsleistungen zwischen archaischen Stammesgesellschaften und der modernen Gesellschaft gibt (vgl. 2008, S. 104f.). Aus der Perspektive der soziologischen Systemtheorie kann dieser These nicht gefolgt werden, denn die systemtheoretische Unterscheidung von segmentär, stratifikatorisch und funktional differenzierten Gesellschaften enthält auch die Annahme, dass sich die Zurechnungsformen von internalen und externalen Selektionsleistungen gravierend geändert haben.
Wenn Latour dies negiert um die Unterschiede zwischen der vormodernen und modernen Gesellschaft zu nivellieren, dann überträgt er im Grunde nur die Zurechnungsformen archaischer Stammesgesellschaften auf die moderne Gesellschaft. Mit anderen Worten, Latour betrachtet die moderne Gesellschaft mit dem vormodernen Blick eines Stammesangehörigen. Dann überrascht es nicht mehr, dass Latour seinen Handlungsbegriff soweit ausdünnt um ihn wieder auf Dinge und Objekte anwenden zu können. Handeln wird zum Mysterium. Dabei handelt es sich um eine vormoderne gleichsam magische Zurechnungsweise, die auch Dingen und Objekten der natürlichen und technischen Umwelt Selbstreferenz bzw. autonome Handlungsfähigkeit zugesteht. Auch wenn die Akteure ihre Erlebnisse so beschreiben sollten, zeigt sich an dieser Stelle, wieso es sich eine Sozialtheorie nicht leisten kann einfach unkritisch den Akteuren zu folgen. Das hieße ihre Beschreibung der Wirklichkeit als die eigene zu übernehmen und die eigene Theorie dieser Wirklichkeit der Akeure anzupassen. Die Theorie ist dann aber nur noch eine Apologie der von den Akteuren beschriebenen Wirklichkeit.
Gerade unter diesem Gesichtspunkt erscheint es allerdings fraglich ob der von Latour vorgestellte Ansatz einer symmetrischen Anthropologie geeignet ist um die (nicht-)moderne Gegenwartsgesellschaft zu beschreiben. Aus Luhmanns Perspektive – die hier geteilt wird – bezeichnet der Begriff Quasi-Objekt eine bestimmte Weise der Zuschreibung internaler und externaler Selektionsleistungen und daran anschließender Gedächtnisbildung, die sich nur in archaischen Stammesgesellschaften finden lässt. Latours Argument, um die These zu stützen, das wir nie modern gewesen sind, beruht auf der Annahme, dass es keine Unterschiede in der Art und Weise der Zurechnung internaler und externaler Selektionsleistungen zwischen archaischen Stammesgesellschaften und der modernen Gesellschaft gibt (vgl. 2008, S. 104f.). Aus der Perspektive der soziologischen Systemtheorie kann dieser These nicht gefolgt werden, denn die systemtheoretische Unterscheidung von segmentär, stratifikatorisch und funktional differenzierten Gesellschaften enthält auch die Annahme, dass sich die Zurechnungsformen von internalen und externalen Selektionsleistungen gravierend geändert haben.
Wenn Latour dies negiert um die Unterschiede zwischen der vormodernen und modernen Gesellschaft zu nivellieren, dann überträgt er im Grunde nur die Zurechnungsformen archaischer Stammesgesellschaften auf die moderne Gesellschaft. Mit anderen Worten, Latour betrachtet die moderne Gesellschaft mit dem vormodernen Blick eines Stammesangehörigen. Dann überrascht es nicht mehr, dass Latour seinen Handlungsbegriff soweit ausdünnt um ihn wieder auf Dinge und Objekte anwenden zu können. Handeln wird zum Mysterium. Dabei handelt es sich um eine vormoderne gleichsam magische Zurechnungsweise, die auch Dingen und Objekten der natürlichen und technischen Umwelt Selbstreferenz bzw. autonome Handlungsfähigkeit zugesteht. Auch wenn die Akteure ihre Erlebnisse so beschreiben sollten, zeigt sich an dieser Stelle, wieso es sich eine Sozialtheorie nicht leisten kann einfach unkritisch den Akteuren zu folgen. Das hieße ihre Beschreibung der Wirklichkeit als die eigene zu übernehmen und die eigene Theorie dieser Wirklichkeit der Akeure anzupassen. Die Theorie ist dann aber nur noch eine Apologie der von den Akteuren beschriebenen Wirklichkeit.
Obwohl Latour auf
sozialwissenschaftliche, naturwissenschaftliche und metaphysische Konzepte
zurückgreift, begründet er eine Art Schamanismus im wissenschaftlichen Gewand. Indem er
Personen und Sachverhalte im Begriff des Quasi-Objektes bzw. im Begriff des
Aktanten gleichsetzt, versucht Latour die Eröffnung und Schließung von
Handlungsmöglichkeiten vom Objekt bzw. vom Beobachteten her zu verstehen (vgl.
Latour 2010, S. 94ff.). Das Ergebnis ist ein naiver Konstruktivismus, der
Dingen – genauer Ideen von Dingen! – Handlungsträgerschaft zuschreibt um die
Integration zwischen den Ideen von Sachverhalten und Personen zu
beschreiben. Durch dieses Denken vom Objekt her (vgl. Latour, S. 203f.) kommt es fortlaufend zur Verwechslung zwischen creatura und pleroma.
Es ist sehr zweifelhaft, ob dieser Weg eine angemessene Strategie ist um der Herausforderung einer soziologischen Beschreibung der modernen Gesellschaft gerecht zu werden. Vielmehr scheint es sich hier um eine Art regressiver Problemlösungsstrategie zu handeln um mit der Überforderung moderner Komplexität umzugehen. Die vorgeschlagene Methode der ANT verführt lediglich dazu die Karte immer weiter dem Gebiet an zu nähren und sich in der Komplexität der Welt bzw. den unendlichen Verzweigungen der Assoziationen zu verlieren. Dann ist wirklich alles sozial und zugleich ist nichts sozial (vgl. Latour 2010, S. 185f.). Das ist die mystische Art des Schamanen auszudrücken, dass die physikalische Welt nur über die geistige Welt der Ideen von ihr erfahrbar wird und dass die Ideen und Erwartungen bezüglich der physikalischen Welt auch enttäuscht werden können. Mystik ist natürlich keine Wissenschaft. So ist man gezwungen Metaphern wörtlich zu nehmen und die Theoriebildung daran auszurichten (vgl. Latour 2010, S. 179). Dabei geht jedoch diese wichtige Einsicht verloren. Dann ist es schon ein Erfolgerlebnis wenn man Muster erkennt, die Netzen ähneln.
Aus der Sicht von Kommunikationswissenschaftlern und Systemtheoretikern ist offensichtlich, dass Latour in seiner naiven und unbeholfenen Art versucht die Modulationen von Bedeutungen zwischen Kontexten (Bateson) oder Rahmen (Goffman) zu beschreiben. Wenn allerdings die Funktion solcher Kontexte bestritten wird, dann muss sich Latour die Frage gefallen lassen, zu welchem Tun die Unterschiede, die im Rahmen der ANT Unterschiede machen, eigentlich bewegen sollen? Dass man sich dann plötzlich mitten in der Politik und nicht mehr in der Wissenschaft wiederfindet, kann dann nicht mehr wirklich überraschen. Wer die pleroma vor ihren vielfältigen Deutungen beschützen will (vgl. Latour 2010, S. 203), wird in der Wissenschaft kaum Verbündete finden. Das Ansinnen gute von schlechten Konstruktionen unterscheiden zu wollen (vgl. Latour 2010, S. 154), kann nämlich unter politischen Vorzeichen sehr schnell in Zensur mutieren.
[8] Eine Ausnahme bildet hier Internettelefonie á la Skype, die versucht Kommunikation unter Abwesenden stärker an Kommunikation unter Anwesenden annährt indem wieder die Wahrnehmung des Wahrgenommen-Werden ermöglicht wird. Nichts desto trotz bleibt das Problem des fehlenden räumlichen und zeitlichen Durchgriffs auf den Kommunikationspartner bestehen.
Es ist sehr zweifelhaft, ob dieser Weg eine angemessene Strategie ist um der Herausforderung einer soziologischen Beschreibung der modernen Gesellschaft gerecht zu werden. Vielmehr scheint es sich hier um eine Art regressiver Problemlösungsstrategie zu handeln um mit der Überforderung moderner Komplexität umzugehen. Die vorgeschlagene Methode der ANT verführt lediglich dazu die Karte immer weiter dem Gebiet an zu nähren und sich in der Komplexität der Welt bzw. den unendlichen Verzweigungen der Assoziationen zu verlieren. Dann ist wirklich alles sozial und zugleich ist nichts sozial (vgl. Latour 2010, S. 185f.). Das ist die mystische Art des Schamanen auszudrücken, dass die physikalische Welt nur über die geistige Welt der Ideen von ihr erfahrbar wird und dass die Ideen und Erwartungen bezüglich der physikalischen Welt auch enttäuscht werden können. Mystik ist natürlich keine Wissenschaft. So ist man gezwungen Metaphern wörtlich zu nehmen und die Theoriebildung daran auszurichten (vgl. Latour 2010, S. 179). Dabei geht jedoch diese wichtige Einsicht verloren. Dann ist es schon ein Erfolgerlebnis wenn man Muster erkennt, die Netzen ähneln.
Aus der Sicht von Kommunikationswissenschaftlern und Systemtheoretikern ist offensichtlich, dass Latour in seiner naiven und unbeholfenen Art versucht die Modulationen von Bedeutungen zwischen Kontexten (Bateson) oder Rahmen (Goffman) zu beschreiben. Wenn allerdings die Funktion solcher Kontexte bestritten wird, dann muss sich Latour die Frage gefallen lassen, zu welchem Tun die Unterschiede, die im Rahmen der ANT Unterschiede machen, eigentlich bewegen sollen? Dass man sich dann plötzlich mitten in der Politik und nicht mehr in der Wissenschaft wiederfindet, kann dann nicht mehr wirklich überraschen. Wer die pleroma vor ihren vielfältigen Deutungen beschützen will (vgl. Latour 2010, S. 203), wird in der Wissenschaft kaum Verbündete finden. Das Ansinnen gute von schlechten Konstruktionen unterscheiden zu wollen (vgl. Latour 2010, S. 154), kann nämlich unter politischen Vorzeichen sehr schnell in Zensur mutieren.
[8] Eine Ausnahme bildet hier Internettelefonie á la Skype, die versucht Kommunikation unter Abwesenden stärker an Kommunikation unter Anwesenden annährt indem wieder die Wahrnehmung des Wahrgenommen-Werden ermöglicht wird. Nichts desto trotz bleibt das Problem des fehlenden räumlichen und zeitlichen Durchgriffs auf den Kommunikationspartner bestehen.
[9] Das gilt auch für das Problemfeld der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben. Selbstverständlich darf das Berufsleben das Privatleben nicht verdrängen. Trotzdem werden die Erfordernisse eines sinnvollen Ausgleichs vom Tätigkeitsprofil der Arbeitsstelle bestimmt. Wenn dazu die Anwesenheit des Angestellten gehört, sind diesem Ausgleich bereits klare Grenzen gesetzt. Vermutlich gilt dieses Erfordernis sogar für die meisten Berufe. Bereits die Berücksichtigung der Differenz zwischen körperlicher und geistiger Arbeit würde einen Differenzierungsgrad in das Themenfeld bringen, dass eine Pauschalisierung weitestgehend verbietet, denn dann würde sich zeigen, dass die Lösungsmöglichkeiten der Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben sehr stark von der jeweiligen Tätigkeit abhängen. Pauschalisierung verführt zu Ideologisierung, denn sie ermöglicht nur eine Zuspitzung auf Gegensätze wie die Geschlechterdifferenz. Deshalb ist es nötig zu fragen, wie die praktischen Lösungen aussehen sollen. Denn dann würde sich zeigen, dass nationalstaatliche Lösungen kaum dem Grad der gegenwärtigen Arbeitsteiligkeit einer Nationalökonomie gerecht werden - ganz zu schweigen von der Weltgesellschaft. Politikern und solche, die eine politische Lösung präferieren, wird das natürlich nicht gefallen, denn damit bricht ein wichtiges Feld der Selbstlegitimation weg. Man sollte sich trotzdem nicht von guten Absichten blenden lassen.
[10] Parasitär im Sinne von Michel Serres, der mit parasitär eine unumkehrbare, unidirektionale Beziehung bezeichnet (vgl. 1987), wie z. B. die zwischen Subjekt und Objekt.
[10] Parasitär im Sinne von Michel Serres, der mit parasitär eine unumkehrbare, unidirektionale Beziehung bezeichnet (vgl. 1987), wie z. B. die zwischen Subjekt und Objekt.
Literatur
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Goffman, Erving (1986): Techniken
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Kommunikation, Frankfurt am Main, S. 10 – 53
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Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main
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Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main
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und Handeln. In: ders: Soziologische Aufklärung 3. Soziales System,
Gesellschaft, Organisation. Wiesbaden 4. Auflage. S. 77 - 92
Luhmann, Niklas (2005b):
Schematismen der Interaktion. In: ders: Soziologische Aufklärung 3. Soziales
System, Gesellschaft, Organisation. Wiesbaden 4. Auflage. S. 93 – 114
Serres, Michel (1987): Der Parasit. Frankfurt am Main
Serres, Michel (1987): Der Parasit. Frankfurt am Main
Spencer-Brown, George (1997): Laws Of Form. Gesetze
der Form, Lübeck
Tarde, Gabriel (2009):
Monadologie und Soziologie. Frankfurt am Main
Walkow, Roland (2008): Über Form und Funktionswandel
von Ritualen. Rituale im Spiegel ausgewählter Theorien. Saarbrücken
Herzlichen Dank und Glückwunsch für diesen Artikel!
AntwortenLöschenGerade der Verweis auf die "Doppelte Kontingenz" lässt durchaus die "mikrosoziologische" Entfaltung der Luhmann'schen Theorie umfänglich zu.
Am Sprachstil, am "kämpferischen" Sprach-Duktus UND am Gebrauch von Begriffen im jeweiligen Kontext, insbesondere aber auch an der Resonanz, lässt sich sinnhaltige, auf Kooperation ausgerichtete Kommunikation von reiner auf informative Selbstdarstellung ausgerichteter Kommunikation unterscheiden. Letzterer fehlt es in der Regel an Selbstreferenz und damit auch an -wie auch immer gearteter- ernsthafter Kooperationsbereitschaft. Was sich u.a. auch darin offenbart, dass in allen drei Sinndimensionen, sowohl im Hinblick auf Sach-, Zeit- und Sozialdimension, relativ rasch das Interesse am Thema und an konditionierter Ko-Produktion verloren geht. Erkennbar auch daran, dass insbesondere bei gezielten Verständnis-Nachfragen Antworten ausbleiben und ggf. die Kommunikation ganz abbricht.
Die so entstehenden Imbalancen, die sich auch als Inklusions/Exklusions-Imbalancen mit mangelnder Anschlussfähigkeit - schlichtweg auch durch Sprachbarrieren und mangelnder Analog-Übersetzung von fachspezifischer Terminologie manifestieren - lassen sich m.E. ebenfalls auch als beobachtbare Phänomene in doppelter Kontingenz zurückspiegeln.
Vielen Dank. Ja, in die angedeutete Richtung lässt sich das Anschluss-/Verstehen-Problem weiter entfalten.
AntwortenLöschenIch bin mir aber noch nicht ganz sicher, was für Phänomene mit informativer Selbstdarstellung gemeint sind. Hinsichtlich mangelnder Kooperationsbereitschaft würde ich zunächst von zu viel statt zu wenig Selbstreferenz ausgehen. Für Kooperation ist ja auch ein gewisses Maß an Umweltsensibilität - also Fremdreferenz - nötig.
Was ich an Imbalancen mit mangelnder Anschlussfähigkeit meinte, waren weniger die mannigfaltigen Störmuster offensichtlicher "Vertrauensbrüche" und damit auch sinnentleerender Pathologien in der sozialen Kommunikation - Thema u.a. auch Trolle, aber auch die gesamten virtuellen "Freundschafts"- , aber auch beruflichen Kontakt-Foren.
AntwortenLöschenWoraus relativ rasch auch klar wird, dass die Risiken informativer Selbstdarstellung bei Nutzung dieser modernen Kommunikationsmedien offensichtlich vollkommen unterschätzt und selbst bei Nicht-Preisgabe von persönlichen Daten, anhand der Selektion von Themen und des unterschiedlichen Sprachduktus das weit tiefer liegende "solipsistische" Elend der jeweiligen Sender von Information erweist. Mit den unterschiedlichsten Störmustern in der breitesten Spannweite von hochaggressiv kämpferisch bis allzu freundschaftlich selbstentblößend loyal lassen sich die zweiwertigen Muster, denen die Fremdreferenz fehlt, bzw. auf die offenbar nicht flexibel reagiert werden kann relativ gut beobachten. Sozusagen als im virtuellen Raum mehr oder minder frei flottierende "Massenteilchen" von psychischen Systemen, die auf unterschiedlichsten
Ebenen in der virtuellen Scheinwelt sozialen Anschluß suchen, aber im Endeffekt -von Ausnahmen abgesehen- auf mangelnde soziale Anschlußfähigkeit stoßen. Dies erscheint mir allerdings weniger ein technisches Problem, sondern ein Problem des je eigenen Umgangs mit der neuen Medien zu sein.
Hierin stimme ich Ihnen weitestgehend zu:
"Die Tragik der Gesellschaft liegt aber darin, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich kooperative Kommunikationsstile durchsetzen werden, wesentlich geringer ist als die Wahrscheinlichkeit für die Durchsetzung kämpferischer Kommunikationsstile. Denn für Kooperationen ist Empathie, Intelligenz, Geduld, Ausdauer und Energie notwendig, für den Kampf dagegen nicht – es sei denn es handelt sich um den Kampf um und für Kooperation. Vereinfacht ausgedrückt, Kampf ist der einfachere Weg, Kooperation der Schwierigere; Kampf ist parasitär, Kooperation symmetrisch"
Kooperation ist gewiss der weitaus schwierigere Weg. Denn hierbei dreht es um "Sprach-Handeln", insofern darum Reden (in Schriftform) und Handeln aus den unterschiedlichsten Perspektiven, auch unter den unterschiedlichsten individuellen Konstitutionen und Vorkenntnissen zusammenzubringen.
Was notwendigerweise bei allen Beteiligten auch die Bereitschaft voraussetzt, weiter differenzierend in die Tiefe zu gehen,
den eigenen Standort, Ansatz und Ziel-Vorstellungen als Beobachter zum jeweiligen Thema zu erklären.
Und letztlich auch Kompromisse einzugehen und mitunter eigene Vorstellungen und Bewertungen ganz radikal bis zu den "Eigenwerten" zurück zu reduzieren.
Kooperation würde ich aber nicht als "symmetrisch" bezeichnen wollen. Denn Symmetrie wäre ein Nullsummenspiel und bedeutet Stagnation der Kommunikation, aus der heraus sich nichts entwickeln kann. (vgl. Axelrod "Die Evolution der Kooperation")
Ich stimme vollkommen zu, dass der erfolgreiche soziale Anschluss im Netz eine Sache des eigenen Umgangs mit den neuen Medien ist. Worauf ich allerdings im Text hinweisen wollte, ist das Problem, dass inzwischen Sozialmodelle im Umlauf sind, die aufgrund der technischen Vermittlung und fehlenden Sichtbarkeit des Kommunikationspartners ein eher technisches Verständnis der Kommunikation zugrunde legen. Und genau dieses technische Subjekt-Objekt-Verständnis beeinträchtigt die Fähigkeit sich von der Umwelt irritieren zu lassen. Es ging mir damit in Stück weit darum eine Reflektion des eigenen Umgangs mit den neuen Medien anzuregen.
AntwortenLöschenSymmetrisch habe ich dann im Unterschied zu parasitär verwendet um darauf aufmerksam zu machen, dass die parasitäre Subjekt-Objekt-Beziehung bei Kommunikation immer wechselseitig zwischen den Kommunikationspartnern besteht. Dann stellt sich die Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern zunächst als symmetrisch dar. Ich habe das auch nur mit Blick auf bestimmte Theorieansätze geschrieben, die mit dem Symmetriebegriff arbeiten – zu allererst natürlich Latours symmetrische Anthropologie.
Zweifellos ist Kooperation mit Symmetrie nur unzureichend beschrieben. Es hängt allerdings davon ab, welcher Aspekt einer zwischenmenschlichen Beziehung als symmetrisch beschrieben wird. Schaut man zunächst auf die Rollenverteilung, dann lassen sich zwei Konstellationen unterscheiden: die Beteiligten treten sich in denselben Rollen gegenüber oder die Beteiligten treten sich in komplementären Rollen gegenüber. Ersteres ließe sich dann schon als eine symmetrische Beziehung beschreiben. Wobei weder Symmetrie noch Komplementarität an sich besonders förderlich oder besonders hinderlich für Kooperation sind. Um die Deutungshoheit des Selbst kann in beiden Konstellationen gerungen bzw. gekämpft werden. Der größte emotionale Gewinn für alle Beteiligten würde sich aber nur im unwahrscheinlichsten Fall einstellen – eben der Kooperation um die Deutungshoheit des Selbst im Sinne wechselseitiger Anerkennung. In der Realität wird es vermutlich immer genug sinnhafte und emotionale Reibungspunkte geben, dass selbst bei Kooperation nicht so schnell mit einem Rückfall in einen entropischen Zustand zu rechnen ist. Um das für konkrete Situationen nachvollziehen zu können, würde ich eine Situation unter dem Aspekt der Interpenetration analysieren.
Falls noch nicht bekannt, siehe für die Verwendung der Unterscheidung von Kampf/Kooperation auch den letzten Absatz hier: http://beobachter-der-moderne.blogspot.com/2012/10/beobachtbarkeit-als-risiko-und-gefahr.html