Der
letzte Blog-Beitrag, der sich der Analyse des sogenannten Trollens widmete,
wurde am 6. Dezember 2012 veröffentlicht. Acht Tage später bekam eine Passage
des Textes „Kontingenz, Kritik und das Internet“ unerwarteterweise eine
traurige Aktualität:
„Es kann zwar vermutet werden, dass es sich bei den meisten Trollen um
Personen handelt, die sich aufgrund ihrer strengen moralischen, politischen
oder religiösen Ansichten mehr oder weniger selbst isoliert haben. Trotzdem
sollte man sich darüber im Klaren sein, was es bedeutet, wenn eine Person mit
einer derartig hohen Aufladung an negativen Emotionen wieder in die Lebenswelt
anderer Menschen einbricht. Durch das Mobbing via Internet kann man eine vage
Ahnung davon bekommen. Das Spektrum reicht wahrscheinlich von Mobbing über
Stalking bis tätlichen Angriffen, Terror und im schlimmsten Fall Amokläufen.“
Die Rede ist vom Amoklauf
des zwanzigjährigen Adam Lanza in der Stadt Newton im US-Bundesstaat
Connecticut am 14. Dezember 2012. Über die Motive von Adam Lanza rätselt man
bis heute.
Die im Troll-Text
implizit enthaltene These lautete, dass es sich bei Amokläufen ebenso wie beim
Trollen um eine Folgeerscheinung von sozialen Exklusionsprozessen handelt. Ausgehend
von einer interaktionstheoretischen Perspektive wurde versucht das Muster
sozialer Prozesse zu beschreiben, die Menschen dazu treibt Situationen mit
face-to-face-Kontakten zu meiden, welche psychologischen Folgen diese sozialen
Exklusionsprozesse auf die betroffenen Menschen haben und wie sich diese
psychologischen Folgen wieder in Kommunikationsprozessen bemerkbar machen.
Amokläufe sind die extremste Form in der sich soziale Entfremdung ausdrückt. Um
solche tragischen Ereignisse künftig verhindern zu können, gilt es die Ursachen
dafür zu identifizieren. Erklärungsangebote gibt es einige. So wurden wenig
überraschend wieder die Ego-Shooter für solche Taten verantwortlich gemacht.
Ebenso erwartbar wurde auch die laxe Waffengesetzgebung der USA genannt. Aber
es gab auch einen neuen Erklärungsansatz der in der fehlenden
Krankversicherungspflicht die Ursache für Amokläufe sieht, weil auf diese Weise
vielen US-amerikanischen Staatsbürgern die Möglichkeit genommen wird benötigte
psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Im Folgenden soll eine soziologische Deutung von Amokläufen vorgenommen werden. Den theoretischen Ausgangspunkt dafür bildet eine Kombination aus der soziologischen Systemtheorie Niklas Luhmanns, der Interaktionstheorie Erving Goffmans und die an Goffman anschließende Emotionssoziologie von Randall Collins. Die besondere Schwierigkeit bei einer Analyse von Amokläufen besteht in den spärlichen Informationen über Amokläufer. Man kann immer nur im Nachhinein darüber spekulieren, wie es zu diesem Ereignis kam. Schon die Motive des Täters bleiben im Dunkeln, da dieser sich in den meisten Fällen am Ende der Tat selbst richtet. Auch die folgenden Überlegungen müssen daher hoch spekulativ bleiben. Trotzdem lohnt es sich das Phänomen der Amokläufe vor dem Hintergrund der modernen Gesellschaft zu interpretieren. Auf diese Weise lassen sich Amokläufe durch die gesellschaftsstrukturellen Bedingungen der Moderne verstehen. Dafür ist es zunächst notwendig die relevanten Aspekte der modernen Gesellschaft darzustellen (I.). Es wird sich zeigen, dass Niklas Luhmanns Theorie der Form „Person“ einige weitreichende Implikationen auf seine Theorie der funktional differenzierten Gesellschaft haben, die noch nicht hinreichend ausgearbeitet sind. Um dieses Defizit auszugleichen wird hier versucht die Theorie der Form „Person“ an Erving Goffmans Image-Begriff anschlussfähig zu machen und mit Randall Collins Emotionssoziologie in Beziehung zu setzen (II.). Damit ist die Hoffnung verbunden Inklusions-/Exklusionsprozesse besser beschreiben zu können. Auf der erarbeiteten theoretischen Grundlage wird schließlich eine Deutung von Amokläufen im Kontext der modernen Gesellschaft erfolgen (III. - V.).
Im Folgenden soll eine soziologische Deutung von Amokläufen vorgenommen werden. Den theoretischen Ausgangspunkt dafür bildet eine Kombination aus der soziologischen Systemtheorie Niklas Luhmanns, der Interaktionstheorie Erving Goffmans und die an Goffman anschließende Emotionssoziologie von Randall Collins. Die besondere Schwierigkeit bei einer Analyse von Amokläufen besteht in den spärlichen Informationen über Amokläufer. Man kann immer nur im Nachhinein darüber spekulieren, wie es zu diesem Ereignis kam. Schon die Motive des Täters bleiben im Dunkeln, da dieser sich in den meisten Fällen am Ende der Tat selbst richtet. Auch die folgenden Überlegungen müssen daher hoch spekulativ bleiben. Trotzdem lohnt es sich das Phänomen der Amokläufe vor dem Hintergrund der modernen Gesellschaft zu interpretieren. Auf diese Weise lassen sich Amokläufe durch die gesellschaftsstrukturellen Bedingungen der Moderne verstehen. Dafür ist es zunächst notwendig die relevanten Aspekte der modernen Gesellschaft darzustellen (I.). Es wird sich zeigen, dass Niklas Luhmanns Theorie der Form „Person“ einige weitreichende Implikationen auf seine Theorie der funktional differenzierten Gesellschaft haben, die noch nicht hinreichend ausgearbeitet sind. Um dieses Defizit auszugleichen wird hier versucht die Theorie der Form „Person“ an Erving Goffmans Image-Begriff anschlussfähig zu machen und mit Randall Collins Emotionssoziologie in Beziehung zu setzen (II.). Damit ist die Hoffnung verbunden Inklusions-/Exklusionsprozesse besser beschreiben zu können. Auf der erarbeiteten theoretischen Grundlage wird schließlich eine Deutung von Amokläufen im Kontext der modernen Gesellschaft erfolgen (III. - V.).
Im Anschluss an Niklas Luhmanns
soziologische Systemtheorie liegt den folgenden Überlegungen die Annahme zu
Grunde, dass die moderne Gesellschaft funktional differenziert ist (vgl. 1997).
Der Begriff Gesellschaft bezeichnet die Gesamtheit der stattfindenden
Kommunikation. Kommunikation ist
alles das was zwischen Menschen stattfindet. Beschreibt man Gesellschaft als ein
System, dann gibt es in der Umwelt kein vergleichbares System. Oder einfacher
ausgedrückt, es gibt keine Kommunikation außerhalb der Gesellschaft. Als Ereignis ist Kommunikation durch eine dreifache Selektion gekennzeichnet: die Selektion des
Informationsträgers – der Mitteilung
-, die Wahl der Informationen selbst
aus einem Horizont von Möglichkeiten und - sofern die Differenz zwischen
Mitteilung und Information verstanden wurde und dem anschließenden
Kommunikationsereignis zugrunde gelegt wird – das Verstehen (vgl. Luhmann 1984, 194ff.). Jedes Kommunikationsereignis
ist eine Synthese dieser drei Selektionen. Versteht man unter Gesellschaft alle stattfindenen Kommunikationsereignisse
wird Gesellschaft damit zu einem prozesshaften Geschehen. Wenn jedoch an ein vorangegangenes Ereignis
nicht angeschlossen wird, kann man auch nicht von Kommunikation sprechen.
Im Laufe der gesellschaftlichen
Evolution haben sich verschiedene Semantiken gebildet, welche die Spielräume
möglicher kommunikativer Anschlüsse einschränken. Das heißt, dass sich die
gesellschaftliche Komplexität im Laufe der Zeit immer weiter erhöht hat und in
der Form funktionaler Differenzierung gegenwärtig den bisher höchsten bekannten
Grad gesellschaftlicher Komplexität angenommen hat. Differenzierung meint in diesem Zusammenhang, dass das umfassende
System Gesellschaft intern Subsysteme gebildet hat. Von funktionaler Differenzierung wird gesprochen, weil sich die Bildung
dieser Subsysteme jeweils an einem bestimmten sozialen Problem auskatalysiert
hat mit dem potentiell jeder Mensch konfrontiert werden könnte. Bei diesen
Subsystemen handelt es sich um die Wirtschaft, die Politik, das Recht, die
Wissenschaft, Kunst, Liebe, Erziehung und die Massenmedien. Jedes einzelne
dieser Funktionssysteme hat sich jeweils der kontinuierlichen Lösung eines
dieser Probleme gewidmet. Keines dieser Bezugsprobleme kann jemals endgültig
gelöst werden. Und keines dieser Funktionssysteme kann eines der anderen
gesellschaftlichen Bezugsprobleme lösen.
Jedes dieser Funktionssysteme ist operativ geschlossen und operiert autonom. Das heißt, soziale Systeme reproduzieren ihre Systemelemente – man muss genauer sagen Ereignisse – aus ihren Systemelementen. Das ist lediglich eine andere Form auszudrücken, dass Kommunikationsereignisse an Kommunikationsereignisse anschließen. Unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Rahmenbedingung funktionaler Differenzierung muss man genauer sagen wirtschaftliche Kommunikationsereignisse in Form von Zahlungen schließen nur an wirtschaftliche Kommunikationsereignisse an, politische Kommunikationsereignisse in Form von kollektiv bindenden Entscheidungen schließen nur an politische Kommunikationsereignisse an usw.. Nichts desto trotz sind die einzelnen Funktionssysteme informationell offen. D. h. trotz ihrer geschlossenen Operationsweise können sie bei der Beobachtung ihrer Umwelt irritiert werden und systemintern Informationen über die Umwelt gewinnen. Aufgrund der Nicht-Substituierbarkeit eines Funktionssystems durch ein anderes Funktionssystem hat sich eine heterarchische Ordnung der Gesellschaft gebildet (vgl. Luhmann 1997, S. 312f.). Alle Funktionssysteme operieren gleichberechtigt nebeneinander mit ihrer jeweils eigenen Systemperspektive. Sie generieren deswegen auch unterschiedliche Beschreibungen ihrer Umwelt. Heterarchie impliziert demnach auch, dass nicht mehr die einzig richtige Beschreibung eines kommunikativen Ereignisses möglich ist. Vielmehr kann jedes Ereignis unter wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Perspektive beobachtet werden. Diese Multiperspektivität wird auch Polykontexturalität genannt (vgl. Luhmann 1997, S. 87f.). Heterarchie und Polykontexturalität sind kennzeichnende Merkmale der modernen Gesellschaft und zugleich die Bedingungen unter denen alle sozialen Systeme heute operieren müssen.
Jedes dieser Funktionssysteme ist operativ geschlossen und operiert autonom. Das heißt, soziale Systeme reproduzieren ihre Systemelemente – man muss genauer sagen Ereignisse – aus ihren Systemelementen. Das ist lediglich eine andere Form auszudrücken, dass Kommunikationsereignisse an Kommunikationsereignisse anschließen. Unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Rahmenbedingung funktionaler Differenzierung muss man genauer sagen wirtschaftliche Kommunikationsereignisse in Form von Zahlungen schließen nur an wirtschaftliche Kommunikationsereignisse an, politische Kommunikationsereignisse in Form von kollektiv bindenden Entscheidungen schließen nur an politische Kommunikationsereignisse an usw.. Nichts desto trotz sind die einzelnen Funktionssysteme informationell offen. D. h. trotz ihrer geschlossenen Operationsweise können sie bei der Beobachtung ihrer Umwelt irritiert werden und systemintern Informationen über die Umwelt gewinnen. Aufgrund der Nicht-Substituierbarkeit eines Funktionssystems durch ein anderes Funktionssystem hat sich eine heterarchische Ordnung der Gesellschaft gebildet (vgl. Luhmann 1997, S. 312f.). Alle Funktionssysteme operieren gleichberechtigt nebeneinander mit ihrer jeweils eigenen Systemperspektive. Sie generieren deswegen auch unterschiedliche Beschreibungen ihrer Umwelt. Heterarchie impliziert demnach auch, dass nicht mehr die einzig richtige Beschreibung eines kommunikativen Ereignisses möglich ist. Vielmehr kann jedes Ereignis unter wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Perspektive beobachtet werden. Diese Multiperspektivität wird auch Polykontexturalität genannt (vgl. Luhmann 1997, S. 87f.). Heterarchie und Polykontexturalität sind kennzeichnende Merkmale der modernen Gesellschaft und zugleich die Bedingungen unter denen alle sozialen Systeme heute operieren müssen.
Auch die Menschen müssen ihr
Kommunikationsverhalten an diese Bedingungen anpassen. Das bedeutet, dass es
heute praktisch unmöglich geworden ist in einer sozialen Situation als ganzer
Mensch oder als ganze Person Anerkennung zu finden. Menschen werden vielmehr
unter jeweils systemrelevanten Attributen der Form „Person“ für einzelne soziale Systeme anschlussfähig. Person als
Form bezeichnet in diesem Zusammenhang ein Beobachtungsschema für die soziale
Konstruktion eines Menschen unter jeweils systemrelevanten Gesichtspunkten. So
werden für wirtschaftliche, rechtliche oder erziehende Anschlussfähigkeit jeweils
verschiedene Aspekte einer Person relevant. Die Leistung der Form „Person“ für
soziale Systeme liegt in der Einschränkung von Verhaltensmöglichkeiten und
sichert dadurch Erwartbarkeit für andere Kommunikationspartner (vgl. Luhmann
2005a, S. 142). Die kommunikative Relevanz von Menschen hängt demnach von der
Beschaffenheit der Form „Person“ ab. Sobald kommuniziert wird, läuft die soziale
Konstruktion von Menschen als Personen gleichsam automatisch. Teilnahmefähigkeit an Kommunikation wird
dann zu dem Gesichtspunkt unter dem Menschen kommunikative Relevanz gewinnen. Wer
an Kommunikation teilnimmt, kann es nicht vermeiden, dass er als Person
beobachtet wird, denn eine mitgeteilte Information muss einem Mitteilenden
zugerechnet werden. Wenn unter Kommunikation ein Ereignis verstanden wird, dass
die drei Selektionen Mitteilung, Information und Verstehen vereint, dann
verweist die Mitteilung nicht nur auf den Informationsträger sondern auch auf die
Person, die diesen Informationsträger und keinen anderen gewählt hat. Hinter
der Unterscheidung der Mitteilung verbirgt sich damit die Frage danach, wie
Menschen an Kommunikation teilnehmen?
Bis hier hin wurden lediglich in
aller Knappheit die bekannten Thesen von Niklas Luhmann über die moderne
Gesellschaft vorgestellt. Die letzten Ausführungen sollten deutlich gemacht
haben, dass die Form Person eine grundlegende soziale Funktion für die Teilnahmefähigkeit von Menschen an
Kommunikation erfüllt. Luhmann war der Meinung, dass das Schema
Inklusion/Exklusion (vgl. Luhmann, 1997, S. 618 – 633; Luhmann 2005b)
ausreichen würde um die Eröffnung und Verhinderung von Teilnahmemöglichkeiten
von Menschen an Kommunikation zu analysieren. Man müsse lediglich beobachten
welche Attribute einer Person für soziale Systeme eine Relevanz besitzen und
damit anschlussfähig werden. Zudem ging Luhmann davon aus, dass die
unterschiedlichen Inklusionsmodi der einzelnen Funktionssysteme verhindern,
dass das Schema Inklusion/Exklusion zu einer Art Supercode wird, der sich in
jede Kommunikationssequenz einschreibt. Die Präferenzcodes der einzelnen
Funktionssysteme brechen gleichsam das Schema Inklusion/Exklusion und stellen personale
Anschlussfähigkeit jeweils nach eigenen Regeln her.
Nichts desto trotz gibt es aber
immer noch genügend Kommunikationsgelegenheiten die nicht im Kontext eines
bestimmten Funktionssystems stattfinden. Konzentriert man die Beobachtung auf
die an Kommunikation teilnehmenden Menschen und darauf wie die jeweilige Person
konstruiert wird, muss man feststellen, dass sich die Form „Person“ unabhängig von einer bestimmten
Konstellation von Alter
(Beobachteter) und Ego (Beobachter)
und unabhängig davon ob die beiden erleben
oder handeln konstituiert. Die
Funktion der Form „Person“ die Teilnahme an Kommunikation zu ermöglichen, kommt
damit in jeder Situation zum Tragen
egal ob ein Bezug zu einem bestimmten Funktionssystem besteht oder nicht. Aus
dieser Überlegung wird hier die Konsequenz gezogen, dass es neben den bekannten
Bezugsproblemen der einzelnen Funktionssysteme der Gesellschaft mindestens noch
ein weiteres gesellschaftsweit
anfallendes Bezugsproblem gibt, nämlich die Anschlussfähigkeit der Person. Das Umweltproblem der Teilnahme von
Menschen an Kommunikation transformiert sich für soziale Systeme in die
Problemstellung der Anschlussfähigkeit der Person. Damit soll allerdings nicht
behauptet werden, dass Inklusion/Exklusion doch als eine Art Supercode
fungiert. Es wird vielmehr nur das gesellschaftsweit anfallende Bezugsproblem ausformuliert,
für das Luhmann bereits eine Lösung beschrieben hat – nämlich „ein
Verbindungsmedium zwischen den voll funktionsfähigen Kommunikationsmedien und
der Gesellschaft im übrigen" (Luhmann 1997, S. 409). Luhmann beschrieb das
Wertmedium als dieses Verbindungsmedium, betonte aber dass es sich bei Werten
nicht um ein voll funktionsfähiges Kommunikationsmedium handelt (vgl. Luhmann
1997, S. 408f.). Die daran anschließende Hypothese lautet, dass es sich bei der
Form „Person“ ebenso um ein solches Verbindungsmedium handelt.
An dieser Stelle kommt es jedoch
nicht auf das Moment der Verbindung an. Der Verweis soll lediglich deutlich
machen an welcher Stelle in Luhmanns Theorie der Gesellschaft die hier
angestellten Überlegungen ansetzen. Für das Folgende ist es wichtig
festzuhalten, dass das Problem der
Anschlussfähigkeit der Person in jeder Kommunikationssituation anfällt und
gelöst werden muss unabhängig davon ob es sich um Kommunikationssituationen
handelt, die eine Referenz auf eines der Funktionssysteme haben oder nicht.
Hinsichtlich der Inklusion in die einzelnen Funktionssysteme ergibt sich daraus
eine wichtige Konsequenz. Kommt es in einer konkreten Situation zur Frage nach
der Inklusion in ein Funktionssystem müssen mit dem Ereignis der Inklusion immer zwei Probleme zugleich gelöst werden:
das Problem die soziale Adresse anschlussfähig zu halten und das jeweilige
Bezugsproblem des Funktionssystems. Dabei handelt es sich nicht nur um ein theorieinternes Problem. So muss die Inklusion in eine
funktionssystem-spezifische Kommunikationssequenz nicht bedeuten, dass es nicht
doch zu einer Beschädigung der sozialen Adresse gekommen ist. Ein Beispiel
dafür wären Personen, die den Ruf haben für Geld alles zu tun. Die Bemühungen
durch die Legalisierung von Prostitution diese Profession von ihrem Negativ-Image
zu befreien und zu einem achtbaren Berufsstand zu machen, setzen genau an
diesem Problem an. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass bei einer Exklusion
aus einer funktionssystem-spezifischen Kommunikationssequenz nicht automatisch
die Form „Person“ als soziale Adresse beschädigt wird. Wenn man einen
Gerichtsprozess verliert, bei einer Auktion unterlegen ist oder nicht für eine
freie Arbeitsstelle eingestellt wird, bedeutet das in keinen dieser Fälle einen
Gesichtsverlust oder dass dieses Ereignis als persönliche Kränkung zu verstehen
ist. Jeder Kommunikationssequenz ist
damit ein potentieller Konflikt eingeschrieben in Anhängigkeit davon ob man die
Inklusion unter funktionssystemspezifischen Gesichtspunkten betrachtet oder
unter dem Gesichtspunkt dessen was Erving Goffman als Imagepflege bezeichnet [1].
Obwohl weiterhin im Rahmen von Luhmanns Theorieanlage argumentiert wird, geht
diese Annahme über Luhmanns Theorie der Form „Person“ weit hinaus. Die
Tragweite dieser Theorieentscheidung hat Auswirkungen auf Luhmanns gesamte
Gesellschaftstheorie, stellt sie aber nicht in Frage. Sie betont vielmehr die
Notwendigkeit, die Theorie der Form „Person“ weiter auszuarbeiten. An dieser
Stelle kann diese Theorie jedoch noch nicht vollständig dargestellt werden. Hier wird
das Phänomen der Amokläufe dazu genutzt um einige zentrale Annahmen
vorzustellen. Deswegen wird im Folgenden nur das Problem personaler Anschlussfähigkeit weiterverfolgt. Die Beziehung zu den Inklusionsmodi der Funktionssysteme kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden.
Wie bereits in den
vorangegangenen Texten dieses Blogs liegt auch diesem die Überzeugung zugrunde,
dass Erving Goffmans Image-Begriff dazu geeignet ist die Theorie der Form
‚Person‘ zu ergänzen. Wenn sich in jeder sozialen Situation das Problem der
Anschlussfähigkeit der Person stellt und im Kontext eines bestimmten
Funktionssystems zusätzlich noch das Bezugsproblem des jeweiligen
Funktionssystems reicht es nicht aus sich nur auf die Inklusionsmodi der
Funktionssysteme zu konzentrieren. Und auch für die Analyse von
Kommunikationssequenzen ohne Referenz auf ein bestimmtes Funktionssystem reicht
die Form „Person“ nicht aus, weil sie die Bedeutung der Form „Person“ für die beobachteten
Menschen unberücksichtigt lässt. Genau dieser Aspekt spielt jedoch für die
Analyse von Inklusions-/Exklusions-Prozesse eine nicht zu unterschätzende
Rolle. Gerade zu diesem Aspekt kann Goffmans Image-Begriff mehr beitragen als
Luhmanns Form „Person“. Es lohnt sich deswegen zu testen, wie weit sich der
Image-Begriff in Luhmanns Systemtheorie integrieren lässt [2]. Der
Ausgangspunkt dafür ist eine wichtige Gemeinsamkeit beider Konzepte. Ebenso wie
Goffman die Funktion des Images für die Teilnahme an Interaktionen betont (vgl.
1986a, S. 11), so betont Peter Fuchs im Anschluss an Luhmann die Notwendigkeit einer
sozialen Adresse für die Teilnahme an Kommunikation (vgl. 1997). Dies ist eine
wichtige und grundlegende Überschneidung beider Ansätze.
Goffman definiert das Image „als
der positive soziale Wert […], den man für sich durch die Verhaltensstrategie
erwirbt, von der die anderen annehmen, man verfolge sie in einer bestimmten
Interaktion“ (1986a, S. 10). Das zentrale Moment liegt in der Formulierung "positiver sozialer Wert“, denn sie stellt direkt auf die kommunikative
Anschlussfähigkeit des Image ab. Goffman nimmt genauso wie die
Interaktionsteilnehmer an, dass Menschen
etwas daran gelegen ist ein positives Bild von sich zu erzeugen um weiter an
Kommunikation teilnehmen zu können. Aus systemtheoretischer Perspektive
kann man diese Erwartung als direkte Reaktion auf das Problem personaler Anschlussfähigkeit
betrachten. Deswegen wird diese Annahme hier übernommen. Umso mehr fallen dann
Verhaltensstrategien auf, die anscheinend nicht darauf aus sind mit dem Image einen
positiven sozialen Wert zu erwerben. Unter diesem Aspekt wurde bereits im vorangegangenen
Blog-Beitrag das Trollen analysiert. Dabei handelt es sich um eine Form via
Internet zu kommunizieren – zumeist durch Beleidigungen. An dieser
Verhaltensstrategie fällt auf, das ohne Rücksicht auf das eigene Image
kommuniziert wird oder – weil man um die negativen Konsequenzen einer solchen
Kommunikationsweise weiß – nur anonym trollt. Trollen beschädigt das Image des
Kommunikationspartners und auf diese Weise auch das Image des Trolls. Es ist
davon aus zu gehen, dass die wenigsten Trolle, das was sie einer Person via Internet mitteilen dieser Person auch direkt ins Gesicht sagen würden. Um sich
vor dieser Imagebeschädigung zu schützen, die ihr eigenes Verhalten auslöst,
kommunizieren die meisten Trolle via Internet nicht unter ihrem Klarnamen. Unter demselben
Aspekt fällt auf, dass auch Amokläufe keine Verhaltensstrategien sind mit der
man einen positiven sozialen Wert
aufbaut. Am Ende steht nicht nur der soziale Tod sondern auch der leibliche
Tod. Dass sich ein Amokläufer nach seiner Tat selbst richtet, ist eine direkte
Reaktion auf seine zuvor begangene Bluttat. Diese hat das Image des Täters
soweit ruiniert, dass es ihm unmöglich ist mit diesem Stigma weiter zu leben.
Da sich in den meisten Fällen nach der Tat herausstellt, dass sie von langer
Hand geplant war, ist der finale Selbstmord keine Handlung im Affekt. Der
eigene Tod war von Anfang an Teil des Plans. Die Frage, die sich daraus ergibt,
lautet: was treibt einen Menschen zu diesem Schritt? Oben wurden Amokläufe bereits als
Exklusionsphänomen bezeichnet. Im ersten Schritt dies darzustellen, lässt sich nun die Hypothese formulieren, dass es sich bei Amokläufen um eine Form handelt
mit dem Problem der Anschlussfähigkeit der Person umzugehen.
Die Hoffnung ist, dass sich durch eine stärkere Integration von Goffmans Image-Begriff in die soziologische Systemtheorie zumindest formal der Prozess beschreiben lässt, der Menschen zu solch einer Tat befähigt. Bisher wurde Luhmanns Beschreibung der Form „Person“ und Goffmans Image-Begriff synonym verwendet – ohne jedoch aus dem Auge zu verlieren, dass es auch gravierende Unterschiede zwischen beiden gibt. Nun wird es Zeit diesen Unterschieden mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Der Ausgangspunkt dafür ist die zentrale Gemeinsamkeit zwischen der Form ‚Person‘ und dem Image-Begriff. Diese ist jedoch nicht, wie bisher angenommen, die soziale Konstruktion der an Kommunikation teilnehmenden Menschen. Luhmann geht davon aus, dass psychische und soziale Systeme über die Form „Person“ strukturell gekoppelt sind (vgl. Luhmann 2005a, S. 145f.). Strukturelle Kopplung bezeichnet ein Verhältnis wechselseitiger Irritation und Interpenetration zwischen zwei operativ geschlossenen und autonom operierenden Systemen, die aber trotz der operativen Geschlossenheit auf einander angewiesen sind. So sind soziale Systeme auf die Beteiligung psychischer Systeme in ihrer Umwelt angewiesen. Oder einfacher formuliert, ohne Menschen gibt es keine Kommunikation. Genau das macht Kommunikation erst zu einer sozialen Operation, denn für die Bildung eines sozialen Systems sind mindestens zwei Menschen notwendig (vgl. Luhmann 1997, S. 81ff.).
Die Hoffnung ist, dass sich durch eine stärkere Integration von Goffmans Image-Begriff in die soziologische Systemtheorie zumindest formal der Prozess beschreiben lässt, der Menschen zu solch einer Tat befähigt. Bisher wurde Luhmanns Beschreibung der Form „Person“ und Goffmans Image-Begriff synonym verwendet – ohne jedoch aus dem Auge zu verlieren, dass es auch gravierende Unterschiede zwischen beiden gibt. Nun wird es Zeit diesen Unterschieden mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Der Ausgangspunkt dafür ist die zentrale Gemeinsamkeit zwischen der Form ‚Person‘ und dem Image-Begriff. Diese ist jedoch nicht, wie bisher angenommen, die soziale Konstruktion der an Kommunikation teilnehmenden Menschen. Luhmann geht davon aus, dass psychische und soziale Systeme über die Form „Person“ strukturell gekoppelt sind (vgl. Luhmann 2005a, S. 145f.). Strukturelle Kopplung bezeichnet ein Verhältnis wechselseitiger Irritation und Interpenetration zwischen zwei operativ geschlossenen und autonom operierenden Systemen, die aber trotz der operativen Geschlossenheit auf einander angewiesen sind. So sind soziale Systeme auf die Beteiligung psychischer Systeme in ihrer Umwelt angewiesen. Oder einfacher formuliert, ohne Menschen gibt es keine Kommunikation. Genau das macht Kommunikation erst zu einer sozialen Operation, denn für die Bildung eines sozialen Systems sind mindestens zwei Menschen notwendig (vgl. Luhmann 1997, S. 81ff.).
Bereits im Troll-Text
wurde auf das Verhältnis struktureller Kopplung zwischen psychischen und
sozialen Systemen mit dem Image-Begriff abgestellt, wenn davon ausgegangen wurde, dass in der modernen Gesellschaft nur über das eigene Image
Interpenetration für die beteiligten psychischen Systeme möglich wird. Interpenetration bedeutet, dass die an
Kommunikation beteiligten Menschen wechselseitig psychische Eigenkomplexität
bereitstellen müssen um ihre relevante Umwelt in Form der beteiligten
Kommunikationspartner systemintern konstruieren zu können. Dafür wird in hohem
Maße die Imaginationsfähigkeit psychischer Systeme in Anspruch genommen. Das
Image wird damit zu einer Art Schnittstelle zwischen psychischen und sozialen
Systemen ohne dass es jedoch zu einer realen Überschneidung sozialer und
psychischer Operationen kommt. Vielmehr werden psychische Systeme durch das
Image für ihre soziale Umwelt irritierbar, denn es ermöglicht einen Abgleich
zwischen eigenen und sozialen Erwartungen, was schließlich auch zu
Lernprozessen führen kann. Und umgekehrt werden soziale Systeme über das Image für psychische Systeme auf die gleiche Art irritierbar.
Aufgrund der
gesellschaftsstrukturellen Bedingung funktionaler Differenzierung wurde davon
ausgegangen, dass nur noch über das Image
eine psychische Orientierung für die Teilnahme an Kommunikation möglich ist.
Mit dem Übergang zur funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft
verloren die traditionellen Deutungs- und Verhaltensformen ihre Funktion.
Während die vormoderne Gesellschaft eine quasi externe Bestimmung der sozialen
Position von Menschen vornahm z. B. über biologische Abstammung, geographische oder
standesgemäße Herkunft, spielen solche Formen personaler Identitätsbestimmung
für die Inklusionsmodi der verschiedenen Funktionssysteme der modernen
Gesellschaft keine Rolle mehr. Die symbolisch generalisierten
Kommunikationsmedien Geld, Macht, Recht, Liebe, Wahrheit oder Schönheit
interessieren sich nicht für a priori zugeschriebene, gleichsam naturgegebene
Merkmale weil sie für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe bzw. sozialen
Erwartung keine Rolle spielen [3]. Jeder kann Geld verdienen, jeder kann lieben,
jeder kann Kunst machen, jeder kann Wissenschaft betreiben etc. Die
geschlossene, autonome Operationsweise sozialer Systeme erlaubt es den
einzelnen Funktionssystemen nur nach den eigenen Kriterien ihre Umwelt zu
beobachten. Das heißt aber umgekehrt auch, dass soziale Systeme in stärkerem
Maße auf die jeweils systemrelevante Leistungsfähigkeit der Menschen setzen
müssen. Somit werden die Menschen auf sich selbst zurückgeworfen um soziale
Relevanz zu gewinnen. Und genau damit wird personale Anschlussfähigkeit zu
einem sozialen Problem von gesellschaftstheoretischer Bedeutung.
Diese Annahme wird auch durch
zwei jüngere Studien gestützt. So beschreibt Eva Illouz in „Die Errettung der
modernen Seele“ (2009) den Siegeszug der Psychoanalyse in den USA. Der Grund
dafür war ein wachsendes Bewusstsein für die durch psychologische Störungen
ausgelösten Kommunikationsdefizite zum Beginn der Moderne und ein daran
anschließendes Interesse an Hilfsmitteln um diese Defizite zu beheben. Diese
Entwicklung beschränkte sich jedoch nicht nur auf die wissenschaftlichen
Fachrichtungen Psychologie und Psychiatrie sondern strahlte über die
Massenmedien bis weit in die Populärkultur. Damit verbunden war das Aufkommen
von Inszenierungsformaten personaler Identität. Illouz interessiert sich für
diese vermehrt auftretenden Inszenierungsformate unter dem Gesichtspunkt der
Darstellung des Selbst als defizitär und beschreibt dies als
therapeutischen Diskurs. Berücksichtigt man, dass es zunächst darum ging das
Problembewusstsein für Kommunikationsdefizite an der eigenen Person zu schärfen
so benötigt man auch ein entsprechendes Beobachtungs- und Ausdrucksrepertoire,
was der therapeutische Diskurs in Form von dramatisierenden
Selbstbeschreibungsformaten zur Verfügung stellt um die eigene Person in einer
Art Leidensgeschichte als hilfsbedürftig darstellen zu können. Nur auf diese
Weise bietet das eigene Image auch Anschlusspunkte für beratende oder
therapierende Kommunikation. Mit anderen Worten, damit geholfen werden kann, muss
zunächst ein Hilfebedarf vorhanden sein. Der therapeutische Diskurs liefert die
Selbstbeschreibungsformate um sich selbst als hilfsbedürftig beschreiben zu
können. Wenn Kommunikationsdefizite Hilfsbedürftigkeit anzeigen, dann wird
damit Teilnahmefähigkeit von Menschen an Kommunikation problematisiert.
Die menschliche Psyche ist aber
bis heute ein äußerst schwieriges Beobachtungsobjekt und es gibt kaum
gesichertes Wissen über sie. Was auch die Beobachtung und Behandlung von
psychischen Störungen zu einer hoch riskanten Angelegenheit werden lässt. Das
zeigt Alain Ehrenberg in seiner Studie „Das erschöpfte Selbst“ (2008), wenn er
die soziale Konstruktion des psychologischen Krankheitsbilds Depression
beschreibt. Ehrenberg sieht die Ursache des vermehrten Auftretens von
Depressionen in der Struktur der modernen Gesellschaft, wenn er darauf
aufmerksam macht, dass der Wegfall von traditionellen Deutungs- und
Verhaltensmustern die Menschen mit einer ungeheuren Optionssteigerung
hinsichtlich der eigenen Lebensführung konfrontiert wurden. Die Notwendigkeit
eine Wahl treffen zu müssen überfordert viele Menschen und führt zu einer Art
von Erschöpfung, die sich als Depression psychisch wie soziale bemerkbar macht
- sozial als Beeinträchtigung der Teilnahmefähigkeit an Kommunikation. Illouz
und Ehrenberg sehen im Übergang zur modernen Gesellschaft den Beginn für das
vermehrte Auftreten von psychologischen Störungen und in den Strukturen der
modernen Gesellschaft die Ursache dafür.
Will man diese Beobachtung
systemtheoretisch interpretieren, bedeutet das die funktionale Differenzierung
der modernen Gesellschaft ist die Ursache für psychologisch bedingte
Kommunikationsdefizite. Denn psychologische Störungen können sich für soziale
Systeme nur in Form von Kommunikation bemerkbar machen und damit soziale
Systeme irritieren. Mit Ehrenberg wird hier die Ansicht geteilt, dass die
psychologischen Probleme soziale Ursachen haben und diese Ursachen im Mangel an
sozialen Orientierungsmustern zu suchen sind. Berücksichtigt man weiterhin,
dass die soziologische Systemtheorie mit dem Begriff Gesellschaft ein
Kommunikationssystem bezeichnet, dann wäre Kommunikation die Ursache für
psychologische Störungen. Oder in anderen Worten, Gesellschaft gefährdet die Teilnahmefähigkeit von Menschen an
Kommunikation bzw. die personale Anschlussfähigkeit. Es gibt allerdings
auch genügend Menschen, die keine psychologischen Störungen haben. Desweiteren
werden psychische Probleme in der Psychotherapie lediglich mit Kommunikation
behandelt. Damit ist Kommunikation nicht
nur das Problem sondern kann auch die Lösung sein. Insofern wird Ehrenberg
nur zur Hälfte zugestimmt.
Außerdem wird bestritten, dass es
unmöglich geworden ist sich in der modernen Gesellschaft soziale Orientierung
zu verschaffen. Das Image ermöglicht
dadurch, dass es psychische und soziale Systeme miteinander strukturell koppelt,
eine soziale Orientierung. Im Gegensatz zu vormodernen Interaktionsformen
wird nun in der Begegnung nicht mehr die Gesellschaftsstruktur durch die
soziale Position der Interaktionspartner in der Interaktion repräsentiert.
Jetzt treffen nur noch hoch individualisierte Personen aufeinander. Diese
repräsentieren nur noch sich selbst. Von einer Person kann aber nicht mehr zwingend
auf die funktionale Differenzierung der Gesellschaft geschlossen werden. Die
Frage ist nun, wie das Image es leistet soziale und psychische Orientierung zu
geben? Die Images der an Kommunikation beteiligten Menschen konstituieren eine
symbolische Ordnung. Wenn Menschen bestrebt sind sich positiv – also
anschlussfähig – darzustellen, dann können sie das nur mit Rücksicht auf die
Images der anderen Beteiligten. Um aber Rücksicht auf die anderen Beteiligten
nehmen zu können, ist es notwendig eine Vorstellung von sich selbst zu bekommen
und wie diese in die jeweils aktuelle symbolische Ordnung passt um geeignete
Verhaltensweisen auswählen zu können. Goffman nimmt darüber hinaus an, dass der
Träger eines Images eine emotionale Beziehung zu seinem Image aufbaut, je
nachdem ob das Image im Verlauf einer Interaktion bestätigt oder verletzt wird
(vgl. Goffman 1986a, S. 11). Entsprechend entwickelt der Träger des Image
entweder positive oder negative Gefühle für sein Image bzw. für
bestimmte Teile davon. Da jeder Anwesende bestrebt ist ein positives Image
aufrecht zu erhalten, besteht daher wechselseitig die Erwartung nicht nur für
die Wahrung des eigenen Images sondern auch für die Aufrechterhaltung der
anderen Images ein spontanes emotionales
Engagement aufzubringen, was sich ebenfalls im eigenen Verhalten ausdrücken
muss.
Hier wird offensichtlich worin
Goffmans Image-Begriff über Luhmanns Form „Person“ hinausgeht und warum weiter
oben vom Image als einer Schnittstelle gesprochen wurde. Er beinhaltet Annahmen
über die psychologische Bedeutung des Image und beschreibt ein rekursives
Verhältnis zwischen sozialen und psychischen Erwartungen, wobei die psychologische Irritierbarkeit nicht nur über Bewusstsein sondern auch über
Gefühle hergestellt wird. Systemtheoretisch interpretiert, handelt es sich
beim Image damit um die Einheit der
Unterscheidung von psychologischer
Selbstbeschreibung und sozialer
Fremdbeschreibung. Die Unterschiede,
die Unterschiede machen, sind damit keine im Medium Sinn sondern im Medium der
Gefühle und beziehen sich auf die soziale Fremdbeschreibung, die zu einem
gewissen Maße durch die eigenen Beiträge mit konstruiert wird. Und genau in
diesem Sinne wird im Folgenden der Begriff Image verwendet. Gefühle bekommen
damit eine zentrale Bedeutung für die Dynamik und den Verlauf von
Kommunikationsprozessen. Es kann dann nicht mehr nur darum gehen, wie das
Bewusstsein an Kommunikation beteiligt ist sondern wie die Psyche an
Kommunikation beteiligt ist. Mit psychologischer Selbstbeschreibung ist aber
keine vollkommen durchreflektierte und gegebenenfalls abfragbare
Selbstbeschreibung gemeint. Wenn ein
Mensch darum bemüht ist sich in einer Interaktion so positiv wie möglich
darzustellen, dann gibt die darauf ausgerichtete Verhaltensstrategie zunächst
nur Auskunft über das situativ relevante psychologische Selbstbild und ist ein
Kommunikationsangebot auf das sich die Kommunikationspartner einlassen können
oder nicht.
Damit lässt sich aber nur eine
Kommunikationssequenz analysieren. Gefühle haben in dieser Fassung zunächst nur
situative Bedeutung und werden hier deswegen genauso wie bewusste Gedanken als
Ereignisse psychischer Systeme aufgefasst. Die daran anschließende Frage
lautet, welche Bedeutung haben Gefühle über einzelne Kommunikationssequenzen
hinaus. Für die Beantwortung dieser Frage wird auf Randall Collins‘ Theorie der
Interaktionsritualketten (vgl. 2005) zurückgegriffen, die direkt an Goffmans
Interaktionstheorie anknüpft und sich primär als eine Soziologie der Emotionen
versteht. Collins geht davon aus, dass bei Interaktionsritualen bestimmte
Voraussetzungen gegeben sein müssen. Wenn diese erfüllt sind, werden
bestimmte Ergebnisse erzielt (vgl. 2005, S. 48f.). Die folgenden
Voraussetzungen müssen für ein Interaktionsritual erfüllt sein: 1. Die Teilnehmer müssen körperlich anwesend
sein, 2. es gibt Grenzen, die den Anwesenden signalisieren wer teilnehmen kann
und wer ausgeschlossen ist, 3. die Anwesenden teilen einen gemeinsamen Fokus
der Aufmerksamkeit und indem sich die Teilnehmer gegenseitig mitteilen, was ihr
gemeinsamer Fokus ist, werden sie sich auch darüber bewusst, ob sie ihre
Aufmerksamkeit auf dasselbe Objekt richten oder nicht und 4. die Anwesenden
teilen eine gemeinsame Stimmung bzw. machen eine gemeinsame emotionale Erfahrung.
Die Ergebnisse eines Interaktionsrituals sind 1. Solidarität bzw. ein Gefühl
der Zugehörigkeit, 2. emotionale Energie bei den Anwesenden, 3. Gruppensymbole
und Gefühle des Respekts und der Verbundenheit für diese Symbole und 4. moralische
Gefühle, ein Sinn für richtig und falsch in Bezug auf die Gruppe. Vereinfacht
ausgedrückt versteht Collins unter Interaktionsritualen aufgrund der
beobachtbaren Effekte emotionaler Ansteckung eine Art Mechanismus zur
Verteilung und Transformation von Gefühlen und Stimmungen auf der Basis von
gemeinsam geteilten Symbolen. Auch diese Sichtweise wird hier übernommen. Es
wird lediglich die Modifikation vorgenommen, dass diese Verteilung und Transformation von Gefühlen und Stimmungen über
gemeinsam geteilte Symbole durch Kommunikation erfolgt und nicht nur durch
Interaktionsrituale. Die soziologische Systemtheorie Luhmanns geht davon aus, dass
Kommunikation das Problem wechselseitiger Intransparenz psychischer Systeme
löst. Collins macht im Grunde eine basale Aussage darüber wie Kommunikation
dieses Problem löst – nämlich über die Verteilung und Transformation von
Gefühlen durch emotionale Ansteckung. Damit wird Collins Konzept des
Interaktionsrituals für die Systemtheorie anschlussfähig ohne den
Aussagengehalt von Collins‘ Theorie zu schmälern. Es wird lediglich versucht
sich von dem stark an das Kriterium der Anwesenheit gebundenen
Gesellschaftsbegriff von Collins zu lösen.
Aufgrund der großen Bedeutung der
Anwesenheit in Collins‘ Theorie vertritt er einen radikal mikrosoziologisch
angelegten Gesellschaftsbegriff, wonach Gesellschaft nicht mehr ist als die
Gesamtheit der stattfindenden Interaktionsrituale. In zeitlicher Perspektive
betrachtet, stellt sich Gesellschaft dann als eine Kette von aufeinander
folgenden Interaktionsritualen dar. Situationsgebundene, vergängliche Gefühle
können sich über die Zeit zu lang anhaltenden Stimmungen bzw. emotionaler
Energie verdichten, die dann auch wieder in nachfolgenden Interaktionsritualen
einen Einfluss auf die situationsgebundenen Gefühle haben (vgl. Collins 2005,
S. 105ff.). Je nachdem ob jemand überwiegend positive oder negative Gefühle
durch Interaktionsrituale erfährt, können sich diese entweder zu hoher emotionaler Energie verdichten,
die sich als Vergnügen, Euphorie, Enthusiasmus oder Glück bemerkbar machen,
oder zu niedriger emotionaler Energie,
welche zu einer enttäuschten Stimmung, Trübseligkeit oder Depression führen.
Darüber hinaus führt positive emotionale Energie zu einer starken Neigung in
einer Interaktion die Initiative zu
übernehmen während niedrige emotionale Energie eher die Neigung zu passivem Verhalten fördert – dies alles
in Abhängigkeit davon ob es gelingt in einzelnen Situationen einen gemeinsamen
Fokus der Aufmerksamkeit und gemeinsam geteilte Symbole zu etablieren. Die aktuelle Stimmung eines Menschen ist damit das
Ergebnis seiner Geschichte der Kommunikationsbeteiligung.
Es gibt aber heute unzählige
Möglichkeiten durch Kommunikation positive oder negative Gefühle zu erfahren.
Das sieht auch Collins. Er geht deswegen davon aus, dass Menschen nicht - wie
der Rational-Choice-Ansatz annimmt – rationale Nutzen-Maximierer sind sondern
emotionale Nutzen-Maximierer (vgl. Collins 2005, S. 141 – 182). Daraus leitet
er die Prognose ab, dass Menschen immer Interaktionssituationen anstreben
werden, die es ihnen ermöglichen positive Gefühle zu erfahren. Dies muss nicht
immer durch bewusste Reflexion erfolgen sondern kann auch intuitiv geschehen. Damit
beschreibt Collins eine psychologische Methode mit gesellschaftlicher
Kontingenz umzugehen ohne dass sich jede Kommunikationsbeteiligung durch bewusste
Reflexion funktionaler Äquivalente als Entscheidung darstellt [4]. Weiter oben
wurde im Anschluss an Goffman angenommen, dass Menschen nur über das Image für
ihre soziale Umwelt irritierbar werden und dass das Image psychologisch in den
Gefühlen verankert ist. Deswegen wird Collins‘ Annahme über die emotionale
Nutzenmaximierung dahingehend eingeschränkt, dass Menschen Kommunikationsgelegenheiten anstreben werden, die es ihnen
ermöglichen für ihre psychologische Selbstbeschreibung die größte mögliche
soziale Bestätigung und damit auch den größten möglichen emotionalen Gewinn zu
erlangen. Und umgekehrt werden Menschen versuchen
Kommunikationsgelegenheiten zu meiden von denen sie erwarten, dass sie nicht
die gewünschte soziale Bestätigung und damit keinen emotionalen Gewinn erzielen
werden. Aufgrund der unüberschaubaren Vielzahl an Möglichkeiten soziale
Bestätigung und positive Gefühle zu erlangen, ist der Fall dass es jemandem
nicht gelingt für das psychologische Selbstbild soziale Anerkennung zu finden
ein hoch unwahrscheinlicher Fall.
Die theoretischen Grundlagen für
die Deutung von Amokläufen sind damit in ihren Grundlinien skizziert. Der Fall,
dass jemand keine Kommunikationsgelegenheiten findet in denen er mit sozialer
Anerkennung für sein psychologisches Selbstbild rechnen kann sind extrem
unwahrscheinlich aber nicht unmöglich. Denn die Hypothese lautet, dass der Grund, warum Menschen in einem Amoklauf
für sich die einzige noch mögliche Handlungsalternative sehen, darin liegt,
dass es diesen Personen nicht gelingt im Verlauf von Kommunikationssequenzen
mit den Kommunikationspartnern gemeinsame Symbole zu etablieren, die auch eine
positive Bestätigung des psychologischen Selbstbildes ermöglichen. Die
Frage ist dann, wieso gelingt ihnen das nicht? Bereits im Troll-Text
wurde dargestellt, dass Kommunikationssequenzen mit Zeichen durchsetzt sind,
die als Symbole auf die Territorien des Selbst der beteiligten Personen
verweisen. Potentiellen Amokläufern gelingt es jedoch nicht sich auf diese
Symbole einzulassen. Der Grund dafür liegt im Unvermögen das sozial erwartete
spontane Engagement für das eigene Image und das der anderen Beteiligten
aufzubringen. Zwar gibt es Fälle in denen dieses Unvermögen auf physiologische
Ursachen zurückgeht. Aber bereits Goffman weist darauf hin, dass dieses
Engagement für die Aufrechterhaltung der symbolischen Ordnung selbst Ergebnis
eines Sozialisierungsprozesses ist (vgl. Goffman 1986b, S. 126).
Mit Collins lässt sich auch
beschreiben wie es dazu kommt bzw. was dazu führt, dass Menschen nicht in der
Lage sind ein derartiges Engagement aufzubringen. Das fehlende Engagement ist
das Ergebnis einer Geschichte der Kommunikationsbeteiligung in dessen Verlauf
die Betroffenen kaum bis gar keine soziale Bestätigung ihres psychologischen
Selbstbildes erfahren haben. Häufige Verlegenheit bei
Kommunikationsgelegenheiten steigert sich zu Unbehagen. Die damit verbundenen
negativen Gefühle werden ausgelöst durch Abweisungen, Demütigungen oder
Erniedrigungen. Die Betroffenen haben es vermutlich niemals erlebt, dass jemand
bereit war das nötige Engagement für das Image der Betroffenen aufzubringen.
Irgendwann war es ihnen schließlich nicht mehr möglich dieses Engagement zu
erleben, weil sich in der Zwischenzeit die einzelnen negativen emotionalen
Erlebnisse zu einer anhaltenden negativen Stimmung verdichtet haben, die
geprägt ist durch eine allgemeine Enttäuschung, Frustration und
Perspektivlosigkeit. Diese negative Stimmung macht es den Betroffenen zum Einen
unmöglich das nötige emotionale Engagement für eine Kommunikationsgelegenheit
aufzubringen und zum Anderen verlieren die Betroffenen mit zunehmender
Intensität dieser negativen Stimmung irgendwann die im Image angelegte Irritationsfähigkeit.
Die negative Stimmung beeinträchtigt ihre Fähigkeit Aufmerksamkeit für den
Kommunikationspartner aufzubringen. Vereinfacht ausgedrückt, sie können die
Symbole für die Territorien des Selbst ihrer Kommunikationspartner nicht mehr
deuten und werden blind für die Stimmungen ihrer Kommunikationspartner.
Goffman bezeichnet das fehlende
Engagement für eine Kommunikationssituation als Entfremdung. Davon ausgehend
unterscheidet er vier Arten situativer
Entfremdung in Abhängigkeit davon was die Ursachen für die fehlende
Aufmerksamkeit und das mangelnde Engagement sind. Die Aufmerksamkeit kann
abgelenkt werden durch eine Störung von Außen, durch den Kommunikationspartner,
durch das eigene Erleben oder durch die Art und Weise wie die Kommunikation
abläuft (vgl. Goffman 1986b). Wenn aber die ersten drei Gründe für eine
Ablenkung der Aufmerksamkeit häufiger auftreten und nicht nur in einem Kontext
sondern in mehreren, kann es schließlich zu einer Entfremdung von Kommunikation selbst kommen, die in einer negativen
Stimmung bzw. niedriger emotionaler Energie kulminiert. So verschließen sich
für den Betroffenen immer mehr Kommunikationsgelegenheiten bis er schließlich
für sich keine Möglichkeiten mehr zur Kommunikationsbeteiligung sieht für die
er bereit wäre das notwendige Engagement aufzubringen. Nach Amokläufen kam
häufiger heraus, dass der Amokläufer intensiv Ego-Shooter auf seinem
Computer gespielt hat. Es wurde allerdings nie bekannt, ob die Täter im
Single- oder Multiplayer-Modus gespielt haben. Während man im
Single-Player-Modus alleine spielt, kann man im Multi-Player-Modus im Team
spielen. Für die Koordination können die einzelnen Spieler miteinander via
Internet kommunizieren. Die Vermutung ist, dass die Täter allein gespielt
haben. Das Spielen wäre dann eine Art Kommunikationsersatz. Wenn dem so ist,
wäre das ein Indiz für die Entfremdungsthese, denn den Tätern ist es nicht
gelungen über ihre Hobbies und Interessen Kommunikationspartner zu finden. Sie
hätten auch versuchen können ihre Faszination für Waffen und Gewalt in sozial
akzeptieren beruflichen Positionen einzubringen – z. B. beim Militär. Dass die
Täter solche Gelegenheiten nicht wahrgenommen haben, lässt den Schluss zu, dass
bei ihnen nicht nur eine Entfremdung aus bestimmten Kommunikationsgelegenheiten
stattgefunden hat sondern eine Entfremdung von Kommunikation als solcher.
Ein weiteres Indiz für die
Entfremdungsthese ist die Auswahl der Opfer. So richtet sich die Aggression des
Täters nicht nur gegen enge Verwandte sondern auch gegen unbekannte Personen,
die den Täter wenn überhaupt nur vom Sehen kennen – z. B. Schulkameraden und
Lehrer. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass der Täter
Kommunikationsbeteiligung als solche ablehnt – zumindest bei den
Kommunikationsgelegenheiten, die ihm bekannt sind. Die Wut des Täters richtet
sich nicht auf konkrete Personen sondern auf sein gesamtes soziales Umfeld bzw.
die ihm bekannte soziale Welt, die ihm nicht die Gelegenheiten bietet sich in
der Art und Weise als Person zu erfahren die sich der Täter wünscht. Darin
liegt möglicherweise auch der Grund warum sich Amokläufe nur in relativ
kleinen, beschaulichen Provinzstädten ereignen und nicht in Großstädten.
Während in Großstädten aufgrund der vielfältigen Lebensstile sich fast
automatisch ein Kontingenzbewusstsein für alternative Kommunikationsgelegenheiten
entwickelt, ist dies in der gemeinschaftlichen Welt einer Kleinstadt nicht so
leicht möglich. In Kleinstädten ist es leicht bei funktionierenden
Gemeinschaftsstrukturen den Eindruck einer heilen Welt zu erzeugen. Und ebenso
leicht ist es die Schattenseiten des Familienlebens wie häusliche Gewalt und
sexuellen Missbrauch vor Fremden geheim zu halten.
Ein Amokläufer rebelliert gegen
sein soziales Umfeld, weil dies aus seiner Sicht die einzige
Handlungsmöglichkeit ist sich von ihr zu befreien. Die Misserfolge und
Fehlschläge, die ein Amokläufer im Laufe seines Lebens erfahren hat, sind in
einer derart negativen Stimmung kulminiert, dass der Amoklauf inklusive des
finalen Selbstmords schließlich als einzige Möglichkeit gesehen wird überhaupt
noch einmal positive Gefühle zu erleben und zumindest sein psychologisches
Selbstbild zu bestätigen. Im Nachhinein lässt sich zumeist kein Ereignis in der
Biographie des Täters finden, dass das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen
gebracht hat – also die Tat kausal erklären könnte. Vermutlich gab es dieses
Ereignis. Das hat jedoch nicht zu einer Kurzschlussreaktion geführt.
Möglichweise sind die Betroffenen aufgrund der niedrigen emotionalen Energie
nicht mehr zu einer spontanen emotionalen Reaktion in der Lage. Wenn es ein solches Ereignis
gab, dann war es der Auslöser für die Planung der Tat.
Die Ablehnung der sozialen
Ordnung, die der Amokläufer für sein Unglück verantwortlich macht, ist allerdings nur ein
oberflächlicher Eindruck der durch das unglaubliche Ausmaß der Bluttat nahegelegt
wird. Wenn der Täter am Ende schließlich Selbstmord begeht, zeigt sich darin,
dass der Täter die Ordnung gegen die er sich auflehnt doch akzeptiert. Der
Täter geht vor der Tat davon aus, dass ihm sein soziales Umfeld nicht die Möglichkeit auf
ein soziales Leben gibt. Er kann sich relativ gewiss sein, dass er nach der Tat
keine Chance auf Kommunikationsgelegenheiten haben wird in denen er soziale
Anerkennung und positive Emotionen erfahren wird. Denn das Image des Täters ist
mit der Tat vollends ruiniert. Doch obwohl sich der Täter von Kommunikation
entfremdet hat, sehnt er sich eigentlich nach sozialer Anerkennung. So rächt er
sich an den Personen, die aus seiner Sicht für die soziale Ordnung
stehen die ihm ein soziales Leben verwehren. Der finale Selbstmord ist jedoch
ein Akt, mit dem diese soziale Ordnung durch den Täter noch ein letztes Mal
bestätigt wird, denn erst die Tatsache, dass er trotz dieser Tat emotional in
der Lage wäre weiter zu leben, würde zeigen, dass er sie in voller Überzeugung
auch in einem politischen Sinne ablehnt. Der Vergleichsfall hierfür ist der
Terroranschlag von Anders Breivik. In der Ausführung besitzt diese Tat sehr viel
Ähnlichkeit mit einem Amoklauf mit der Ausnahme, dass er am Schluss nicht selbst
ums Leben kam – sei es durch eigene Hand oder durch die Intervention der
Polizei oder eines Sondereinsatzkommandos. Er hatte es anscheinend nicht darauf
angelegt als Märtyrer zu sterben. Durch sein Weiterleben zeigt er, dass er
keinerlei Schuld für diese Tat empfindet. Vielmehr ist er stolz darauf. Für ihn
hat die soziale Ordnung gegen die seine Tat gerichtet war tatsächlich keine
Bedeutung mehr. Er stellt sich über sie, verspottet sie und kann ohne Probleme
mit dem Stigma der Tat leben. Für den Amokläufer hat sein soziales Umfeld noch
eine Bedeutung. Er akzeptiert ihre Spielregeln auch wenn er ihnen nicht genügen
kann und deswegen begeht er am Ende Selbstmord.
IV.
An anderer Stelle wurde im
Anschluss an eine Überlegung von Peter Fuchs die These aufgestellt, dass sich
das Hobbesche Problem sozialer Ordnung unter der gesellschaftsstrukturellen
Bedingung funktionaler Differenzierung als Problem des Kampfes um die Deutungshoheit des Selbst neu stellt. Es wurde
bewusst offengelassen ob es sich um die Selbst(-Referenz) psychischer oder
sozialer Systeme handelt. Sowohl der Text „Beobachtbarkeit
– Gefahr und Risiko“ als auch die Nachfolgenden schlugen eine
sozialpsychologische Richtung ein und interessierten sich für die sozialen
Folgen des menschlichen Umgangs mit den Gefahren und Risiken der sozialen
Beobachtbarkeit. Der Kampf um die Deutungshoheit des Selbst resultiert aus der Spannung zwischen psychologischer
Selbstbeschreibung und sozialer Fremdbeschreibung, der sich bei einer
Eskalation als handfester sozialer Konflikt realisieren kann. Zwar wurde im
Anschluss an Goffman darauf hingewiesen, dass dieser Kampf auch kooperative
Formen annehmen kann. Die von Goffman beschriebenen Techniken der Imagepflege
stellen eine Lösung dar, wie das Problem der sozialen Beobachtbarkeit gelöst
und der Kampf in eine Kooperation
transformiert werden kann. Aus dieser Perspektive müssen Amokläufer als
Verlierer dieses Kampfes gesehen werden. Ihnen ist es nicht gelungen eine
Verhaltensstrategie zu entwickeln die sozial anschlussfähig war. Ihre
Geschichte der Kommunikationsteilnahme ist wahrscheinlich eine Geschichte von
Missverständnissen, Abweisungen, Enttäuschungen und wahrgenommen oder
tatsächlichen Demütigungen die zu einer schleichenden Veränderung des
Gefühlshaushalts der Betroffenen führten, welche sich in der Folge negativ auf
seine Fähigkeit zur Kommunikationsteilnahme auswirkten. Dieser zirkuläre, sich
selbst verstärkende Prozess wird sozial als eine Mischung aus
Zurückgedrängt-Werden und Zurückdrängen-Lassen auch beobachtbar. Die Herausforderung besteht darin solche exkludierenden Kommunikationsstile präziser zu beschreiben und zu verstehen.
Eine Integration der
Theorie-Ansätze von Goffman und Collins in die soziologische Systemtheorie
Luhmanns könnte dazu beitragen, solche Prozesse präziser zu beschreiben und zu
analysieren. Dazu ist es zum einen notwendig die theoretische Verbindung zwischen den Inklusions-/Exklusions-Ereignissen und den daraus resultierenden strukturellen Integrations-/Desintegrations-Effekten zu klären. Hier besteht ein großes theorieinternes Desiderat. Unter Integration versteht Luhmann
die wechselseitige Einschränkung von
Handlungsmöglichen (2005b, S. 227). Man muss ergänzen, dass gerade diese
Einschränkungen dann auch wieder neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen können.
Jedes Inklusionsereignis stellt solch eine Schließung und Öffnung von
Handlungsmöglichkeiten dar. Die empirische Frage mit Blick auf einzelne
Personen lautet dann, ob die Geschichte der Kommunikationsbeteiligung in der
Summe zu einem Mehr oder Weniger an Handlungsmöglichkeiten geführt hat? Eine Erhöhung der Handlungs- bzw.
Inklusionsmöglichkeiten würde dann zu einer stärkeren Desintegration der Person führen. Während eine Verringerung der Handlungsmöglichkeiten zu einer stärkeren Integration führt. Das ist gemeint, wenn
Luhmann darauf hinweist, dass Exklusion viel stärker integriert als Inklusion
(vgl. Luhmann 1997, S. 631). Die
Analyse des Amokläufers sollte zumindest andeuten wie eine derartige Beschreibung von Integrations-/Desintegrationsprozessen aussehen könnte.
Der Amokläufer ist in dieser Hinsicht der hoch
unwahrscheinliche aber eben nicht unmögliche Ausnahmefall einer Extremform von
Integration. Seine Möglichkeiten zur Kommunikationsteilnahme haben sich auf
eine einzige reduziert. Diese Möglichkeit ist der Amoklauf als letzter,
verzweifelter Schrei nach Aufmerksamkeit in eine soziale Welt, von der er nicht
erwartet jemals die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen.
Es sollte jedoch auch deutlich
geworden sein, dass eine theoretische Klärung des Verhältnisses
zwischen Inklusions-/Exklusions-Ereignissen und personaler
Integration-/Desintegration nicht ausreicht um personale
Kommunikationsgeschichten als Inklusions-/Exklusions-Prozesse in der
notwendigen Tiefe zu beschreiben und zu verstehen. Erst wenn die soziologische
Systemtheorie um eine emotionssoziologische Perspektive erweitert wird, wird
ihr dies gelingen. Der hier vertretene Ansatz stellt den Versuch einer solchen
Erweiterung dar. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Entfremdungsprozesse wie der eines Amokläufers keine zwangsläufige Entwicklung ist. Dieser
Prozess ist umkehrbar. Und selbst eine verhältnismäßig starke Integration muss
nicht bedeuten, dass die Menschen unglücklich sind. Collins' Typologie von
Introvertierten (vgl. 2005, S. 351 – 369) zeigt, dass eine Panik
voreilig wäre wenn man sich nur auf den quantitativen Grad der personalen
Desintegration/Integration konzentrieren würde. Vielmehr kommt es auf die
Qualität bzw. emotionale Intensität von Kommunikationssequenzen an – also ob es
gelingt gemeinsame Symbole zu generieren und wie über diese Symbole Gefühle und
Stimmungen verstärkt oder gedämpft werden. Um die daraus resultierende Spannung zwischen
psychologischer Selbstbeschreibung und sozialer Fremdbeschreibung gerecht zu
werden, wird deswegen der Vorschlag gemacht Goffmans Image-Begriff
systemtheoretisch als Einheit von psychologischer Selbstbeschreibung und
sozialer Fremdbeschreibung zu interpretieren. Dann wird es möglich die in
Kommunikationsprozessen beobachtbaren Verhaltensstrategien als Annahme oder Ablehnung
von Kommunikationsangeboten zu verstehen. Die Annahme oder Ablehnung wird
jedoch in den seltensten Fällen als klares Ja oder Nein kommuniziert. Je
nachdem wie viel Engagement für die Wahrung des eigenen Images und das der
Kommunikationspartner investiert wird, desto ausgefeilter werden die Techniken
der Imagepflege sein. Und die Analyse der Öffnung und Schließung von
Handlungsmöglichkeiten und den daraus resultierenden
Desintegrations-/Integrations-Effekten wird zu einer sehr defizilen
Angelegenheit.
V.
Welche Schlüsse sind aus dem
Vorangegangenen für die Prävention von Amokläufen zu ziehen? Wenn Prävention
möglich sein sollte, wird das zu einer genauso defizilen Angelegenheit wie die
Analyse von Inklusions-/Exklusionsprozessen. Bei potentiellen Amokläufern
stellt sich aber ein gravierendes Problem. Wenn sich der Entfremdungsprozess
von Kommunikation bei diesen Personen sozial als ein Integrationsprozess
darstellt – also schrittweise die Handlungsmöglichkeiten reduziert werden ohne
das neue erschlossen werden -, dann wird es schwierig Anzeichen für Entfremdung
überhaupt zu erkennen. Denn die Verhaltensstrategien eines potentiellen
Amokläufers werden darauf ausgerichtet sein sich der Kommunikation zu entziehen
oder sie zu vermeiden. Das heißt nichts anderes als dass diese Personen
versuchen sich der sozialen Beobachtbarkeit zu entziehen. Das erklärt
möglichweise warum die Täter nach der Tat von Bekannten und Nachbarn als
unauffällig beschrieben werden. Kommunikationsvermeidung heißt auch Vermeidung
von Aufmerksamkeit. Selbst wenn potentielle Amokläufer noch mit anderen
Menschen in Kontakt treten, werden sie nicht versuchen einen bleibenden
Eindruck zu hinterlassen. Sie versuchen sich sozial unsichtbar zu machen, was
eine mögliche Prävention zusätzlich erschwert. Insofern geht die Diskussion um
die fehlende Krankenversicherung vieler US-Amerikaner schlicht am Problem
vorbei. Die Alternative einer ärztlichen Behandlung würde zum einen bedeuten
soziale Aufmerksamkeit zu erregen – der Betroffene muss sich einer anderen
Person anvertrauen -, zum anderen müsste sich der Betroffene eingestehen, dass
er ein Problem hat. Vermutlich sieht er aber die Ursachen für seine Probleme in
seiner sozialen Umwelt. Beides sind Alternativen, die sich nur schwer mit seinem
Selbstverständnis vereinbaren lassen. Die Voraussetzungen, dass sich ein
Betroffener ärztliche Hilfe suchen wird, sind daher denkbar schlecht [5]. Vielmehr wird der Amoklauf die einzige Form der Kommunikation mit der er ein letztes Mal Aufmerksamkeit erregen will.
Zu der Ego-Shooter-Thematik
wurden bereits weiter oben einige Bemerkungen gemacht. Das Hauptargument gegen
einen kausalen Zusammenhang zwischen Gewaltspielen und Amokläufen kommt aus der
Medienwirkungsforschung. Im Anbetracht der Millionen von Spielern weltweit ist
aus der geringen Zahl von Amokläufern, die solche Spiele gespielt haben [6],
kein statistisch signifikanter Zusammenhang erkennbar. Möglicherweise
unterstützen solche Spiele die Gewaltfantasien der Betroffenen. Es kann jedoch
auch vermutet werden, dass die Betroffenen intensive Rachegefühle erfahren, die
sie dann auch zu gewalttätigen Rachefantasien inspirieren. Das Gewaltpotential würde dann eher in der intensiven negativen Stimmung und nicht im Gebrauch von
Technik liegen. Derselbe Einwand lässt sich im Prinzip auch gegen die Kritik an der
liberalen Waffengesetzgebung der Vereinigten Staaten vorbringen. Schusswaffen sind Mittel mit denen potentiellen Amokläufer ihre Rachefantasien ausleben können. Die faktische Existenz von
Waffen und der potentielle Zugang dazu, determiniert in keiner Weise, ob diese
Waffen benutzt werden. Somit besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen dem unkontrollierten Zugang zu Waffen und einem Amoklauf. Nichts desto trotz lassen sich gute Gründe für eine Reglementierung des Zugangs zu Schusswaffen finden um Amokläufe zu verhindern. Schusswaffen
kommen den Bedürfnissen eines Amokläufers hinsichtlich des
angemessenen Nähe-/Distanz-Verhältnisses zu seinen Opfern entgegen. Hieb- und Stichwaffen sind zu
persönlich. Man kommt den Opfern viel zu nahe. Für den Zweck in kürzester
Zeit so
viele Menschen wie möglich zu töten, sind solche Waffen außerdem ungeeignet. Gift
oder Sprengstoff
sind dagegen zu unpersönlich. Man sieht nicht, was man seinen Opfern
antut. Die Dramaturgie von Amokläufen weicht selten von der Reihenfolge
ab, dass zuerst andere Menschen sterben müssen bevor sich der
Amokläufer umbringt [7]. Offenbar ist es wichtig vor dem eigenen Tod das Leid und den Tod der Verantwortlichen für sein Unglück zu erleben. Das wäre bei Gift und Sprengstoff nicht möglich. Bei Gift ist man aufgrund der zeitlichen Verzögerung beim Tod der Opfer nicht anwesen. Bei Sprengstoff stirbt man im selben Augenblick wie die Opfer. Insofern könnte ein Schusswaffen-Verbot tatsächlich eine wirksame Prävention darstellen.
Die Frage wäre dann allerdings, was mit Personen passiert, die trotzdem die soziale und emotionale
Entwicklung
durchmachen an dessen Ende der Amoklauf steht? Suchen sie sich andere
funktionale Äquivalente um einen Amoklauf durchzuführen - z. B.
selbstgebaute Schusswaffen -, begehen sie einfach
Selbstmord oder gibt es eine Chance die Betroffen doch wieder für
Kommunikationsbeteiligung zu begeistern? Ein Schusswaffen-Verbot birgt das Risiko, dass sich die Gesellschaft in der falschen Sicherheit wiegen würde das Problem hätte sich erledigt. Den poteniellen Tätern wurde aber nur die Möglichkeit zur Ausführung der Tat genommen, nicht aber ihr Problem.
In der Summe stellen freier Waffenbesitz, Ego-Shooter und eine fehlende Krankenversicherung soziale Bedingungen dar im Rahmen derer sich Amokläufe ereignen können. Keine der Rahmenbedingungen für sich noch das Zusammenwirken dieser Rahmenbedingungen kann als Ursache für Amokläufe betrachtet werden. Sie stellen deswegen auch keine wirksamen Stellschrauben dar, um Amokläufe zu verhindern. Abschließend bleibt leider nicht mehr als zu resümieren, dass sich Amokläufe möglicherweise nicht verhindern lassen und dass die einzige Möglichkeit wirksamer Prävention nur darin liegen kann mehr auf seine Mitmenschen zu achten. Dafür müsste vor allem das Bewusstsein für exkludierende Kommunikationsstile und das Bewusstsein für die Kontingenz moderner Lebensstile gefördert werden. Doch ebenso schwierig wie die Prävention ist die Suche nach sozialen Anzeichen für potentielle Amokläufer. Dafür müssen die Analysetechniken für exkludierende Kommunikationsstile verfeinert werden. Dieser Text versteht sich als Beitrag zur Verfeinerung dieser Analysetechniken. Es wurde aber bereits weiter oben darauf hingewiesen, dass man dabei sehr vorsichtig vorgehen muss um nicht die falschen Personen unter den Generalverdacht zu stellen ein potentieller Amokläufer zu sein. Spätestens wenn zur Hexenjagd auf Nerds, Außenseiter oder Einzelgänger gerufen wird, weiß man, dass bereits Grenzen überschritten wurden.
In der Summe stellen freier Waffenbesitz, Ego-Shooter und eine fehlende Krankenversicherung soziale Bedingungen dar im Rahmen derer sich Amokläufe ereignen können. Keine der Rahmenbedingungen für sich noch das Zusammenwirken dieser Rahmenbedingungen kann als Ursache für Amokläufe betrachtet werden. Sie stellen deswegen auch keine wirksamen Stellschrauben dar, um Amokläufe zu verhindern. Abschließend bleibt leider nicht mehr als zu resümieren, dass sich Amokläufe möglicherweise nicht verhindern lassen und dass die einzige Möglichkeit wirksamer Prävention nur darin liegen kann mehr auf seine Mitmenschen zu achten. Dafür müsste vor allem das Bewusstsein für exkludierende Kommunikationsstile und das Bewusstsein für die Kontingenz moderner Lebensstile gefördert werden. Doch ebenso schwierig wie die Prävention ist die Suche nach sozialen Anzeichen für potentielle Amokläufer. Dafür müssen die Analysetechniken für exkludierende Kommunikationsstile verfeinert werden. Dieser Text versteht sich als Beitrag zur Verfeinerung dieser Analysetechniken. Es wurde aber bereits weiter oben darauf hingewiesen, dass man dabei sehr vorsichtig vorgehen muss um nicht die falschen Personen unter den Generalverdacht zu stellen ein potentieller Amokläufer zu sein. Spätestens wenn zur Hexenjagd auf Nerds, Außenseiter oder Einzelgänger gerufen wird, weiß man, dass bereits Grenzen überschritten wurden.
[1] An anderer Stelle wurde
versucht diesem Problem mit der Unterscheidung von Systempflege und Imagepflege
gerecht zu werden (vgl. Walkow 2007, S. 442f.).
[2] Integrieren darf durchaus im Sinne
einer wechselseitigen Einschränkung von Freiheitsgraden verstanden werden.
[3] Das kann auch im Anbetracht
der aktuellen Debatten um die Gleichstellung von Frauen in den Führungsetagen
deutscher Unternehmen nicht deutlich genug betont werden. Die Einführung einer
Frauenquote reagiert auf den Mechanismus der für die systematische
Benachteiligung von Frauen verantwortlich ist mit der Einrichtung desselben
Mechanismus, nur das jetzt Männer benachteiligt werden. Die zugrunde liegende
Annahme ist, dass Männer bei der beruflichen Karriere systematisch bevorzugt
werden weil sie Männer sind. Die Bevorzugung erfolgt aufgrund eines
naturgegebenen Merkmals, das man in der Regel qua Geburt erwirbt. Die
Frauenquote dreht dieses Prinzip lediglich um. Nun werden auch Frauen bevorzugt
weil sie Frauen sind. Dabei handelt es sich aber um eine vormoderne Form
personaler Bestimmung. Damit soll nicht bestritten werden, dass es
Benachteiligungen von Frauen gibt. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass
es möglicherweise der falsche Weg ist ein vormodernes und ungerechtes Prinzip
mit demselben Prinzip zu bekämpfen bzw. nur auszugleichen anstatt
leistungsgerechte und transparente Verfahren einzuführen. Dieses Problem wird langfristig die Legitimität solcher Mechanismen untergraben.
[4] Mit Blick auf Dirk Baeckers „Nächste
Gesellschaft“ (2007) sei angemerkt, dass Collins damit Formen der Verarbeitung des
Verweisungsüberschusses von Sinn beschreibt. Seine Studien legen allerdings den
Schluss nahe, dass für den Umgang mit Überschusssinn möglichweise nicht George Spencer-Browns Formenkalkül die nächste Kulturform sein wird - trotz Spencer-Browns immenser Bedeutung auch für die in diesem Blog
vorgestellten Überlegungen – sondern Gefühls-
und Befindlichkeitskulturen. Die Studien von Illouz und Collins zeigen
außerdem, dass für diese Kulturformen nicht bis zur nächsten Gesellschaft
gewartet werden muss sondern bereits seit Jahrzehnten fast unbemerkt im
Entstehen sind. Hierbei handelt es sich um die viel beschworenen unentscheidbaren Entscheidungsprämissen. Diese sind - auch das zeigen Illouz und Collins - zwar unentscheidbar aber nicht unveränderbar.
[5] Diesbezüglich wäre eine
Erhebung interessant, wie viele Psychologen und Psychiater bereits Personen
behandelt haben, die von sich behauptet haben, dass sie ernsthaft einen
Amoklauf geplant haben oder auch nur ernsthaft über diese Option nachgedacht
haben.
[6] Bisher wurde nicht bekannt,
ob Adam Lanza dazu gehörte.
[7] Eine der wenigen Ausnahmen ist der Amoklauf von James Holmes am 20. Juli 2012 in Aurora, Colorado. Die überlebenden Opfer berichteten, dass er während der Tat gelächelt hat. Erschreckenderweise wäre dann das Erlebnis der Tat das einzige Ereignis, dass im Täter noch positive Gefühle auslöste. Es wäre auch interessant zu erfahren, wie es zum Überleben von James Holmes kam. Handelte es sich bei der Tat um einen missglückten Amoklauf oder war der Tod tatsächlich nicht eingeplant?
[7] Eine der wenigen Ausnahmen ist der Amoklauf von James Holmes am 20. Juli 2012 in Aurora, Colorado. Die überlebenden Opfer berichteten, dass er während der Tat gelächelt hat. Erschreckenderweise wäre dann das Erlebnis der Tat das einzige Ereignis, dass im Täter noch positive Gefühle auslöste. Es wäre auch interessant zu erfahren, wie es zum Überleben von James Holmes kam. Handelte es sich bei der Tat um einen missglückten Amoklauf oder war der Tod tatsächlich nicht eingeplant?
Literatur
Baecker, Dirk (2007): Studien zur
nächsten Gesellschaft. Frankfurt
am Main
Collins, Randall (2005): Interaction Ritual
Chains. Princeton
Ehrenberg, Alain (2008): Das
erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft in der Gegenwart. Frankfurt am
Main
Fuchs, Peter (1997):
Adressabilität als Grundbegriff der soziologischen Systemtheorie, in: Soziale
Systeme 3, S. 57 – 79
Goffman, Erving (1986a):
Techniken der Imagepflege, in ders: Interaktionsrituale. Über Verhalten in
direkter Kommunikation, Frankfurt am Main, S. 10 – 53
Goffman, Erving (1986b):
Entfremdung in der Interaktion, in ders: Interaktionsrituale. Über Verhalten in
direkter Kommunikation. Frankfurt am Main. S. 124 – 150
Illouz, Eva (2009): Die
Errettung der modernen Seele. Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1984): Soziale
Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1997): Die
Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (2005a): Die Form
„Person“, in ders: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch,
Wiesbaden 2. Auflage, S. 137 – 148
Luhmann, Niklas (2005b): Inklusion
und Exklusion, in ders: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der
Mensch, Wiesbaden 2. Auflage, S. 226 - 251
Walkow, Roland (2007): Beavis& Butt-Head – systemtheoretisch beobachtet, in: Soziale Welt 58, S. 439 –
452
Zum Thema Waffenbesitz, gibt es auf der Seite http://jagdblut.de sehr interessante Artikel unter dem Menuepunkt: Waffen- und Jagdrecht.
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