Dienstag, 9. April 2013

Die Beobachtung der Beobachtung



Die letzten beiden Beiträge enthielten unter anderem die Beobachtung, dass sowohl die neueren soziologischen Systemtheorien als auch andere soziologische Theorien gegenwärtig des Öfteren durch einen Beobachtungsstil gekennzeichnet sind, den Niklas Luhmann als Gorgonenbetrachtung bezeichnete  (vgl. 1991, S. 58). Gorgonenbetrachtung bezeichnet den Umgang mit Paradoxien. Luhmann versuchte verschiedene Möglichkeiten mit Paradoxien umzugehen anhand der mythologischen Figuren der Gorgonen zu unterscheiden. Die Gorgonen sind die drei schrecklichen Schwestern, deren Häupter mit Haaren aus Schlangen besetzt sind. Jeder, der sie anblickt, wird zu Stein erstarren. Diese Erstarrung ist das Risiko, dem man sich aussetzt, wenn man versucht die Gorgonen zu betrachten. Und dieses Risiko besteht im übertragenen Sinne ebenso, wenn man versucht Paradoxien zu beobachten. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten mit diesem Risiko umzugehen. Jede der drei Schwestern steht für eine bestimmte Form mit diesem Risiko umzugehen.

Medusa, die einzige Sterbliche im Bunde der Drei, konnte durch Enthauptung getötet werden. Auf Paradoxien bezogen, bedeutet das, Paradoxien auszuschließen bzw. zu vermeiden. Für diese Form des Umgangs mit Paradoxien stand die Tradition der Logik, deren Bemühungen sich darauf konzentrierten Systeme von Aussagen widerspruchsfrei zu halten. Die Zweite im Bunde ist Stheno. Ihre Unsterblichkeit zeigt an, dass das Risiko der Erstarrung nicht zu eliminieren ist. So steht man lediglich vor der Wahl sich abzuwenden und der Erstarrung zu entgehen oder man schaut sie an und erstarrt. Für diese Form des Umgangs mit Paradoxien steht die Tradition der Theologie mit ihren Versuchen Gott zu beobachten. Wobei das Kunststück darin besteht, das Unbeobachtbare, das Transzendentale – nämlich Gott – zu beobachten, was allerdings dann doch wieder zu sehr ambitionierten Formen führte, dies zu tun. Auch die Beobachtungsgewohnheiten postmoderner Theorien haben sich darauf spezialisiert Paradoxien zu beobachten. Doch im Gegensatz zur Theologie beschränken sich diese Theorien darauf das Paradox offen zu legen und sich an ihrer hypnotischen Macht zu berauschen. In den Bann von Stheno gezogen, lässt man alle Hoffnung fahren. Die Schockstarre kann jedoch selbst wieder zu ungeheurer, infantiler Geschwätzigkeit führen. Die undifferenzierte Textproduktion der Postmodernen dient dann nur noch dem Versuch andere mit den eigenen Ängsten und Unsicherheiten anzustecken. Die dritte Schwester ist schließlich Euryale. Auch sie kann nicht getötet werden. Euryale steht jedoch für den Versuch trotz ihrer Existenz nicht zu erstarren. Statt sich auf die Beobachtung der Paradoxie zu konzentrieren, versucht man kreative Möglichkeiten zu finden die Paradoxie zu invisibilisieren. Für diese Form des Umgangs mit Paradoxien steht die Tradition der Rhetorik. Paradoxieentfaltung bedeutet dann Unterscheidungen anzusetzen um das scheinbar Sinnlose in eine sinnvolle Form zu überführen.

Im Umgang mit Paradoxien hat sich der Versuch sie auszuschließen als wenig fruchtbar erwiesen. Selbst nach der Enthauptung behält der Kopf der Medusa seine versteinernde Wirkung. Also muss man sich wohl oder übel mit der Aussichtlosigkeit der Tötungsversuche abfinden. Das Erstarrungsrisiko ist universell, denn das Problem der Paradoxien ist universell. Man kann sie nicht ausschließen, man kann lediglich versuchen mit ihnen umzugehen. So bleibt nur die Alternative zwischen Erstarrung oder Wegschauen, zwischen Paradoxiebetrachtung oder Paradoxieentfaltung, zwischen Sthenographie oder Euryalistik. Die Ursache für Sthenographie ist aber nicht zuerst in den betroffenen Theorien zu suchen. Mit diesem Problem ist die Gesellschaft als Beobachtungsobjekt selbst behaftet und gilt zuerst für Gesellschaft als Prozess. Versteht man unter Gesellschaft die Gesamtheit der stattfindenden Kommunikationen, bezieht sich das auf die einzelnen Ereignisse durch die sich die Gesellschaft als soziales System reproduziert. Kommunikation, und damit auch Gesellschaft, ist unabhängig von jeglicher funktionalen Spezialisierung paradox konstituiert, wenn man sie zugleich als ein sich selbst beobachtendes System begreift. Das Problem liegt dann bereits in der paradoxen Konstitution ihrer Operationen als Beobachtungen (vgl. Luhmann 1993).

Mit diesem Problem muss auch eine wissenschaftliche Disziplin umgehen, die sich der Erforschung sozialer Prozesse verschrieben hat – und das in doppelter Weise. Zum einen ist der Beobachtungsgegenstand Gesellschaft mit diesem Problem behaftet. Die Beobachtung der Gesellschaft kann zum anderen nur in der Gesellschaft stattfinden. Die Soziologie ist wiederum ein Teilsystem im funktionalen Subsystem der Wissenschaft der Gesellschaft und operiert damit in der Gesellschaft. Sie kann keinen archimedischen Punkt außerhalb der Gesellschaft einnehmen und sich wie ein externer Beobachter verhalten. Die soziologische Beobachtung der Gesellschaft ist nur in der Gesellschaft mit den Mitteln der Gesellschaft möglich (vgl. Luhmann 1997, S. 1128ff.). Die Soziologie ist daher auch selbst von diesem Problem betroffen, auch sie ist paradox konstituiert. Jeder Versuch sich trotzdem wie ein externer Beobachter zu verhalten, kommt dem Versuch gleich Medusa zu köpfen.

Das universelle Problem der paradoxen Konstitution der Gesellschaft muss damit also auch bei soziologischer Theoriebildung beachtet werden. Doch wenn man sich die aktuellen Theorieangebote anschaut, fällt bei einem Großteil die fehlende Sensibilität für dieses Problem auf. Statt sich an kreativer Paradoxieentfaltung zu versuchen, beschränkt man sich bei der Theoriebildung darauf soziale Probleme auf tautologische oder paradoxe Formulierungen zu zuspitzen ohne jedoch den Versuch zu unternehmen sich wieder aus der selbstgestellten Falle zu befreien [1]. Das Problem ist also weniger Gorgonenbetrachtung an sich, sondern die Sthenographie, welche es bei der Problemkonstruktion belässt. Die häufig konstatierte Krisenhaftigkeit der modernen Gesellschaft erscheint unter diesem Aspekt zunächst nur als Krise der Selbstbeschreibungsformen der Gesellschaft. Die Krise resultiert nicht aus wie immer gearteten widersprüchlichen Entwicklungsprinzipien der Gesellschaft, sondern ist zunächst ein Symptom, dass immer dann auftritt, wenn man sich bei der Gesellschaftsbeschreibung für Sthenographie oder gar das Köpfen der Medusa entscheidet. Das Risiko der Erstarrung liegt mit anderen Worten in den Funktionsbedingungen von Kommunikation selbst, ebenso wie die Chance der kreativen Paradoxieentfaltung. Konzentriert man sich aber nur auf den Aspekt der Krise, kann sie auch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden.

Einer der Wenigen, der den Versuch Euryalistik zu betreiben – im vollen Bewusstsein des Problems -, trotzdem gewagt hat, war Niklas Luhmann. Er entwickelte seine Systemtheorie der Gesellschaft unter Berücksichtigung des Problems, dass die wissenschaftliche Beobachtung der Gesellschaft nur in der Gesellschaft stattfinden kann und niemals außerhalb. Deswegen schlug er als eine Möglichkeit soziologischer Paradoxieentfaltung eine reflektierte Autologie vor (vgl. Luhmann 1997, S. 1128 – 1142), die sich dem Problem der Gesellschaftsbeschreibung in der Gesellschaft stellt. Die Lösung besteht darin einen Begriff der Beobachtung zu entwickeln, der nicht bloß als vage Analogie zur menschlichen Wahrnehmung verstanden werden kann, sondern eine Beschreibung ermöglicht, wie soziale Systeme mit dem Problem ihrer paradoxen Konstituierung umgehen und trotzdem Informationen produzieren und weiterverarbeiten können.

Im Folgenden soll es deswegen darum gehen die Grundzüge der systemtheoretischen Beobachtungstheorie nach zu zeichnen. Es wird aber nicht allein bei einer reinen Darstellung von Luhmanns Beobachtungstheorie bleiben. Die Darstellung ist von der Grundannahme geprägt, dass es im Anbetracht der weiteren Theorieentwicklungen nach dem Tode Luhmanns noch zu viele Unklarheiten hinsichtlich der einzelnen Teile der Systemtheorie und ihrer Beziehungen zueinander gibt. Luhmanns Systemtheorie ist, anders ausgedrückt, in sich selbst noch nicht ausreichend differenziert, um noch das zu leisten, was sie verspricht. Dies trifft auch auf die Beziehung zwischen Kommunikationstheorie und Beobachtungstheorie zu. Daraus leitet sich die Notwendigkeit ab, für den hier verfolgten Zweck die Kommunikationstheorie stärker gegen die Beobachtungstheorie zu differenzieren. Dabei wird der von Luhmann vorgegebenen Richtung gefolgt. So wird im Folgenden der Versuch unternommen Gregory Batesons Informationsbegriff, George Spencer-Browns Kalkül der Form und Niklas Luhmanns Systemtheorie stärker ineinander zu integrieren als es Luhmann getan hat. Das Ergebnis wird eine soziologische Informationstheorie sein, mit der sich Identitäten, welche durch Unterscheidungsgebrauch konstruiert wurden, rekonstruieren lassen. Dies war bereits das erklärte Ziel Luhmanns. Was dabei herausgeschält wird, ist aber nicht nur eine soziologische Informationstheorie, sondern zugleich der Versuch dem Erfordernis einer reflektierten Autologie gerecht zu werden, denn es wird der Versuch unternommen Informationen darüber zu gewinnen, wie Informationen gewonnen werden können.

I.

Die folgenden Ideen und Gedanken gründen auf Luhmanns formalen Begriff der Beobachtung. Was man heute problemlos feststellen kann, ist, dass dieses Verständnis über die Operationsweise sozialer und psychischer Systeme inzwischen einen Abstraktionsgrad angenommen hat, der sich nur noch sehr schwer auf Alltagserfahrungen zurückbeziehen lässt. Obgleich diese begriffliche Distanz zum Alltagsverständnis bewusst in Kauf genommen wird, macht sie es zugleich extrem schwer das gewonnene Wissen zu kommunizieren. Diese Schwierigkeit besteht aber nicht nur beim Transport dieses Wissens in die außerwissenschaftliche Umwelt, sondern bereits soziologie-intern. Selbst in der gegenwärtigen soziologischen Theoriebildung werden die vollen Konsequenzen des systemtheoretischen Theoriedesigns nur zögerlich berücksichtigt – speziell die konstruktivistischen Implikationen der Beobachtungstheorie. Daher muss zunächst der theoretische Status innerhalb der Systemtheorie Luhmanns als auch in Bezug auf die nach wie vor vorherrschenden soziologischen Handlungstheorien geklärt werden.

Luhmann selbst hat seine Systemtheorie in drei Theoriestränge untergliedert (vgl. 1997). Das ist zum einen die Evolutionstheorie, welche auf die Zeitdimension gesellschaftlicher Selbstbeschreibungen abzielt. Sie ist in der Lage deren historische Veränderungen zu beschreiben. Der zweite Theorieteil ist die Differenzierungstheorie, welche sich auf die Sachdimension gesellschaftlicher Selbstbeschreibungen konzentriert. Mit ihm können Gesellschaftsbeschreibungen darauf hin untersucht werden, wie die Gesellschaft sich selbst als Gesamtsystem beschreibt oder wie sie von einem ihrer Teilsysteme beschrieben wird oder wie Teilsysteme sich selbst beschreiben. Der dritte Theorieteil ist schließlich die Kommunikationstheorie, welcher die Sozialdimension gesellschaftlicher Selbstbeschreibungen berücksichtigt. Dieser Teil stellt auf die Unterschiede in den gesellschaftlichen Selbstbeschreibungen verschiedener Beobachter ab.

Aus der Perspektive der Systemtheorie wird Gesellschaft zunächst als Kommunikationsprozess verstanden. Dabei ist jedes Ereignis des Kommunikationsprozesses immer eine dreifache Selektion von Mitteilung, Information und Verstehen (vgl. Luhmann 1984, S. 194ff.). Der Mitteilungsaspekt eines Ereignisses unterscheidet den Informationsträger von der mitgeteilten Information. Folglich unterscheidet der Informationsaspekt die mitgeteilten Informationen von der Form der Mitteilung. An einem Ereignis muss demnach immer die Form der Mitteilung von den mitgeteilten Informationen unterschieden werden. Damit kann aber ein Ereignis noch nicht als Kommunikation beobachtet werden. Zur Kommunikation wird es erst, wenn es sich auf ein zeitlich vorangegangenes Ereignis bezieht. Somit schließt jedes Kommunikationsereignis an ein vorangegangenes Ereignis an. Dieser Zeitaspekt des nacheinander Anschließens wird als Verstehen bezeichnet.  Jedes Anschlussereignis kann sich dann entweder auf die mitgeteilten Informationen oder die Form der Mitteilung beziehen. Bereits aufgrund der Alternative entweder an die Information oder die Mitteilung anzuschließen zu können, wird Kommunikation zu einem selektiven Geschehen. Da der kommunikative Anschluss zeitlich nicht unmittelbar folgen muss, kommt noch ein drittes Moment der Selektivität dazu. Selektivität impliziert Alternativen: man hätte andere Mitteilungen wählen können, man hätte andere Informationen mitteilen können und man hätte zu anderen Zeitpunkten anschließen können. Jedes Ereignis eines Kommunikationsprozesses hätte somit in dreifacher Hinsicht so, aber auch anderes realisiert werden können. Damit ist jedem Ereignis sachlich, sozial und zeitlich seine eigene Kontingenz eingeschrieben (vgl. Luhmann 1984, S. 158).

Jedes Ereignis eines Kommunikationsprozesses kann also in dreierlei Hinsicht anders beobachtet werden. Mithin ist schon jedes Ereignis selbst eine Beobachtung. Das trifft sogar auf die hier angebotene Beschreibung des Basiselements sozialer Prozesse zu. Andere soziologische Theorien definieren das Basiselement sozialer Prozesse anders. Hier ist nach wie vor der Handlungsbegriff ein beliebter Kandidat. Luhmann war angetreten mit der Beschreibung von Kommunikationsereignissen als Synthese von drei Selektionen eine kontingente Beschreibung im Vergleich zu den etablierten soziologischen Theorien, welche von Handlungen als Basiselement sozialer Prozesse ausgehen, anzubieten. Dabei ging es weniger darum das Basiselement sozialer Prozesse neu zu bestimmen, sondern nur darum Handlungen aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Ohne auf einzelne Handlungstheorien einzugehen, besteht das Problem im Allgemeinen darin, dass die jeweiligen Handlungsbegriffe nicht in der Lage sind analytisch der dreifachen Selektivität jeder Handlung als Ereignis im Rahmen einer Kommunikationssequenz Rechnung zu tragen. Es fehlt damit ein Blick für die sachliche, soziale oder zeitliche Kontingenz jeder Handlung. Schemata wie z. B. Konformität/Devianz können die Tragweite des systemtheoretischen Beobachtungsangebots nicht differenziert genug erfassen. Der Begriff Devianz operationalisiert Kontingenz über abweichende Handlungen im Unterschied zu erwünschten Handlungen und sieht Abweichungen dann als normatives Problem der zu vermeidenden Handlungen. Diese Fassung ist aber schon nicht mehr in der Lage zu reflektieren, dass Handlungen, die in einer Situation als wünschenswert betrachtet werden, in einer anderen Situation als unerwünscht betrachtet werden können. Dieses Problem lässt sich noch über eine Unterscheidung von verschiedenen Werten, die konformes Handeln verlangen, beheben. Nun wird zwar der Kontingenz des Handelns Rechnung getragen, nicht jedoch der Kontingenz der Werte. Letzteres wird als Wertekonflikt registriert ohne jedoch die Kontingenz der Beharrung auf Werte als theoretischen Bezugsrahmen reflektieren zu können [2].

Auf einer handlungstheoretischen Ebene ist es nicht mehr möglich dieses Problem zu erkennen, denn sie stellt keinen begrifflichen Rahmen zur Verfügung mit dem das Problem der Kontingenz handlungstheoretischer Beschreibungsangebote des Basiselements reflektiert werden könnte. Luhmanns Kommunikationsbegriff bietet dagegen eine Möglichkeit die Kontingenz verschiedener Beschreibungsangebote mit zu reflektieren. Der Theorieteil, der dies im Rahmen der Systemtheorie leisten kann, ist die Beobachtungstheorie. Der Kommunikationsbegriff ist aber nicht mit dem Beobachtungsbegriff identisch. Soziale Systeme sind zwar zugleich Kommunikationssysteme und beobachtende Systeme. Die Beobachtung als Operation sozialer Systeme muss aber scharf von Kommunikation abgegrenzt werden. Viele Probleme der Weiterentwicklung und Anwendung von Luhmanns Systemtheorie lassen sich darauf zurückführen, dass die Unterschiede zwischen Kommunikation und Beobachtung noch nicht präzise genug herausgearbeitet wurden.

Deswegen werden die beiden Begriffe nun stärker gegeneinander differenziert. Kommunikationsereignisse wurden weiter oben als Synthese einer dreifachen Selektion von Mitteilung, Information und Verstehen beschrieben. Der Beobachtungsbegriff bezieht sich nur auf die mitgeteilten Informationen. Er gewinnt seine Funktion im Rahmen der Kommunikationstheorie nur durch diese Engführung auf den Informationsaspekt eines Kommunikationsereignisses, der klar von der Form der Mitteilung und des zeitlichen Anschlusses unterschieden werden muss. Es ist deswegen wichtig festzuhalten, dass die Beobachtungstheorie in den kommunikationstheoretischen Teil der Systemtheorie eingelassen ist und nur auf den Informationsaspekt einer Handlung abzielt. Wenn ein Kommunikationsereignis eine Beobachtungsoperation ist, dann kann mit Hilfe der Beobachtungstheorie beobachtet werden, wie beobachtet wird. Was diese zunächst tautologische Formulierung im Rahmen der soziologischen Systemtheorie bedeutet, soll im Folgenden entfaltet werden. Die aus dieser begrifflichen Präzisierung resultierende Beobachtungstheorie hat weitreichende theoretische und methodologische Konsequenzen, die bereits weit unterhalb des handlungstheoretischen Radars fliegen und eher bei Semiologie, Logik und Sozialpsychologie andocken.


II.

Die soziologische Systemtheorie ist eine Theorie beobachtender Systeme [3]. Beobachtende Systeme sind in der Lage sowohl ihre Umwelt als auch sich selbst zu beobachten. Das trifft auf soziale und auf psychische Systeme zu. Beide Formen von Systemen sind füreinander Umwelt. Wenn die systemtheoretische Beobachtung auf den Informationsaspekt einer Handlung abzielt, dann ist damit nicht gesagt, dass die Mitteilung wie ein Behälter objektiv Informationen enthält oder transportiert. Diese Vorstellungen von der Funktionsweise von Kommunikation suggeriert letztlich immer noch die Vorstellung von einer Determinierung eines Systems durch seine Umwelt. Prominent wird ein derartiger Ansatz gegenwärtig von Bruno Latour mit seiner Akteur-Netzwerk-Theorie (vgl. 2010) vertreten, die davon ausgeht, dass Dinge oder Objekte durch den ihnen innewohnenden Informationsgehalt Akteure – und das müssen nicht mal Menschen sein – zum Handeln bringen. In der ANT heißt das dann Handlungsträgerschaft und reproduziert damit die Transportmetapher in dem Sinne, dass Objekte Informationsträger sind und auf diese Weise auf Systeme einwirken.

Von solchen Vorstellungen hat sich die soziologische Systemtheorie längst verabschiedet. Sowohl durch biologische als auch durch psychologische Forschung ist die operative Geschlossenheit derartiger Systeme empirisch belegt und lässt sich auch auf die Operationsweise sozialer Systeme übertragen. Mithin bildet das Problem der operativen Geschlossenheit psychischer Systeme den Katalysator für die Emergenz sozialer Systeme. Geht man von der operativen Geschlossenheit von Systemen aus, kann die Annahme einer Umweltdeterminierung von Systemen nicht länger aufrechterhalten werden. Vielmehr können sich Systeme nur noch selbst determinieren. Kommunikationsereignisse schließen nur an Kommunikationsereignisse an, Gedanken schließen nur an Gedanken an. Systeme werden nur noch von ihrer eigenen Operationsgeschichte bestimmt und operieren damit pfadabhängig. Das ist gemeint, wenn von Autopoiesis die Rede ist. Ein System reproduziert sich nur aus Systemelementen und diese Elemente sind operativ gesehen Ereignisse.

Begreift man Systeme als operativ geschlossene, sich selbst bestimmende Systeme lässt sich die Transportmetapher unmöglich aufrechterhalten, weil nichts in das System hinein gelangt und nichts hinaus. Die Metapher verführt dazu vom beobachteten Gegenstand her zu denken und unterstützt die Annahme der Gegenstand trägt objektive Informationen in sich, welche das System anregen zu agieren. Stattdessen wird mit der Systemtheorie die Beobachtung vom Beobachteten auf den Beobachter umgestellt. Dem zu folge bringen nicht mehr Objekte in der Umwelt Systeme dazu irgendetwas zu tun, sondern Systeme bringen sich nur selbst dazu etwas zu tun. Die Frage, was der beobachtete Gegenstand objektiv sein könnte, wird damit irrelevant. Es interessiert lediglich, wie der Beobachter den Gegenstand beobachtet. Epistemologisch ist damit keine unmittelbare Erkenntnis der Umwelt durch ein System möglich, sondern nur durch die systeminternen Mittel, die zur Verfügung stehen um zu Beobachten. Für die soziologische Systemtheorie wird damit Beobachten zur empirischen Faktizität (Luhmann 1992, S. 76f.). Zudem impliziert dieser Sachverhalt, dass die Realität beobachtender Systeme die einzige beobachtbare Realität ist unabhängig von der Frage, ob es noch eine jenseits der Beobachtung liegende Realität gibt (vgl. Luhmann 1992, S. 82). Methodisch kann dann nur noch die Konsequenz gezogen werden Beobachter zu beobachten. Womit die soziologische Systemtheorie genau dasselbe tut wie ihr Gegenstandsbereich.

Damit läuft man bereits auf eine Paradoxie – besser gesagt eine Tautologie – auf: die Welt besteht nur aus Beobachtungen. Diese Tautologie vereinheitlicht den Gegenstandsbereich und macht ihn unterschiedslos. Man blickt nun auf die Einheit des Verschiedenen, in einen unmarkierten, unendlichen Raum und damit den Gorgonen direkt ins Gesicht. Das Verschiedene ist Eins und damit alles und nichts zugleich. Hier trifft man auf Chaos, Entropie und Unsicherheit – vielleicht auch auf Gott. Die Frage ist nun, soll dies ein Dauerstand werden oder nur eine Übergangsphase bleiben [4]? Hier wird dafür optiert, diesen Zustand als eine Übergangsphase zu betrachten. Genug Sthenographie, nun ist Euryalistik gefragt.


III.

Die reine Welt der Beobachtung ist unterschiedslos. Alles ist Beobachtung. Es ist nichts zu erkennen. Diese Blindheit ist methodisch gewollt. Aber sie kommt erst bei einem so hohen Abstraktionsgrad in voller Klarheit zu Geltung und macht zugleich auf die Notwendigkeit aufmerksam einen Schlüssel zu finden um dieses Chaos zu ordnen. Um das durch diese radikale Abstraktion aufgeworfene Problem der Unterschiedslosigkeit der Empirie zu lösen, greift Luhmann auf den Formenkalkül von George Spencer-Brown (vgl. 1997) zurück. Spencer-Brown [5] war Mathematiker und hat die Gesetze der Form in der Auseinandersetzung mit grundlegenden Problemen der Arithmetik und der Algebra entwickelt. Er beanspruchte allerdings nicht nur einen mathematischen Kalkül vorzustellen. Die Leistung des Kalküls besteht vielmehr darin die grundlegenden Prinzipien menschlicher Erfahrung nachvollziehen zu können um ein Verständnis davon zu entwickeln wie Erkenntnis möglich ist (vgl. Spencer-Brown 1997, S. XXXIII). In der Gestalt der Form findet man das universelle Funktionsprinzip wie Systeme – soziale, psychische oder biologische – Informationen generieren und weiterverarbeiten. Deswegen sah Spencer-Brown in der Gestalt der Form auch eine archetypische Struktur (vgl. Spencer-Brown 1997, S. XXX). Unabhängig von der Darstellungsform die Spencer-Brown gewählt hat, nimmt er für sich in Anspruch etwas darzustellen, was nicht bloße Ansichtssache oder bloße Meinung ist (vgl. 1997, S. XXXIV). Die Funktionsprinzipien der Form lassen sich selbst im Alltag entdecken. Man kann sie nicht bestreiten ohne bei dem Versuch dies zu tun doch wieder die Funktionsweise der Form vorzuführen.

Diesem Umstand ist es auch geschuldet, dass er für seine Darstellung der Gesetze der Form nicht die Form einer Beschreibung gewählt hat (vgl. Simon 1999, S. 57). Er gibt vielmehr Anweisungen, denen man folgen kann oder auch nicht. Folgt man ihnen kann man sehen, was Spencer-Brown sieht. Ob man ihm aber für soziologische Theoriebildung durch die vollständigen Gesetze der Form folgen muss, ist nach wie vor strittig. Luhmann hat es für die Integration des Formenkalküls in seine Systemtheorie nicht getan. Er hatte vielmehr die Vermutung, dass Spencer-Browns Darstellung des Formenkalküls vor jeglicher Arithmetik und Algebra ausreichen würde um mit dem Kalkül zu arbeiten (vgl. 1992, S. 73f.). Die universellen Funktionsprinzipien der Form sind bereits bis zu dem Punkt dargestellt wo Spencer-Brown zur Arithmetik übergeht. Von da an wechselt man bereits zur Mathematik. Während Spencer-Brown darauf besteht, dass der Kalkül nicht nur als Mathematik verstanden wird, geht Luhmann den umgekehrten Weg und sieht im Kalkulieren mit der Form eine Form des Rechnens. Auf diese Weise können selbst Alltagsbeobachter als Mathematiker beschrieben werden (vgl. 1992, S. 74). Ob die Metapher des Rechnens gelungen ist oder nicht, braucht hier nicht weiter diskutiert werden. Sie hilft aber für eine Annährung um genauer zu verstehen, was durch das Kalkulieren mit der Form ermöglicht wird.

Die Gesetze der Form sind aus der Abstrahierung von Arithmetik und Algebra hervorgegangen und bilden somit die Einheit von beidem. Ganz allgemein kann man von Arithmetik als Rechnen mit vollständig bekannten Zahlen sprechen und von der Algebra als Rechnen mit teilweise unbekannten Zahlen. Wenn in den Gesetzen der Form diese beiden Prinzipien vereinigt werden, dann handelt es sich beim Kalkulieren mit der Form um das Kalkulieren mit unvollständigen Informationen. Aufgrund der Gestalt bzw. der Funktionsweise der Form kann, ähnlich wie bei der Algebra von den bekannten Zahlen auf die unbekannten Variablen geschlossen wird, von den bekannten Informationen auf die unbekannten Informationen geschlossen werden. Daraus hat Luhmann eine Methode des Schließens bzw. des Inferenzierens abgeleitet und implizit sowohl auf den Forschungsgegenstand angewendet als auch beim Design der eigenen Theorie berücksichtigt ohne die Methode, wie Spencer-Brown, formal darzustellen. Luhmann hat zwar in vielen seiner Veröffentlichungen Bemerkungen zu seiner Interpretation der Gesetze der Form gemacht und daraus seinen Begriff der Beobachtung abgeleitet aber niemals den Versuch einer systematischen Darstellung unternommen. Da die in den Gesetzen der Form enthaltenen Prinzipien den traditionellen soziologischen Denkgewohnheiten so sehr entgegenstanden, konzentrierte er sich darauf die Unterschiede zwischen beiden aufzuzeigen.

Der Hauptunterschied besteht darin, dass Paradoxien bei der Aufstellung von Theorien nicht mehr ausgeschlossen werden, sondern als Problem zugelassen sind um ihnen selbst wiederum eine Funktion innerhalb der Theorie zu geben. Paradoxien als Probleme können nach Luhmann nur durch die Beobachtung von Beobachtern gelöst werden (Luhmann 1991, S. 62). Dieses Paradox wird als eine Methode des Inferenzierens entfaltet. Auf der Grundlage der Funktionsprinzipien der Form wird von bekannten Informationen auf unbekannte Informationen geschlossen. Luhmanns Beobachtungstheorie wird dann im Wesentlichen zu einer Informationstheorie, die dazu genutzt werden kann zu beobachten, wie soziale Systeme unter der Bedingung unvollständiger Informationen operieren. Im Folgenden wird versucht die Grundzüge dieser Informationstheorie vorzustellen.


IV.

Um die Paradoxie der Beobachtung der Beobachtung zu entfalten, müssen als Erstes die Begriffe Beobachtung und Operation voneinander unterschieden werden. Die Beobachtung ist zwar eine Operation. Zugleich ist der Begriff der Beobachtung selbst auch ein Ergebnis des Operierens und muss deswegen vom Begriff des Operierens unterschieden werden. Besteht man auf der Differenz zwischen beiden, muss nun weiter spezifiziert werden, was unter dem Begriff Operation zu verstehen ist, damit er vom Begriff der Beobachtung unterschieden werden kann. Dafür wird im Anschluss an Spencer-Brown die Idee der Unterscheidung und die Idee der Bezeichnung als gegeben angenommen. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass keine Bezeichnung erfolgen kann ohne eine Unterscheidung zu treffen (vgl. Spencer-Brown 1997, S. 1). Operieren kann mit diesen beiden Ideen nun spezifiziert werden als Unterscheiden um etwas zu bezeichnen. Zum Operieren gehört notwendig immer beides, eine Unterscheidung und eine Bezeichnung. Sichtbar, d. h. in ihrer empirischen Faktizität gegeben, ist immer nur die Bezeichnung. Die Unterscheidung bleibt im Moment des Bezeichnens unsichtbar. Die Bezeichnung ist aber nicht nur sichtbar, ihre Funktion ist es, etwas sichtbar zu machen. Deswegen gibt Spencer-Brown die Anweisung „Triff eine Unterscheidung“ (1997, S. 3). Nur durch eine Unterscheidung ist eine Bezeichnung möglich und nur durch die Bezeichnung wird etwas markiert, hervorgehoben und sichtbar gemacht. Die Markierung grenzt das nun Sichtbare von allem anderen ab. Vor der Bezeichnung war nichts sichtbar. Mit ihr ist etwas sichtbar. Die Aufmerksamkeit wird also auf dieses etwas konzentriert. Eine Bezeichnung macht demnach nicht nur etwas sichtbar, sondern es fokussiert auch die Aufmerksamkeit auf dieses Etwas indem dieses Etwas von allem anderen abgegrenzt wird.

Für psychische Systeme bedeutet das ein Bewusstsein, ein Bild, eine Vorstellung von diesem Etwas zu haben, z. B. dieser Apfel im Unterschied zu allen anderen Äpfeln. Im Moment der Bezeichnung fokussiert das Bewusstsein seine Aufmerksamkeit auf diesen einen Apfel. Für soziale Systeme übernimmt diese Funktion ein Wort bzw. ein Zeichen. Das Zeichen konzentriert die psychische Aufmerksamkeit auf einen bestimmten, essbaren Apfel. Dieser Apfel ist weder das Zeichen, das auf ihn verweist, noch die psychische Vorstellung von dem Apfel, auf die sich die Aufmerksamkeit konzentriert. Die soziale Funktion des Zeichens ist es trotz der unüberwindlichen Verschiedenheit zwischen dem Bezeichnetem und dem Bezeichnendem die psychische Aufmerksamkeit über den Umweg seiner selbst auf diesen bestimmten Apfel zu richten und ein Bewusstsein von diesem Apfel hervorzurufen. Die Bezeichnung lässt ihn Wirklichkeit werden. Etwas zu bezeichnen ist dann sozial gesehen, die Aufforderung diese Operation ebenfalls zu vollziehen und den imaginären Wert der Bezeichnung für den Moment anzunehmen. Man könnte auch sagen, eine Bezeichnung ist eine Aufforderung zur Nachahmung einer bestimmten Vorstellung von etwas [6].

Der Vorteil des Zeichens bzw. der Bezeichnung kann allerdings ein Nachteil werden. Es konzentriert die Aufmerksamkeit zunächst nur auf etwas im Unterschied zu allem anderen. Es macht etwas sichtbar, aber nur um den Preis alles andere nicht zu sehen. Blindheit wird zur notwendigen Voraussetzung, damit man etwas zu sehen bekommt. Und genau das kann mit der Zeit zum Problem werden, denn die Wiederholung der Bezeichnung ist die Bezeichnung. Spencer-Brown bezeichnet dies als das Gesetz des Nennens (vgl. 1997, S. 2). Mehrmaliges Nennen oder Bezeichnen verweist auf bereits bekanntes. Es erzeugt lediglich reine Redundanz. Es wird nichts anderes sichtbar. Die reine Markierung von etwas durch eine Bezeichnung konzentriert zwar die Aufmerksamkeit, stellt sie bei Wiederholung aber auch still. Dieses Problem stellt sich immer dann, wenn man versucht, etwas im Unterschied zu allem anderen oder etwas im Unterschied zu nichts hervorzuheben. Stillstand lässt ein System wieder in einen entropischen Zustand zurückfallen. Daher muss die Aufmerksamkeit fließen. Sie muss auf etwas anderes gerichtet werden.

Ein erster Schritt dazu besteht darin das Alles oder das Nichts, von dem das Etwas unterschieden wurde, zu spezifizieren und das kann nur heißen es ebenfalls zu bezeichnen. Das kann allerdings nicht in der Weise geschehen, dass man einen Apfel von einem anderen Apfel unterscheidet. Man stünde wie Buridans Esel vor der Wahl zwischen Gleichem und kann sich nicht entscheiden bzw. man kann nicht unterscheiden. Das würde ebenso bloße Redundanz erzeugen. Die Äpfel müssen also von etwas anderem als sich selbst unterschieden werden, z. B. von Birnen. Damit hat man einen Übergang [7] oder Wechsel vollzogen. Spencer-Brown bezeichnet diesen Schritt als das Kreuzen der Grenze (vgl. 1997, S. 2). Und in der Tat musste man eine Grenze überschreiten, denn die Aufmerksamkeit wurde mit der neuen Bezeichnung auf etwas anderes gerichtet. Der imaginäre Wert der Bezeichnung ist ein anderer. Man sieht nun etwas anderes, nämlich Birnen im Unterschied zu Äpfeln.

Wenn man zum ursprünglichen Zustand zurückkehren will, muss man die Grenze erneut überqueren. Wieder am Ausgangspunkt angekommen, wird man feststellen, dass sich der Ausgangswert verändert hat. Der Apfel ist nun nicht mehr einfach nur ein Apfel, sondern er ist ein Apfel im Unterschied zu Birnen. Durch das Kreuzen der Grenze sind zwei Seiten entstanden. Die imaginären Werte beider Seiten gewinnen ihren jeweiligen Wert nur in Bezug aufeinander. Durch wiederholtes Kreuzen der Grenze ist es nun möglich in der Zwei-Seiten-Form zu oszillieren, also zwischen den Seiten hin und her zu springen und Äpfel oder Birnen zu beobachten. Es entsteht eine Welt aus Äpfeln und Birnen. Doch auch hier kommt wieder das Gesetz des Nennens zum Tragen. Man kann nun abwechselnd Äpfel oder Birnen beobachten, aber sonst nichts. Durch das Oszillieren in der Zwei-Seiten-Form wird allerdings noch ein weiterer imaginärer Wert erzeugt, nämlich der Wert, der durch die beiden Werte zusammen erzeugt wird. Dieser dritte imaginäre Wert kann aber nicht mit Hilfe von einer der beiden Seiten bezeichnet werden (vgl. Spencer-Brown 1997, S. 2). Er ist vielmehr ihre Einheit. Aus der Zwei-Seiten-Form heraus lässt sich dieser Wert deswegen nicht mehr identifizieren oder allenfalls noch paradox ausdrücken. Im Rahmen der Zwei-Seiten-Form bekommen dann Aussagen wie „Äpfel sind Birnen“ und „Birnen sind Äpfel“ ihre eigene Wahrheit. Zugleich kollabiert damit die Grenze und die zwei Bezeichnungen können ihre Funktion nicht mehr erfüllen. Die zwei Werte sind doch nur einer – ein dritter Wert.

Die Aufmerksamkeit hat sich nun auf die Einheit des Verschiedenen fokussiert und steht wieder still. Es scheint als würde man wieder vom Gesetz des Nennens eingeholt werden. Nur das nun nicht mal eine Bezeichnung zu Verfügung steht um diesen dritten Wert zu bezeichnen. Trotzdem wird durch die erzeugte Redundanz die Aufmerksamkeit auf die Einheit der beiden Werte konzentriert. Mithin nimmt die Einheit der beiden Werte wieder die Form des Alles oder die Form des Nichts an. Ebenso wie wiederholtes Bezeichnen nur Redundanz erzeugt, erzeugt auch wiederholtes Kreuzen nur Redundanz. Der zeitliche Verlauf des Kreuzens gestaltete sich im Beispiel folgendermaßen: Markierung des Apfels im Unterschied zu allem/nichts, Unterscheidung der Birne im Unterschied zum Apfel - 1. Kreuzen -, Unterscheidung des Apfels im Unterschied zur Birne - 2. Kreuzen -, Unterscheidung der Birne im Unterschied zum Apfel - 3. Kreuzen. Beim letzten Schritt, dem 3. Kreuzen, wird vollständige Redundanz erzeugt, denn es wird nur der imaginäre Wert des 1. Kreuzens widerholt. Wieder-Kreuzen heißt also wiederholt bezeichnen. Somit fällt auch dieser Fall unter das Gesetz des Nennens. Deswegen ist Wieder-Kreuzen als ob nicht gekreuzt wurde (vgl. Spencer-Brown 1997, S. 2) [8]. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied zwischen dem Markieren von etwas im Unterschied zu nichts oder allem anderen und dem Unterscheiden im Unterschied zu etwas bestimmten. Wann das Gesetz des Nennens beim Kreuzen zum Tragen kommt, hängt davon ab welche Seite gemäß dem dargestellten Ablauf als erste markiert wurde. Zum wiederholten Kreuzen kommt es erst, wenn man vom Ausgangspunkt – der ursprünglichen Markierung – wieder zur anderen Seite kreuzt.

Die Lösung dieses Redundanzproblems und der fixierten Aufmerksamkeit ist daher auch dieselbe wie oben, nämlich dem Nichts einen Namen zu geben, es also zu bezeichnen um sich ein Bild davon machen zu können und es zugleich von dem zu unterscheiden, was es nicht ist, nämlich die zwei imaginären Werte, die jeweils durch die eine oder die andere Bezeichnung aktualisiert wurden. Im Fall der Bezeichnungen Äpfel und Birnen könnte man z. B. deren Einheit als Frucht bezeichnen und hätte damit einen Kontext in dem beide Seiten einen Unterschied machen.

Bis hier hin hat sich die Darstellung auf die Beobachtung als Operation konzentriert. Das heißt seine Aufmerksamkeit auf Bezeichnungen bzw. Zeichen zu richten. Daraus erhält der Kalkül der Form seine empirische Relevanz. Sobald Bezeichnungen sichtbar sind, wurden Unterscheidungen getroffen. Doch mit der Bezeichnung der Einheit des Differenten wurde ein wichtiger Schritt vollzogen, der zwei Formen von Beobachtungen von einander unterscheidet. Die Bezeichnung von Äpfeln und Birnen unterscheidet sich von der Bezeichnung beider als Früchte. Während die Bezeichnung von Äpfeln und Birnen die Beobachtung einer Operation war, beobachtete man mit der Unterscheidung von Früchten Operationen als Beobachtung. Diese so bezeichnete Einheit des Verschiedenen entspricht der Idee der Unterscheidung. Die Beobachtung als Bezeichnung einer Unterscheidung wird daher streng von einer Beobachtung durch Bezeichnen unterschieden (vgl. Luhmann 1992, S. 77). Letzteres wird als Beobachtung 1. Ordnung und ersteres als Beobachtung 2. Ordnung bezeichnet. Zu beachten ist jedoch, dass auch eine Beobachtung 2. Ordnung eine Beobachtung 1. Ordnung ist, eben weil auch sie Bezeichnungen realisiert. Der Unterschied besteht darin, was bezeichnet wird. Das sind bei der Beobachtung 2. Ordnung Unterscheidungen.


V.

Es wurde von der Annahme ausgegangen, dass Paradoxien durch die Beobachtung der Beobachtung entfaltet werden müssen. Das wurde im Anschluss daran versucht. Doch man kommt nicht davon los wieder in paradoxen Formulierungen zu enden. Man könnte das zunächst für ein Darstellungsproblem halten. Das ist es auch zum Teil. Der eigentliche Grund liegt aber darin, dass die Beobachtung einer Paradoxie selbst wiederum nur paradox erfolgen kann. Wenn die Paradoxie der Beobachtung ein universelles Problem ist, dann ist auch jeder Darstellungsversuch mit diesem Problem behaftet, denn jede Beobachtung der Beobachtung durch unterscheidendes Bezeichnen kann selbst wiederum nur durch unterscheidendes Bezeichnen erfolgen. Man wird, anders ausgedrückt, immer wieder auf die Selbstreferenz der Unterscheidung zurückgeworfen. Das gilt nicht nur, wenn man die Unterscheidung als Zwei-Seiten-Form beschreibt sondern auch, wenn man sie, wie oben geschehen als dreiwertige Form beschreibt und versucht in dieser Form zu kreisen. Eigentlich sollte Euryalistik betrieben werden, aber bisher scheint es so als würde weiterhin nur Sthenographie betrieben. Wie man es auch dreht und wendet, man kommt nicht von paradoxen Formulierungen weg. Und auch dies lässt sich nur paradox ausdrücken, denn die Dreiwertigkeit der Unterscheidung ist die Einheit von Zweiwertigkeit (Bezeichnungen) und Einwertigkeit (Unterscheidung). Die Form der Unterscheidung ist paradox konstituiert und auch die Beobachtung ihrer Form kann daher immer nur paradox ausfallen. Luhmann bezeichnete das als die Paradoxie der Form (vgl. 1993).

Bei seinem Versuch die Paradoxie der Form zu beobachten, hat er gezeigt, dass es sich nicht nur um eine Paradoxie handelt, sondern um eine dreifache. Die erste Paradoxie der Unterscheidung liegt in der Sachdimension, denn die Unterscheidung ist die Identität der Differenz. Zwei Bezeichnungen gehören zu einer Unterscheidung. Das zweite Paradox der Unterscheidung liegt in der Zeitdimension, denn sie ist die Gleichzeitigkeit des Nacheinander. Man kann immer nur eine Bezeichnung in einem bestimmten Moment ausführen, niemals beide zugleich. Will man die andere Bezeichnung ausführen ist Zeit notwendig. Die Operationen können also nur nacheinander ausgeführt werden. Die Unterscheidung zwingt damit zur Sequenzierung. Die dritte Paradoxie liegt schließlich in der Sozialdimension als Einheit verschiedener Beobachter. Wenn die Unterscheidung in ihrer Form universell ist und jegliche soziale und psychische Informationsbildung und –verarbeitung an sie gebunden ist, dann besteht sie unabhängig von sozialen und psychischen Systemen, wodurch die verschiedenen sozialen und psychischen Beobachter in der Unterscheidung als identisch beobachtet werden können.

Wenn hier die Form der Unterscheidung als imaginäre, dreiwertige Struktur beschrieben wird, dann kann man auch sagen, dass diese Form basal instabil ist. Man oszilliert immer zwischen ihrer Zweiwertigkeit und ihrer Einwertigkeit und damit zwischen Struktur und Strukturzerfall, Negentropie und Entropie. Man könnte es nun bei dieser Feststellung belassen, denn jede Beschreibung ist mit demselben Problem behaftet. Möglicherweise ist aber Sthenographie auch nur die Voraussetzung um Euryalistik betreiben zu können. Auf diese Weise wird man zumindest mit dem immer nur zeitweise lösbaren Problem der dreiwertigen Form vertraut. Da die Beobachtungstheorie im Rahmen der Kommunikationstheorie angesiedelt ist, wird deswegen nun der Versuch unternommen die Paradoxie der Form informationstheoretisch zu reformulieren. Dazu ist als erstes ein Informationsbegriff notwendig, der mit der Idee der Unterscheidung und der Idee der Bezeichnung kompatibel ist. Er muss sich also mit der Dreiwertigkeit der Form vereinbaren und zugleich auf zwei oder gar nur einen Wert reduzieren lassen. Mit anderen Worten, mit ihm muss sich sowohl Strukturbildung und Rückfall in die Strukturlosigkeit im Rahmen einer dreiwertigen Form beschreiben lassen. Ein solcher Begriff steht mit Gregory Batesons Definition der Information zur Verfügung: „Informationen bestehen aus Unterschieden, die einen Unterschied machen.“ (1982, S. 123, Hervorhebung im Original)

Unterschiede sind nach Bateson „Beziehungen und daher nicht in der Zeit oder im Raum lokalisiert“ (1982, S. 122). Er macht dies am Beispiel eines weißen Punkts auf einer Tafel deutlich. Weder der Punkt noch die Tafel machen den Unterschied, sondern die Beziehung zwischen beiden. Hier trifft man wieder auf das Gesetz des Nennens. Wird die Aufmerksamkeit auf den Punkt fixiert, gibt es nur den Punkt. Wird die Aufmerksamkeit auf die Tafel fixiert, gibt es nur die Tafel. Beim Oszillieren zwischen Punkt und Tafel fällt man wieder in die Unbestimmtheit zurück, denn Punkt und Tafel erweisen sich in der Unterscheidung als Eins. Diese Einheit ist die Beziehung, die zwischen den beiden Werten besteht, und sie lässt sich weder zeitlich noch räumlich fixieren. Es handelt sich dabei um ein rein geistiges Phänomen. Und nur mit Hilfe dieser Beziehung gewinnen beide Seiten ihren Informationswert. Das hatte bereits William James gesehen und sprach von dieser Beziehung im Sinne eines Kontextes in den ein bestimmter Inhalt gesetzt werden muss damit eine Erfahrung als bewusst gelten kann (vgl. 2006b, S. 77) [9]. Bewusstseinsinhalte sind demnach niemals kontextfrei gegeben. Reine Erfahrung als Bewusstsein von etwas ohne etwas anderes (vgl. James 2006a, S. 47)  ist zwar hypothetisch denkbar, aber praktisch nur sehr schwer zu realisieren.

Wie immer man sich dann das psychische Erleben vorstellen muss, entsteht daraus die Notwendigkeit für die Teilnahme an Kommunikation, die Komplexität des psychischen Erlebens zu reduzieren und zu sequenzieren. Die geäußerten Bezeichnungen geben der psychischen Aufmerksamkeit anderer Kommunikationspartner eine aus Sprache oder Schrift geformte Bahn vor, in der es gleiten kann. So ist Kommunikation operativ gesehen zwar kontextfrei, was allerdings nicht heißt, dass dieser bei Kommunikationsproblemen nicht auch kommuniziert werden kann. Hinzu kommt außerdem, dass psychische Systeme wesentlich mehr Informationen prozessieren können als soziale Systeme. Das zum Kommunikationsprozess parallel laufende psychische Geschehen ist also viel komplexer, so dass davon ausgegangen werden kann, dass psychische Systeme in der Lage sind nebenbei auch zu reflektieren und zu erinnern, wie die aktuelle Situation zu deuten ist. Kontexte in Form von Unterscheidungen sind damit zunächst nur dem Bewusstsein gegeben. Nichts desto trotz kann zur Unterstützung des sozialen und psychischen Gedächtnisses die materielle Umwelt so gestaltet werden, das eine soziale Situation durch bestimmte Markierungen gerahmt wird [10].


VI.

Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten, dass zwei Bezeichnungen, wie ideosynkratisch auch immer kombiniert, eine Beziehung bilden, die nicht auf den imaginären Wert einer der beiden Bezeichnungen reduziert werden kann. Diese Beziehung kann man auch als Kontext oder Rahmen bezeichnen. Diese Beziehung wird hier als Unterscheidung bezeichnet und ist der dritte imaginäre Wert. Diese Beziehung bildet zugleich die Voraussetzung für Informationsgewinne, denn nur durch eine Unterscheidung machen Unterschiede einen Unterschied. Wenn nicht klar ist, welche Unterscheidung mit im Spiel ist, ist kein Informationsgewinn möglich. Damit ist die Darstellung wieder bei der dreiwertigen Form angekommen. Der Vorteil dieser Darstellungsform liegt darin, dass sich alle für eine soziologische Informationstheorie notwendigen Begriffe auf diese dreiwertige Form projizieren und in ihr darstellen lassen. Dies soll im Folgenden geschehen:

Wenn eine Information ein Unterschied ist, der einen Unterscheid macht, dann ist ein Unterschied, der keinen Unterschied macht, keine Information. Information ist damit die Einheit der Unterscheidung von Information und Nicht-Information.

Diese Definition lässt sich auf die Unterscheidung von Paradoxie und Tautologie übertragen. Definitionen können paradox oder tautologisch erfolgen. Unter einer Definition wird hier die begriffliche Spezifizierung eines Begriffs bzw. einer Bezeichnung verstanden. Eine tautologische Definition hat die Form: etwas ist, was es ist. Eine paradoxe Definition hat die Form: etwas ist nicht, was es ist. Eine Tautologie ist damit ein Unterschied, der keinen Unterschied macht; eine Paradoxie ein Unterschied, der einen Unterschied macht. Eine tautologische Definition liefert damit keine Information (vgl. Luhmann 1987, S. 170). Eine paradoxe Definition liefert dagegen unendlich viele Informationen.

Warum ist das so? Alles und Nichts bilden ebenfalls zwei Seiten einer Unterscheidung. Aus der Unterscheidung heraus beobachtet, sind beide Seiten in der Form identisch, denn sie sind formlos (vgl. Spencer-Brown 1997, S. IX). Diese Erkenntnis wird hier dazu benutzt, um dieser Unterscheidung eine Funktion im Rahmen der hier zu entfaltenden Informationstheorie zu geben. Wenn beide Seiten in der Form identisch sind, bekommen beide die Funktion eines All-Quantors und einer Negation. Damit werden sie zur Markierungen von Leerstellen verwendet.

Alles und Nichts können auch als eine Form von Komplexität beobachtet werden. Komplexität bezeichnet den Sachverhalt, wenn in einer endlichen Menge von Elementen nicht mehr jedes Element mit jedem kombiniert werden kann (vgl. Luhmann 2005c, S. 60ff.). Das Gegenteil von Komplexität ist daher der Fall, wenn in einer endlichen Menge von Elementen jedes Element mit jedem anderen Element kombiniert werden kann. Beide Fälle können bereits in der dreiwertigen Form abgebildet werden. Komplex ist die Form, wenn die beiden imaginären Werte der Bezeichnungen getrennt gehalten werden. Dann kann die Unterscheidung ihre informationsgenerierende Funktion erfüllen. Das funktioniert aber nur solange nicht versucht wird, die Form aus der Form heraus zu beobachten. Dann bricht die Unterscheidung zusammen, denn nun können die beiden imaginären Werte der Bezeichnungen nicht mehr auseinander gehalten werden. Sie sind also eins. Alle Elemente der Form sind damit eins und bilden einen Fall von Einfachheit. Damit liefert die Unterscheidung keine Informationen mehr. Alles ist wieder nichts. Die dreiwertige Form bricht zusammen. Alles und Nichts können also als Formen von Einfachheit beobachtet werden und sind damit eine Seite einer Unterscheidung, dessen andere als Komplexität bezeichnet wird.

Komplexität macht auch die Möglichkeit anderer Kombinationen sichtbar und lassen die Kombinationen untereinander als kontingent erscheinen. Kontingenz ist ein weiterer Begriff, der im Rahmen der dreiwertigen Form dargestellt werden kann. Kontingenz bezeichnet den Sachverhalt, wenn etwas nicht notwendig so realisiert werden musste, wie es realisiert wurde. Damit hätte es auch anders realisiert werden können. Wenn die Unterscheidung ihre informationsgenerierende Funktion erfüllen soll, müssen beide Seiten der Unterscheidung, also die Bezeichnungen, bekannt sein. Damit liefert die Unterscheidung einen Hinweis darauf, dass auch anders hätte beobachtet werden könnte. Dasselbe hätte also mit beiden Seiten einer Unterscheidung bezeichnet werden können. Es bestand keine Notwendigkeit so zu beobachten. Auch damit bricht die dreiwertige Form wieder zusammen. Die Unterscheidung ist allerdings notwendig um die Kontingenz ihrer eigenen Bezeichnungsmöglichkeiten zu sehen.

Mit den Unterscheidungen Information/Nicht-Information, Paradoxie/Tautologie, Alles/Nichts, Komplexität/Einfachheit und Kontingenz/Notwendigkeit steht nun ein Satz an Reflexionshilfen zur Verfügung um die Paradoxie der Form zu beobachten. Mit ihnen zeigt sich noch einmal der fundamentale Doppelstatus der Form der Unterscheidung. Sie kann immer mit beiden Seiten dieser Unterscheidungen beobachtet werden. Das Problem liegt darin, dass Paradoxien und Tautologien als Identitätsprobleme selbstreferentieller Systeme nicht eliminiert werden können (vgl. Luhmann 1987, S. 163). Wenn Paradoxien zugleich eine Form reiner Selbstreferenz darstellen (vgl. Luhmann 1993, S. 247), dann ist die dreiwertige Form die minimalste Form eines selbstreferentiellen Systems, wenn sie mit Werten aufgefüllt wird. In dieser Form ist das System aber konstitutiv instabil. Es ermöglicht als Beobachtung der Umwelt Strukturaufbau in Form von Informationsgewinnen und als Selbstbeobachtung Strukturabbau. Ersteres ist der Fall, wenn beide Seiten der Unterscheidung getrennt gehalten werden. Letzteres ist der Fall, wenn eine Unterscheidung auf sich selbst angewendet wird. Dann ist es nicht mehr möglich durch eine Unterscheidung Informationen zu gewinnen. Das System löst sich auf. Die basale Instabilität der Form ist Voraussetzung für Informationsgewinnung, aber nur bei einem minimalen Grad an Komplexität und Kontingenz zeitweise möglich.


VII.

Den Fall der Selbstbeobachtung der Unterscheidung bezeichnet Spencer-Brown als Wiedereintritt (re-entry) der Form in Form (vgl. 1997, S. 61ff.). Eine Unterscheidung kann mit sich selbst nur paradox bezeichnet werden. Man wird durch das Gesetz des Nennens eingeholt. Die Unterscheidung tritt auf einer der beiden Seiten ihrer selbst wieder ein und blockiert auf diese Weise das weitere Beobachten. Auf die Unterscheidung von Unterscheidung und Bezeichnung angewendet kann das entweder paradox ausgedrückt werden: Die Unterscheidung ist die Bezeichnung; oder tautologisch: Die Unterscheidung ist die Unterscheidung. Selbstbeobachtung bzw. Reflektion führt damit zur Selbstblockade. Bedeutet das nun, dass jeder Versuch ein System in sich selbst zu reflektieren zur Selbstauflösung führt? Das Risiko der Selbstauflösung ist zwar mit jeder Selbstbeobachtung einer Form mit sich selbst gegeben. Man steht wieder am Null-Punkt, man sieht entweder Alles oder Nichts. Und es wurde inzwischen gezeigt, dass beide Alternativen eine Beobachtung überfordern, weil das System entweder keine Informationen erhält oder unendliche Informationslasten zu bewältigen hat. Also alles wieder auf Anfang. Vor dem Problem steht auch die hier zu entwickelnde Informationstheorie. Der einzige Weg sich von dieser selbsterzeugten Unbestimmtheit zu befreien, besteht darin wieder Spencer-Browns Anweisung zu folgen: Triff eine Unterscheidung! - wie ideosynkratisch auch immer das geschehen mag. Für den Fall der Form der Unterscheidung heißt das, die Tautologie „die Unterscheidung ist die Unterscheidung“ als erstes in eine Paradoxie zur überführen: „die Unterscheidung ist nicht die Unterscheidung“. Wenn die beiden Alternativen Unterscheidung und Bezeichnung als mögliche Lösungen ausfallen, dann muss eine andere Bezeichnung her. Um trotzdem weiter beobachten zu können, hat Luhmann an diese Leerstelle die Bezeichnung „Beobachtung“ gesetzt.

Doch der Weg aus der Form ist der Weg in die Form. Man hat nun für die Form der Unterscheidung zwei Bezeichnungen, die nichts Unterscheiden – also wieder eine Tautologie. Es muss also die andere Seite der Bezeichnung „Beobachtung“ gefunden werden. Weiter oben wurde bereits die Unterscheidung von Beobachtung und Operation vorgestellt. Wenn beobachtbare Operationen eines Systems Bezeichnungen sind und zwei Bezeichnungen einer Unterscheidung einen Unterschied machen, der einen Unterschied macht – also eine Information -, dann lässt sich nun im Rahmen der dreiwertigen Form Informationsgewinnung als sachliche, zeitliche und soziale Entfaltung der Paradoxie der Form beobachten.

Um dies tun zu können, benötigt man ein flexiblen Begriffsapparat, der zum einen eine differenzierte Beobachtung erlaubt, aber zum anderen auch sehr viele Redundanzen zulässt, um nicht ständig auf die Selbstreferenz einer Unterscheidung auf zu laufen. Anders ausgedrückt, man benötigt Regeln für das Gleiten in der Form. Diese wurden implizit bereits eingeführt. Der erste Regel lautet: Triff eine Unterscheidung! Sowohl das Beobachten in der Form als auch das Beobachten der Form mit der Form kann zur Selbstauflösung der Form führen, weil die Aufmerksamkeit still gestellt wird. Die Beobachtung wird also an irgendeinem Zeitpunkt keine Informationen oder unendlich viele Informationen liefern. Um diese Überforderung oder Selbstverunsicherung - man könnte auch Stress sagen [11] - aufzulösen, muss wieder eine Unterscheidung getroffen werden, um weiter machen zu können. Das heißt, von einer Form in eine andere zu wechseln. Und das Spiel beginnt von neuem. Für das Gleiten in der Form bekommt das Schema Alles/Nichts also eine Signalfunktion. Sobald die Beobachtung keine Informationen oder unendlich viele Informationen liefert, wird eine Leerstelle markiert. Dies ist zugleich das Signal eine andere Unterscheidung zu treffen. Deswegen lautet die zweite Regel: Wird die Beobachtung durch Fixierung oder Reflektion blockiert, triff eine andere Unterscheidung!

Um die Beobachtung der Form in der Form zu halten, bekommt das Schema Alles/Nichts die Funktion der Negation der Negation. Mit anderen Worten, es werden keine Leerstellen zugelassen. Alles muss positiv bestimmt werden. Alles und Nichts bleiben Möglichkeiten, die aber anders realisiert werden müssen, damit die Beobachtung nicht blockiert wird. Die Methode über bloße Negationen zu beobachten hat zwar für Generalisierungen ihre Berechtigung (vgl. Luhmann 2005a, S. 43f.) und für die Theologie mag diese Beobachtungsmethode funktional sein, da sie erlaubt Gott indirekt über den Umweg der Negation zu beobachten ohne sich ein Bild von ihm machen zu können. Für wissenschaftliche Methoden kann diese Form der Informationsgewinnung allerdings nicht akzeptiert werde. Die Generalisierungsleistungen der Negation führen lediglich zu paradoxen oder tautologischen Abschlussformeln, die jedoch keine Spezifizierung der so bezeichneten Sachverhalte mehr erlauben. Sie markieren lediglich Problemstellen, sind aber keine angemessenen Darstellungen der Probleme, denn dazu müsste man die angesetzte Unterscheidung wechseln und anders neu ansetzen. Wenn man beim Gleiten in der Form auf Negationen setzt, besteht somit das Risiko bei entsprechend hoher Generalisierung die Beobachtung auf die Selbstreferenz der jeweils in Anwendung befindlichen Unterscheidung zu fixieren. Es wird zu viel Redundanz erzeugt. Die Beobachtung wird in einem dead end gestoppt. Der religiöse Ausweg heißt Mystik.

Wenn hier stattdessen eine positive Bestimmung durch Bezeichnung vorgeschlagen wird, dann heißt das Spezifizierung durch Differenzierung. Das kommt einer Kehrtwende um 180 Grad gleich. Differenzierung bedeutet Systembildung in Systemen. Für die Form der Unterscheidung heißt das, die Bezeichnungen einer Unterscheidung müssen selbst Unterscheidungen werden. Die Bezeichnungen müssen, mit anderen Worten, in zwei Seiten gespalten werden. Doch auch in der Spezifizierung liegt ein nicht unbeträchtliches Risiko, was im Alltag mit der Formulierung „Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr“ ausgedrückt wird. Informationstheoretisch bedeutet das, mit der Differenzierung einer Bezeichnung kann zwar der Informationsgehalt der Bezeichnung erhöht werden, womit der imaginäre Wert der Bezeichnung spezifiziert wird. Eine vollständige sinnhafte Bestimmung ist jedoch unmöglich. Man kann versuchen, ein Element in Elemente zu zerlegen und wiederum diese Elemente in Elemente. Der Weg eine Einheit in Teile zu zerlegen um auf die Teile diese Methode wieder anzuwenden, führt in einen unendlichen Regress. In der Quantenphysik ist dieses Problem als Heisenbergsche Unschärferelation bekannt. Je näher man dem beobachteten Gegenstand kommt, desto unklarer stellt er sich dar. Michel Serres drückt dieses Problem folgendermaßen aus: „Der Bericht treibt vor sich her, was er erzählt“ (1987, S. 367). Man produziert immer mehr Komplexität und zugleich zu viel Varietät ohne jedoch diese Komplexität zu reduzieren bzw. eine Selektion vorzunehmen. Die Informationslasten sind mit der Zeit kaum noch zu bewältigen und tendieren in Richtung Alles. Auch an diesem Punkt muss eine Unterscheidung getroffen werden, was nun heißt mit der Differenzierung zu stoppen und auf Reflektion umzustellen. Mit anderen Worten, um 180 Grad drehen und wieder zum Generalisieren ansetzen, was bedeutet die Einheit im Verschiedenen zu finden. Das funktioniert über das Ausschlussprinzip, also durch Negation.

Bei der Reflektion kommt es zum Wiedereintritt der Form in die Form und man muss die wieder eingetretene Unterscheidung anders bezeichnen. Die formale dreiwertige Struktur der Unterscheidung ist immer in Anwendung. Ihrer operativen Selbstreferenz bzw. ihrer Funktionsweise kann man nicht entkommen, egal ob man naiv oder reflektiert beobachtet. Allerdings bietet die Reflektion die Möglichkeit einer operativen Schließung der Unterscheidung zu einem autopoietischen, selbstreferentiellen System. Denn Reflexion ist das Zulassen von Selbstbezüglichkeit und nur diese Rekursion auf sich selbst bietet die Möglichkeit – aber keine Sicherheit! – kreativer Paradoxieentfaltungen. Die Tautologie muss paradoxiert werden und die Paradoxie muss in endliche Informationslasten umgewandelt werden indem die Markierungen Alles oder Nichts in die Form „etwas Bestimmtes/etwas anderes Bestimmtes“ überführt werden. Das ständige Auflaufen auf über- oder unterbestimmte Stellen treibt die Systemdifferenzierung voran und es entsteht Eigenkomplexität in Form eines rekursiven Netzwerks von Unterscheidungen [12]. Das ermöglicht es nicht nur in einer Form zu oszillieren, sondern in einem rekursiven Netzwerk von Formen. Durch das wiederholte Oszillieren in einzelnen Unterscheidungen werden variierende und redundante Informationen zugleich erzeugt. Auf diese Weise entsteht ein immer größeres Informationsvolumen, was zum Aufbau von systemintern erzeugter Komplexität führt, die selbst wiederum reduziert werden muss damit stabile Identitäten oder Eigenwerte des Systems entstehen können. Das kann gemäß den Regeln nur durch eine Unterscheidung und eine Bezeichnung geschehen. Erst die Reflektion bietet die Möglichkeit komplexere und damit auch stabilere, wiedererkennbare Eigenwerte zu bilden. Unreflektiert schwankt eine Form als System immer zwischen Allopoesie und Autopoesie (vgl. Luhmann 2005c, S. 63ff.). Erst bei der Umstellung auf Beobachtungen 2. Ordnung kann es zu einer operativen Schließung kommen und damit zur Einschränkung der Kombinierbarkeit der Systemelemente. Ohne Reflektion kommt es demnach nicht zu einer rekursiv geschlossenen, autopoietischen Reproduktionsweise.

Durch das Oszillieren in einem rekursiven Netzwerk von Unterscheidungen zum Erzeugen von Identitäten oder Eigenwerten des Systems müssen diese Identitäten geprüft werden. Diese Prüfung erfolgt durch wiederholtes Kondensieren und Konfirmieren dieser Eigenwerte (vgl. Spencer-Brown, S. 9ff., Luhmann 1992, S. 108). Kondensieren bedeutet in diesem Zusammenhang eine generalisierende Reduktion und Konfirmieren eine Art spezifizierendes Operationalisieren. Durch die Fähigkeit zu letzterem erhält ein System seine informationelle Offenheit für die Umwelt. Jeder Sachverhalt, jede Idee oder jedes Konzept benötigt bestimmte Indikatoren mit denen einem Sachverhalt auch eine empirische Entsprechung zugeordnet werden kann. Diese Indikatoren machen ein System irritierbar und ermöglichen dadurch gegebenenfalls die Änderung des Konzepts oder einer Theorie über einen Sachverhalt. Mit anderen Worten, ein System benötigt Sensoren um Feedback erhalten zu können. Für beobachtende Systeme bestehen diese Sensoren aus Unterscheidungen.

Im Rahmen des Gleitens in der Form gestaltet sich das Konfirmieren dann als Bestätigung bestimmter Sachverhalte anhand der Indikatoren, was sowohl redundante als auch variierende Informationen erzeugt. Kondensieren vollzieht sich im Gegensatz dazu als eine Operation, die aus den redundanten Informationen einen konsistenten, wiedererkennbaren Sachverhalt extrahiert. Anders ausgedrückt, geht es beim Kondensieren um Mustererkennung. Das Ergebnis ist schließlich die Formulierung eines Konzepts oder einer Theorie über einen bestimmten Sachverhalt, der aus den katalysierten Informationen hervorgeht. Ein Konzept oder eine Theorie kann man dann als generalisierende Beschreibung bezeichnen, welche das Resultat der Beobachtungsleistung eines Netzwerks von Unterscheidungen und nicht der Leistung einer Unterscheidung allein ist. Diese kann aber nochmals durch eine Unterscheidung auf eine Bezeichnung reduziert werden. Jeder Bezeichnung kann damit eine Beschreibung zugeordnet werden. Generalisierungen und Spezifizierungen werden damit zu einem mehrstufigen Verfahren, dass auf jeder Stufe über das Kondensieren und Konfirmieren von Konzepten über Sachverhalte zu einer Verschachtelung von Bezeichnungen und Beschreibungen führen. Die Verschachtelung bietet für einen soziologischen Beobachter den Ansatzpunkt, um sich in ein System von Unterscheidungskombinationen einzuspiegeln und die systemintern konstruierten Feedbackschleifen nachvollziehen zu können. Jede Beschreibung kann in ihre Bezeichnungen zerlegt werden. Bezeichnungen verweisen auf andere Bezeichnung und ergeben damit eine Unterscheidung. Durch die jeweilige Verknüpfung von Bezeichnungen zu Unterscheidungen können Beschreibungen daraufhin analysiert werden, welche Unterscheidungen im Spiel waren, um notwendig zu einer bestimmten Beschreibung zu kommen und zu keiner anderen.

Grundsätzlich kann das Kondensieren und Konfirmieren beliebig angesetzt werden. Das Oszillieren tendiert zunächst nur zur Differenzierung des Systems. Das kann ausreichen um einen Grad an Eigenkomplexität aufzubauen, der eine relativ reibungslose Informationsgewinnung ermöglicht. Ohne Reflexion neigen solche Systeme aber zur Überspezifizierung. Das bedeutet, das System versucht seine interne Komplexität durch immer genauere Beschreibung seiner Umwelt zu ordnen und dem Grad der systemexternen Komplexität anzugleichen. Es wird jedoch niemals gelingen die Komplexität der Umwelt eins zu eins in das System zu spiegeln. Diesem Problem kann man entgehen, wenn man nicht nur versucht zu Konfirmieren sondern auch zu Kondensieren. Dazu ist es notwendig, dass sich das System selbst kontingent setzt. D. h. das System muss zur Selbstreflexion übergehen, den Wiedereintritt der Form in die Form aushalten und eine Unterscheidung treffen, um sich selbst von anderen Systemen zu unterscheiden. Erst diese Beobachtung 2. Ordnung eröffnet die Möglichkeit zum Lernen. Die Unterscheidung einer Unterscheidung von anderen Unterscheidungen kann man als einen Kontextsprung im Sinne von Bateson betrachten. Unter Kontextsprüngen versteht er das Erkennen eines übergeordneten allgemeinen Musters (vgl. Bateson 1985, S 360f.). Jedes kommunikativ erzeugte Muster wird durch eine Unterscheidung hervorgerufen. Sie ist die Konstante in den verschiedenen Erscheinungen. Je höher die Komplexität eines Systems ist, desto schwerer ist es dessen Einheit zu identifizieren, weil man es unter Umständen bereits mit Kontexten in Kontexten in Kontexten usw. zu tun hat. Deswegen ist Lernen als Kontextsprung nur durch Versuch und Irrtum möglich und daher psychologisch oft auch mit Enttäuschungen, Frustration und Stress verbunden.


VIII.

Weiter oben wurde die Bezeichnung mit dem Zeichen als Einheit der Unterscheidung von Bezeichnendem und Bezeichnetem gleichgesetzt. Das Bezeichnete bleibt operativ unerreichbare Umwelt der Form. Die Funktion der Bezeichnung ist es die psychische Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes zu richten und eine Vorstellung des Bezeichneten hervorzurufen. Für soziale Systeme bleibt auch die psychische Vorstellung des Bezeichneten operativ unerreichbar. Die Beobachtung wird also wieder auf die Beobachtung sozialer Systeme gelenkt, denn auch die Vorstellung von Etwas muss durch unterscheidendes Bezeichnen geäußert werden. Im Rahmen der Form kann sowohl das Bezeichnete als auch die Vorstellung des Bezeichneten also nur durch Beobachtung spezifiziert werden. Das lenkt die Aufmerksamkeit darauf, wie ein imaginärer Wert durch unterscheidendes Bezeichnen konstruiert wird. Dieser Sachverhalt wird genutzt um die vorgestellte Informationstheorie selbst operativ zu schließen. Das erfolgt mit Hilfe der Unterscheidung von Bezeichnung und Beschreibung. Die Paradoxie der Bezeichnung als Einheit von Bezeichnendem und Bezeichnetem wird als Unterscheidung von Bezeichnung und Beschreibung entfaltet. Der Wiedereintritt der Form in die Form bietet damit die Chance zur Bildung eines Systems zur Beobachtung von Beobachtungen. In diesem Fall trat die Unterscheidung von Bezeichnendem und Bezeichnetem auf der Seite des Bezeichnendem wieder ein, denn das Bezeichnete bleibt operativ unerreichbar. Deswegen muss das Bezeichnete als Beschreibung auf der Seite der Bezeichnung operationalisiert werden. 

Die soziologische Beobachtung kann sich zusätzlich noch an den drei Sinndimensionen als Orientierungslinien halten. Was allerdings nicht heißt, dass man sie nicht auch im Alltag anwenden darf. Historisch ist dies jedoch nicht immer der Fall gewesen. Deswegen kann nicht vorausgesetzt werden, dass immer in diesen drei Sinndimensionen beobachtet wird. Informationstheoretisch lassen sie sich folgendermaßen operationalisieren. In der Zeitdimension muss danach gefragt werden, wann mit welchen Unterscheidungen beobachtet wird. In der Sachdimension muss gefragt werden, was mit welchen Unterscheidungen beobachtet wird. Und in der Sozialdimension muss schließlich gefragt werden, wer mit welchen Unterscheidungen beobachtet. Damit sind die Leerstellen bzw. die Unbestimmtheiten der soziologischen Informationstheorie bezeichnet. Durch diese Unbestimmtheiten gewinnt sie ihre informationelle Offenheit für die Umwelt, denn hier müssen die entsprechenden Beobachtungen der beobachteten Systeme eingesetzt werden. Da nur Bezeichnungen und Beschreibungen beobachtet werden können, müssen die bekannten Beschreibungen in ihre Bezeichnungen und die bekannten Bezeichnungen in die noch unbekannten Unterscheidungen zerlegt werden. Auf diese Weise werden, mit anderen Worten, die Referenzen identifiziert. In der Zeitdimension wird damit die Aufmerksamkeit auf die Beobachtung der Selbstreferenz sozialer Systeme gelenkt. In der Sozialdimension wird die Aufmerksamkeit auf die Selbstreferenz psychischer Systeme konzentriert. In der Sachdimension wird schließlich beobachtet, wie durch soziale oder psychische Systeme fremdreferenziert wird. Vereinfacht ausgedrückt, geht es darum zu beobachten, wie soziale oder psychische Systeme die Grenze zwischen System und Umwelt ziehen und sich selbst und ihre Umwelt systemintern konstruieren. Den Ausgangspunkt bildet die Sachdimension und man beginnt mit der Unterscheidung von Bezeichnung und Beschreibung.
 
Über die Bezeichnungen kann man sich in verschiedene Beschreibungen einspiegeln. Mithilfe der Unterscheidungen von Alles/Nichts, Kondensieren/Konfirmieren und Generalisierung/Spezifizierung lassen sich die sachliche, zeitliche und soziale Entfaltung eines Sachverhalts nachvollziehen. Am Ende lassen sich die verschiedenen Unterscheidungen identifizieren, die in Anwendung waren, um eine bestimmte Beschreibung bzw. den imaginären Wert zu konstruieren. Auf diese Weise lassen sich, anders ausgedrückt, die Fremdreferenzen (Vorstellung vom Bezeichneten) als die Selbstreferenzen (bezeichnenden Unterscheidungen) sozialer Systeme im Rahmen einer soziologischen Informationstheorie rekonstruieren. 

Das gilt nicht nur für die beobachteten Systeme, sondern auch für die beobachtenden Systeme. Mit Hilfe der Unterscheidung von Bezeichnung und Beschreibung kann die Bildung von systeminternen Eigenwerten in Form ihrer eigenen Beobachtungsergebnisse reflektiert werden. Die vorgestellten Unterscheidungen liefern damit ein Instrumentarium um beim Gleiten in der Form mit unbestimmten Leerstellen umgehen zu können. Sie liefern aber keine Garantie für richtigen Formgebrauch. Sie ermöglichen nur die Erkennung von bestimmten Unterscheidungskombinationen, die ein bestimmtes Muster hervorrufen. Zugleich können auf diese Weise auch pathologische Unterscheidungskombinationen identifiziert und Lösungen aufgezeigt werden. Da sich letzteres bereits bei Psychotherapien als äußerst schwierige Angelegenheit erweist, ist kaum zu erwarten, dass sich dies soziologisch einfacher gestalten wird. Man sollte eher vom Gegenteil ausgehen.

Ein Ziel der informationstheoretisch geleiteten Beobachtung ist es also die beobachtungsleitenden Unterscheidungen zu identifizieren. Im Zuge dessen lassen sich dann mögliche Probleme bei der Informationsverarbeitung finden, die zu charakteristischen Kommunikationsmustern führen. Weiter oben wurde beschrieben, dass erst der Wiedereintritt der Form in die Form, also die Selbstreflektion, zu einer operativen Schließung und zur selbstrefentiellen Operationsweise führt. Die Anwendung der Selbstreferenz auf sich selbst wird zur unabdingbaren Voraussetzung für eine selbstreferentielle, autopoietische Operationsweise. Die Selbstreferenz eines Systems ist aber nicht frei wählbar. Die Einheit der Unterscheidung ist die Selbstreferenz der Unterscheidung. Die Selbstreferenz legt damit das Innen und das Außen, also das beobachtende System, fest. Wiedereintrittsfähig ist nur die Selbstreferenz – die Innenseite – des Systems. Nichts desto trotz ist es möglich im Rahmen der Form einen scheinbaren Wiedereintritt auf der Außenseite einer Unterscheidung zu vollführen. Es kommt, mit anderen Worten, zu einer Verwechslung von Innen und Außen bzw. System und Umwelt. Dieses Problem ist unter dem Begriff double bind bekannt (vgl. Bateson 1985). Mit Hilfe einer informationstheoretischen Analyse von Kommunikationssequenzen lassen sich dann nicht nur die in Anwendung befindlichen Unterscheidungen identifizieren, sondern auch ob möglicherweise ein double bind in einer oder mehreren beobachtungsleitenden Unterscheidungen vorliegt.

So machen die vorgestellten Unterscheidungskombinationen das Gleiten in der Form nur stressfreier. Sie führt aber nicht zu absoluten Wahrheiten. Vielmehr besitzt jede Form ihre eigene Wahrheit bzw. Realität. Diesen Ratschlag sollte man unbedingt beherzigen, wenn man sich in das unendliche Labyrinth der Unterscheidungsnetzwerke begibt. Wer nicht in der Lage ist, sich auf die imaginären Werte der Bezeichnungen einzulassen und in ihrer Realität anzuerkennen, wird weder sich noch andere verstehen können. Man sollte aber auch genug Distanzierungsfähigkeit besitzen, die beobachteten Beobachtungen nicht einfach unkritisch zu übernehmen. Da man aber nicht die Möglichkeit hat sich voluntaristisch in das Labyrinth zu begeben oder nicht, sondern man immer schon darin operiert und auch nicht herauskommt, ist das einzige, was auf dem Spiel steht, die mehr oder weniger erfolgreiche Teilnahme an Kommunikation mit entsprechenden emotionalen Gratifikationen. Für soziale Systeme steht auf der anderen Seite auf dem Spiel, wie effektiv oder ineffektiv sie Kommunikationserfolge ermöglichen und Anreize für Menschen bieten sich weiterhin an einer bestimmten Kommunikationsform zu beteiligen. Soziale Systeme müssen, mit anderen Worten, Menschen für die Teilnahme an Kommunikation Möglichkeiten bieten in den flow (vgl. Csikszentmihaly 2010) zu kommen [13].


IX.

Als Letztes muss schließlich die Frage geklärt werden, wie sich Informationen von Sinn unterscheiden? Auffällig ist, dass die Projektion des Informationsbegriffs in die dreiwertige Form dem Sinnbegriff (vgl. Luhmann 1984, S. 92 – 147) sehr ähnlich ist. Die basale Instabilität, Selbstreferentialität, Komplexität und Kontingenz sind alles Probleme mit denen das Medium Sinn ebenso wie die dreiwertige Form jeder Unterscheidung als Medium für Informationsgewinnung behaftet ist. Die Lösung ist in beiden Fällen Formenbildung. Der Informationsbegriff scheint also mit dem Sinnbegriff zu konvergieren. Der Unterschied ist daher auch nur ein kleiner aber feiner und wichtiger Unterschied. Der Informationsbegriff wurde im Rahmen der Informations-/Beobachtungstheorie operativ bestimmt. Informationen sind Ereignisse. Ereignisse realisieren sich aber nur in Form von Bezeichnungen und konzentrieren somit die Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes. Als Information verweisen sie bereits auf etwas Abwesendes, eben die Unterscheidung in der die Bezeichnung getroffen wurde. Ein weiterer wichtiger Aspekt von Informationen ist ihr Neuigkeitswert. Eine Information ist nur eine Information, wenn sie neu ist. Gemäß Spencer-Browns Gesetz des Nennens ist der imaginäre Wert einer Bezeichnung bei wiederholter Bezeichnung wieder nur der imaginäre Wert der ersten Bezeichnung. Sie unterscheiden sich nicht voneinander. Sie sind redundant und haben damit keinen Informationswert mehr (vgl. Luhmann 1984, S. 102). Genau hier liegt der Unterschied zwischen Information und Sinn. Informationen sind unbekannt und damit neu. Sinn dagegen ist eine bekannte Information also eine bereits wiederholte Bezeichnung. Informationen sind dann nur aus der Differenz zwischen ihrer Aktualität und den potentiell anderen Unterscheidungsmöglichkeiten als solche erkennbar. Dieser Vergleich zwischen aktueller Bezeichnung und potentiell möglichen Bezeichnungen ist aber nur möglich, wenn die anderen, potentiell möglichen Bezeichnungen bekannt sind. Mithin erweist sich die aktuell realisierte Bezeichnung nur im Lichte kontingenter Möglichkeiten als neu und damit als Information. Das bedeutet umgekehrt ohne Bekanntes, ohne Sinn keine Information.

Unbekanntes ist nur im Vergleich zu Bekanntem erkennbar. Sinn ist damit der Kontext in dem sich eine Information als solche erweist. Informationstheoretisch heißt das, es gibt weder vollständig unbekannte Formen noch vollständig bekannten Sinn. Informationsverarbeitung ist nur mit einem gewissen Maß an Redundanz und Varietät möglich. Bei vollständig bekanntem Sinn würde ein System in einen entropischen Zustand zurückfallen. Bei vollständig unbekannten Formen könnte sich aufgrund der Unterschiedlosigkeit kein System bilden. Genau aus diesem Sachverhalt leitet sich daher die Notwendigkeit eine Unterscheidung zu treffen ab, wenn es nicht mehr weitergeht. An diesem Sachverhalt wird zugleich die Aussichtslosigkeit kritischer und dekonstruktivistischer Ansätze deutlich, systeminterne Widersprüche oder die Widersprüchlichkeit bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungsprinzipen aufzuzeigen, die zum vermeintlichen Niedergang der Gesellschaft führen. Diese Widersprüche sind vielmehr Gründe trotzdem weiter zu machen. Aufzuhören und neu anzufangen ist keine Lösung, denn auch diese Versuche werden irgendwann von ihren immanenten Widersprüchen eingeholt. Der eigenen Selbstreferenz kann man nicht entkommen, denn Tautologien und Paradoxien können als Identitätsprobleme nicht eliminiert werden. Man muss also lernen mit Selbstreferentialität umzugehen. Die Frage nach pathologischen Kommunikationsformen hat sich damit aber nicht erledigt, denn Systeme können trotzdem real an ihren inneren Widersprüchen zugrunde gehen. Die Beobachtung treibt die Paradoxie immer vor sich her und wird zugleich ständig von ihr verfolgt (vgl. Luhmann 1993, S. 248). Wenn man die treibende Kraft der Paradoxie anerkennt, stellt sich das Problem der Korruption durch innere Widersprüche als Unterscheidung von re-entry und double bind neu. Der double bind kann tatsächlich zur Systemauflösung führen, denn man kann nicht dauerhaft operieren, wenn man die eigene Selbstreferentialität ignoriert. Der Versuch es trotzdem zu tun, hinterlässt charakteristische Spuren, welche sich mit der vorgestellten soziologischen Informationstheorie analysieren lassen.

Für eine soziologische Beobachtung wäre Sinn aber nur eine mögliche Analysedimension. Bereits Luhmann hat die Unterscheidung der drei Sinndimensionen – sachlich, sozial und zeitlich – eingeführt (vgl. 1984, S. 112ff.). Weiter oben wurde gezeigt, dass auch die Form idealerweise in die drei Sinndimensionen entparadoxiert werden sollte um ihr volles Informationspotential zu entfalten. Obwohl es empirisch durchaus möglich ist, dass eine der drei Dimensionen ein blinder Fleck bleibt, kann eine soziologische Beobachtung keine der drei vernachlässigen, denn sonst könnte sie eben solche Fälle nicht erkennen. Wichtig ist, zu beachten, dass an dieser Stelle der zweite Fall eines Wiedereintritts der Form in die Form im Rahmen dieser Informationstheorie auftritt [14]. Die drei Sinndimensionen werden auf Sinn selbst angewendet. Informationen werden damit reflexiv und kontingent gesetzt. Wenn eines der Ziele ist, die beobachtungsleitenden Unterscheidungen zu finden, dann wird Sinn zum Analysegegenstand in der Sachdimension. Somit bleiben noch die Zeit- und die Sozialdimension.   

Wenn Beobachten bedeutet die Aufmerksamkeit zu fokussieren, dann transformiert sich die Frage nach der Informationsverarbeitung durch unterscheidendes Bezeichnen in der Sozialdimension in die Frage, wie Aufmerksamkeit gelenkt wird? Aufmerksamkeit bringen aber nur psychische Systeme auf. Die Funktion sozialer Systeme ist es die psychische Aufmerksamkeit zu fokussieren und zu lenken. Die Sozialdimension kann aber nicht unabhängig von der Sachdimension analysiert werden. In der Sachdimension kann man beobachten, welcher Sachverhalt wie beobachtet wird. In der Sozialdimension wird nun gefragt, welche Person oder welches soziale Systeme diesen Sachverhalt so konstruiert. Das lenkt die soziologische Aufmerksamkeit auf die Beobachtung der strukturell gekoppelten Systeme und damit auf die Interpenetration (vgl. Luhmann 1984, S. 286 – 345) sozialer und psychischer Systeme. Hier stellt sich dann die Frage, wie Systeme ihre Umwelt systemintern konstruieren. Autopoietische Systeme operieren immer geschlossen und selbstreferentiell und bleiben damit für einander operativ unerreichbare Umwelten. Durch ein Verhältnis struktureller Kopplung werden beide Systeme aber füreinander irritierbar. Die strukturelle Kopplung selbst erfolgt über Aufmerksamkeitslenkung. Dieses Verhältnis wechselseitiger Irritierbarkeit kann nun über den hier entfalteten Informationsbegriff beschrieben werden. Im Rahmen der Unterscheidung von Sinn und Information wird jedes Informationsereignis zunächst als eine Irritation begriffen.  Die Frage lautet dann, wie es dazu kommen kann, dass nicht mehr jedes Ereignis zu einer Operationsblockade führt und damit zu einer potentiellen Gefährdung für ein System wird. Diese Frage lässt sich aber nicht nur durch Beobachtung der Sozial- und der Sachdimension beantworten.

In der Zeitdimension transformiert sich das Sinnproblem schließlich in die Frage, wie Systeme ein Gedächtnis entwickeln können? An dieser Stelle reicht zunächst die Feststellung, dass Systeme wiederholbare Formen entwickeln müssen, die hinreichend robuste Redundanzen im System einrichten, sodass nicht mehr jede neue Form das System so stark irritiert, dass die Informationsverarbeitung, also die Beobachtungen, zum Erliegen kommen. Die dreiwertige Form besteht unabhängig von Menschen und sozialen Systemen. Sie ist ihnen also äußerlich. Beide sind aber in ihren Operationen an diese Form gebunden und müssen sie entfalten, um Informationen verarbeiten zu können. Da die drei Leerstellen der Form bereits sozial mit imaginären Werten aufgefüllt wurden, kann die Form der Unterscheidung hier als Selbstreferenz sozialer Systeme begriffen werden. Für psychische Systeme bedeutet Beobachten dann den Bezeichnungen zu folgen und die Aufmerksamkeit von entsprechenden sozial angebotenen Formen faszinieren zu lassen. Gedächtnisbildung bedeutet dann wiederholbare Formen für Aufmerksamkeitsfokussierung zu finden.

In evolutionärer Perspektive gestaltet sich Gedächtnisbildung dann als Wechselspiel zwischen variierenden Sinnkontexten zur Informationsverarbeitung, Selektion bewährter Formen der Informationsverarbeitung und Restabilisierung der Sinnkontexte für weitere Informationsverarbeitung. Dieses Wechselspiel ließe sich auch als Integration im Sinne einer wechselseitigen Einschränkung von Freiheitsgraden beschreiben. Eingeschränkt werden die möglichen Unterscheidungsmöglichkeiten, die durch bestimmte Beschreibungen von Sachverhalten vorgegeben werden. Diese werden mit der Zeit immer komplexer und ermöglichen dadurch die Identität eines imaginären Wertes immer präziser zu beobachten. Wobei eine optimale Anpassung in einem flexiblen Grad an Rekombinationsmöglichkeiten erreicht wird, was sich zum einen in einem hohen Integrationsgrad niederschlägt, anderseits aber auch in einem hohen Desintegrationsgrad. Wie robust ein System mit Irritationen umgeht, damit es nicht früher oder später in einen entropischen Zustand zurückfällt, ergibt sich aus Integrations- und Desintegrationsgrad der Unterscheidungskombination. An dieser Stelle liegt dann auch das Potential psychischen Stress soziologisch erklären zu können. Es verweist auf die Frage, wie psychische Systeme durch ihre sozial geformten Beobachtungsgewohnheiten ihre Aufmerksamkeit leiten und leiten lassen, um Informationen abzugreifen. Redundante Informationen können dann immer noch emotionale Unterschiede machen, denn die imaginären Werte der Bezeichnungen konzentrieren nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern rufen damit auch mehr oder weniger starke Emotionen hervor [15].


X.

Damit sind die Grundzüge einer soziologischen Informationstheorie skizziert. Batesons Informationsbegriff wurde in das Formenkalkül von Spencer-Brown integriert indem er mit der Idee der Unterscheidung und der Idee der Bezeichnung verknüpft wurde. Die beiden gegebenen Ideen von Unterscheidung und Bezeichnung wurden wiederum von Luhmann in seine soziologische Systemtheorie integriert. Der Beitrag, der hier geleistet wurde, besteht darin, die Beziehungen im Rahmen von Luhmanns Systemtheorie stärker herausgearbeitet zu haben, was es auch mit sich brachte die Kommunikationstheorie und die Beobachtungs-/Informationstheorie stärker gegeneiner zu differenzieren. Das Ergebnis ist nicht nur eine Informationstheorie sondern auch ein minimaler Formalismus mit dem die Leerstellen der dreiwertigen Form aufgefüllt und entfaltet werden können.

Grundlage dafür ist lediglich die einfache Idee, dass man ohne zu unterscheiden nicht bezeichnen kann. Es gibt immer eine andere Seite der Unterscheidung und damit auch die Unterscheidung selbst. Informationen werden in diesem Theorierahmen nun als Bezeichnungen, die Unterschiede machen verstanden. Auf dieser Grundlage wurde die Selbstreferenz der dreiwertigen (Leer-)Form entfaltet. Das Ergebnis ist eine dreistufige Theorie darüber, wie Informationen durch beobachtende Systeme gewonnen und verarbeitet werden. Die erste Stufe ist die Theorie der dreiwertigen Form bevor ihre Leerstellen durch soziale oder psychische Systeme mit konkreten Werten aufgefüllt wurden. Doch selbst wenn konkrete Werte im Spiel sind, bleibt die konstitutive Instabilität ihr wesentliches Charakteristikum. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass Unterscheidungen getroffen werden müssen. Zugleich ist die Form der Ausgangspunkt für den Aufbau höherer Komplexität, kann sie aber in sich selbst nicht stabilisieren. Kontingenz und Komplexität transformieren sich damit zu Minimalanforderungen an ein informationserzeugendes System. Es muss Vergleichsmöglichkeiten und Verknüpfungssperren geben, damit nicht mehr jedes Systemelement mit jedem verbunden werden kann. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, stehen keine oder nur geringe Kapazitäten zur Informationsverarbeitung zur Verfügung und damit auch keine ausreichenden Toleranzschwellen, um mit Irritationen umgehen zu können. Die Aufmerksamkeit wird fixiert und Redundanz erzeugt.

Die zweite Stufe ist die eigentliche Theorie der Information. Hier wurde ein erster Wiedereintritt der Form in die Form vollzogen. Formen wurden kontingent gesetzt und erst dadurch als Unterschiede, die im Rahmen einer Unterscheidung Unterschiede machen beobachtbar. Der Wiedereintritt der Form in die Form ist ein erster Schritt zu höherer Komplexität und Stabilität. Die in diesem Moment zu treffende Unterscheidung wird die weitere Operationsweise des Systems bestimmen. Aber selbst wenn die Unterscheidung einer Unterscheidung gelingt, stellt sich die Paradoxie der Form erneut, denn der Weg aus der Form führt immer zurück in die Form. Ihrer basalen Funktionsweise kann man nicht entkommen, man kann nur die Unterscheidung wechseln. Mit Hilfe der Unterscheidungen Bezeichnung/Beschreibung, Kondensieren/Konfirmieren und Generalisierung/Spezifizierung lässt sich nachvollziehen, wie der Aufbau von systeminterner Komplexität durch die Verknüpfung von Unterscheidungen gelingt und zugleich die Irritationsfähigkeit des Systems dadurch beeinflusst wird. Die Unterscheidung von Differenzierung und Integration (vgl. Csikszentmihaly 2010, S. 63ff.)  gehört ebenfalls dazu. Sie muss allerdings evolutionstheoretisch operationalisiert werden über Variation, Selektion und Restabilisierung.

Die dritte Stufe ist schließlich die Theorie des Sinns. Diese entsteht durch einen 2. Wiedereintritt der Form in die Form. Informationen werden kontingent gesetzt und dadurch als wiederholte Informationen bzw. Sinn erkennbar. Sinn wurde dann sachlich, zeitlich und sozial entfaltet. Die mit Hilfe der Informationstheorie gewonnenen Beobachtungsergebnisse müssen anhand der Fragen analysiert werden, wie beobachtende Systeme die Aufmerksamkeit fokussieren und leiten, welcher Sinn durch die angesetzten Unterscheidungen entsteht und wie es schließlich gelingt ein Gedächtnis aufzubauen. Auf diese Weise lässt sich schließlich der Aufbau extrem hoher Komplexität aus der einfachen dreiwertigen Form beschreiben und sie lässt sich auch wieder auf die Form zurückführen. Der Schlüssel dafür ist eine einfache Inferenzmethode mit dessen Hilfe von bekannten Bezeichnungen auf unbekannte Unterscheidungen geschlossen werden kann. Ziel einer soziologischen Analyse kann es zunächst nur sein den Letztkontext zu finden in dem Informationen einen Sinn ergeben. Zugleich kann geprüft werden, ob ein double bind – also eine Art Kurzschluss – im Netzwerk vorliegt. Die Eigenschaften und die Funktionsweise der dreiwertigen Form bleiben aber der theoretische Hintergrund bzw. Kontext in dem die gewonnen Informationen einen soziologischen Sinn ergeben.

Das Inferenzverfahren ist im Grunde nichts weiter ist als der Versuch systeminterne Leerstellen auszufüllen. Es handelt sich damit nicht nur um eine Methode, um Beschreibungen bzw. Semantiken zu entschlüsseln, sondern zugleich um eine Reflexionsmethode das eigene Beobachtungssystem durch autologisches Lernen zu optimieren. Hier wird der Lern- bzw. Erziehungsbegriff von Luhmann zugrunde gelegt. Nach Luhmann erfordert Erziehung, „ daß man zunächst lernt, was man nicht weiß, und sieht, was man nicht sieht, und dann dazu ansetzt, die Lücke zu füllen“ (2002, S. 53; Hervorhebung im Original). Vereinfacht ausgedrückt, bedeutet Lernen nichts anderes als die eigenen blinden Flecke zu finden. Die soziologische Informationstheorie macht daraus eine Methode – möglicherweise auch ein Spiel – in und mit der Form. Wie sich gezeigt hat, unterliegt auch der vorgestellte Beobachtungsapparat dem Gesetz der Form, denn auch in ihm tritt das Problem der Selbstreferenz auf. Was in der Theorie so einfach klingt, gestaltet sich in der Praxis jedoch immer wieder als äußerst schwierig - spätestens wenn es um die Selbstreflexion geht.

Warum dieser Übergang so beunruhigend und schwierig ist, hatte bereits Durkheim am Beispiel der Unterscheidung von Heiligem und Profanem erkannt. Diese Erkenntnis lässt sich informationstheoretisch für jeden Fall der Anwendung einer Form auf sich selbst hinsichtlich der psychischen Wirkungen verallgemeinern: „Wenn […] eine rein hierarchische Unterscheidung sowohl zu allgemein wie zu ungenau ist, dann bleibt nur mehr ihre Andersartigkeit übrig, um den Unterschied […] zu definieren. Die Andersartigkeit genügt aber, um die Klassifizierung der Dinge erschöpfend zu charakterisieren.“ (Durkheim 1981, S. 64) Die Einsicht in die eigene Nicht-Notwendigkeit bzw. der eigenen Kontingenz, ist die Voraussetzung um über sich selbst hinauszugehen und auch wieder zu sich selbst zurück zu finden. Das gilt dann nicht nur für psychische Systeme, sondern auch für soziale. Erst wenn man diese Hemmschwelle überwunden hat, bekommt man eine Vorstellung davon, was Spencer-Brown gemeint haben könnte, wenn er mit dem Formkalkül die Hoffnung verband, dass das Oszillieren zwischen psychischer Innenwelt und physischer Außenwelt zu einer immer weiteren Annährung an die gemeinsame Grenze zwischen beiden führen könnte (vgl. 1997, S. XXXI). Wobei es aber immer bei der Annährung bleiben wird, ohne diese Grenze jemals zu erreichen oder gar zu überschreiten.

Systemtheoretisch betrachtet ist mit dieser Annährung der Prozess der Differenzierung gemeint. Diese Annährung gelingt aber nur, wenn man die Aufmerksamkeit auf das richtet, was Latour aus einer theoretischen Verlegenheit heraus das „Reich der Mitte“ (2008, S. 104) nannte, welches bereits durch Luhmann einer wesentlich präziseren Bestimmung zugeführt wurde und die Bezeichnung „soziale Systeme“ erhalten hat (vgl. 1984). Das wiederum heißt den Gorgonen direkt in die Augen zu schauen. Gesellschaft ist Kommunikation. Kommunikation heißt Beobachten im Informationsmedium der Form – und sie ist damit paradox konstituiert. Ist man sich dieses Problems bewusst, kann sich auch eine soziologische Analyse nicht damit begnügen lediglich Sthenographie zu betreiben. Diese Methode kann nur mehr oder weniger gute Problembeschreibungen liefern. Davon ausgehend kann man dann zur Euryalistik übergehen.

In einem früheren Beitrag wurde mit Blick auf das gegenwärtige Verständnis von Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit für Aufmerksamkeitsfokussierung angemahnt. Diese Mahnung lässt sich auch an die Soziologie richten. Inzwischen kann ein gewisser Mangel an Reflexion der eigenen Beobachtungsformen nicht mehr ignoriert werden. Das gilt vor allem für die Teile der Soziologie, die einer modischen - aber keinesfalls modernen - Theorie [16] anheimgefallen sind, die ernsthaft davon ausgeht, man könnte kontextfrei beobachten (vgl. Latour 2010, S. 289ff.). Mit der hier vorgestellten soziologischen Informationstheorie lässt sich sowohl das eigene Unterscheidungsarrangement als auch das der Umwelt reflektieren und damit das Erfordernis einer stärkeren Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Aufmerksamkeitsfokussierung methodisch umsetzen. Dazu muss man aber akzeptieren, dass die eigenen Bezeichnungen nicht mehr oder weniger Wahrheit oder Realität besitzen als die Bezeichnungen der Umwelt. Beobachten ist ein empirischer Fakt. Soziale und psychische Systeme tun das. Somit kann es nicht bloß um die Feststellung gehen, dass beobachtet wird. Das kann lediglich der Ausgangspunkt sein, um festzustellen, wie beobachtet wird. Die Feststellung, dass beobachtet wird, ebnet alle Unterschiede ein. Erst die Klärung wie beobachtet wird, macht soziale und damit auch soziologisch relevante Unterschiede sichtbar.







[1] Einer der wenigen außerhalb eines systemtheoretischen Theorierahmens, der auf dieses Problem aufmerksam geworden ist, ist Hartmut Rosa. Wie gelungen sein Versuch der Paradoxieentfaltung (vgl. Rosa 2012) ausgefallen ist, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Vorstudie zur Beschleunigung (vgl. Rosa 2005) sich ausschließlich in Sthenographie erging und ihren Abschluss in Tautologien wie „Verzeitlichung der Zeit“ oder Paradoxien  wie „rasender Stillstand“ gefunden hat. Für das Thema Entfremdung wird man nicht darum herumkommen sich in letzter Konsequenz auf die hier zu entfaltende Beobachtungstheorie einzulassen. Aus einer konstruktivistischen Perspektive, wie sie hier vertreten wird, stellt sich das Problem der Entfremdung als Frage nach der Form, wie das Selbst und die Umwelt durch das System beobachtet wird, dar. Die jeweilige Form der Beobachtung ist die Beziehung zur Welt. Siehe für einen ersten Versuch, das Thema Entfremdung aus einer systemtheoretischen Perspektive zu behandeln, den Text „Vorüberlegungen zu einer systemtheoretischen Image-Theorie am Beispiel des Amokläufers“. Der dort angedeutet Zusammenhang zwischen positiver und negativer Rückkopplung des Image durch Kommunikation und der Aufmerksamkeitsfokussierung und -distraktion lässt sich erst durch die Beobachtungstheorie näher klären.

[2] Es sei darauf hingewiesen, dass mit dem obigen Beispiel kein konkreter Ansatz gemeint ist, sondern lediglich das Problem der Kontingenzbeobachtung vorgeführt werden sollte. Es besteht allerdings eine nicht unbeträchtliche Gefahr für jeden Ansatz, der noch auf einer normativen/kritischen Grundlage aufbaut, die zu vertretenden Werte absolut zu setzen und ins dogmatische abzugleiten. Zugleich ist nochmal zu betonen, dass es nicht um einen Gegensatz zwischen System und Handlung geht, sondern um Handlung im System (vgl. Luhmann 2005b, 58ff.). Es soll also keine Gegnerschaft reproduziert werden. Vielmehr geht es um eine gesteigerte Reflexivität für das eigene Theoriedesign. Auch die Systemtheorie kennt Handlungen. Sie bekommen nur durch die Berücksichtigung der dreifachen Kontingenz jeder Handlung eine andere theoretische Relevanz als in anderen Handlungstheorien. Was dann auch andere Beobachtungsergebnisse hervorbringen kann.
Die neuste Lösung des Kontingenzproblems besteht darin statt auf Werte auf normativ/ideologisch unverdächtige Begriffe wie "Netzwerk" zurückzugreifen, wie er z. B. von Bruno Latour vorgeschlagen wurde (vgl. 2010). Das entlastet zwar davon mit Wertehierarchien zu arbeiten, die eine Priorisierung – und damit Entscheidungen – verlangen. Der Preis ist jedoch, dass der Handlungsbegriff von jeglicher Selektivität gereinigt wird und damit auch von Kontingenz. Der daraus resultierende Handlungsbegriff lässt sich dann zwar auch auf Objekte anwenden. Ob die daraus resultierende flache Theoriekonstruktion aber ein Vorteil ist, darf bezweifelt werden. Die kontextfreie Entfaltung von Kontroversen – also von Kontingenz – in Form von Berichten bringt lediglich naive und unkritische Ergebnisse hervor. Die wissenschaftliche Leistung der ANT beschränkt sich zumeist darauf die Faktizität der Realität festzustellen, ohne auch nur ein soziales Ordnungsprinzip angeben zu können, warum die soziale Ordnung so realisiert wurde, wie sie realisiert wurde. Es wird lediglich das Offensichtliche bestätigt, nämlich dass verschiedene Beobachter gleiche Sachverhalte verschieden beobachten. Das ist jedoch nur eine viel elaboriertere Methode der Konstruktion des soziologischen Bezugsproblems, welches hier unter der Formel der Handlungskoordination bei divergentem Erleben behandelt wird. Damit ist die Arbeit aber noch längst nicht getan, sondern sie fängt an dieser Stelle erst richtig an. Deswegen scheint es fast so, als könnte sich die ANT nicht entscheiden, ob sie Soziologie betreiben will. Sie steht noch auf der Schwelle und ist sich unsicher, ob sie eintreten will oder nicht. Stattdessen wird, wenn auch äußerst raffiniert, eine wieder ins Materialistische gewendete Vorstellung der Umweltdeterminierung eines Systems eingeführt. Wie das geschieht, siehe Abschnitt II.
So darf auch von den politischen Anregungen der ANT nicht mehr als blinder Aktionismus erwartet werden. Gerade der Versuch Normativität zu vermeiden, führt dazu, dass sie in ihrer außerwissenschaftlichen Wirkung umso normativer bzw. politischer werden muss. In diesem Fall wird aber nicht lediglich Normativität vermieden, sondern durch fehlende Reflektion Kontingenz im Allgemeinen. Dass die Selbstreflektion vermieden wird, zeigt sich unter anderem an der Karikatur einer Soziologie des Sozialen, die Latour zeichnen muss, um davon ausgehend die eigenen Theorieentscheidungen zu begründen. Kennt man die von Latour kritisierten Theorieentscheidungen, sieht man sofort, dass seine Theorieentscheidungen kaum auf eine intensive Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Problemen zurückgehen können. Deshalb wird ein direkter Vergleich lieber gemieden. Das funktioniert indem man absurde Zerrbilder seiner Gegner zeichnet, die scheinbar keiner weiteren Aufmerksamkeit würdig sind.

[3] Siehe für ausgewählte Literatur zum Thema beobachtende Beobachter Fußnote 10 in Luhmann 1995, S. 98.

[4] Wenn Ethnologen beim Stichwort Übergang aufhorchen, dann zu recht. Neben Chaos, Entropie und Unsicherheit hätte man hier auch Victor Turners Begriff der Liminalität (vgl. 2005) nennen können. Speziell die Übergangsriten in Stammesgesellschaften mit einer ausgeprägten liminalen Phase können als frühe Form betrachtet werden das Paradox der Selbigkeit des Verschiedenen zu entfalten.

[5] Siehe zur Biographie von Spencer-Brown und den Gesetzen der Form (1997) auch Dirk Baeckers Blog-Post anlässlich des 90. Geburtstags von Spencer-Brown am 02.04.2013.

[6] Auch Latours Aufforderung den Akteuren zu folgen (vgl. Latour 2010), müsste an dieser Stelle angesiedelt werden. Wobei die Betonung auf der Aufforderung zum Folgen liegt. Wie sich Latours Akteur-Netzwerke aus systemtheoretischer Sicht darstellen, folgt an einer späteren Stelle.

[7] Bei diesem Übergang handelt es sich um einen mitbewussten Übergang im Sinne von James (vgl. 2006a, S. 32).

[8] Spencer-Browns 2. Axiom – das Gesetz des Kreuzens (vgl. Spencer-Brown 1997, S. 2) – wird damit lediglich als ein Fall des 1. Axioms – das Gesetz des Nennens – interpretiert. Es ist damit selbst redundant und kann herausgekürzt werden. (Nachtrag: Es muss betont werden, dass sich diese Aussage nur auf das Beobachten mit Bezeichnungen, Spencer-Brown spricht von einfachen Ausdrücken, bezieht. Sobald es um die Entstehung von zusammengesetzten bzw. komplexen Ausdrücken ist es nicht mehr redundant, sondern dann kommt seine fundamentale Bedeutung für die Evolution der Beobachtung zum Tragen. Siehe dazu Die Regeln der Form“. R. W. 12.06.2016)

[9] Das, was James als verbindende Beziehung beschrieb (vgl. 2006a, S. 30ff.), wird hier als Unterscheidung interpretiert.

[10] Latours Kritik, dass es keinen Rahmen oder Kontext über oder hinter der Interaktion gibt, welcher die Interaktion wie eine unsichtbare Hand steuert (vgl. Latour 2010, S. 289ff.), trifft zwar zu, muss aber vor der Notwendigkeit gelesen werden, dass psychisches Erleben für die Teilnahme an Kommunikation in eine zeitliche Reihenfolge gebracht, also sequenziert, werden muss. Weil Rahmen und Kontext nur andere Bezeichnungen für die weder zeitlich noch räumlich lokalisierbare Beziehung sind, kann man diesen Rahmen nicht in der materiellen Umwelt von sozialen Systemen und Menschen finden. Vielmehr handelt es sich dabei um den psychischen Hintergrund vor dem Kommunikationspartner für sich erschließen können, wie eine bestimmte Situation zu deuten ist. Dieser kann aber, soviel sollte inzwischen schon klar geworden sein, unterschieden und bezeichnet werden. Hier geht es also nicht um ein handlungstheoretisches sondern ein epistemologisches Problem. Insofern geht Latours Kritik fehl, da sie auf einer handlungstheoretischen Ebene formuliert ist. Auch der aus der Semiologie entlehnte Aktanten-Begriff ändert an diesem Umstand nichts. Zudem muss man feststellen das Latour die Rahmen-Metapher im Sinne eines Bilderrahmens in naiver Weise wörtlich nimmt, wodurch es noch schwieriger wird, dass zugrunde liegende Problem zu erkennen. Mithin kann auch das als ein Versuch gelesen werden Medusa zu köpfen.

[11] Die informationstheoretische Fassung von Paradoxien und Tautologien als Probleme von zu viel oder zu wenig Informationen bietet Anknüpfungspunkte um durch den beobachtbaren Gebrauch von Unterscheidungen psychischen Stress zu operationalisieren. Siehe dazu Simon 1999, S. 136ff.

[12] Möchte man dem Netzwerk-Begriff eine präzise systemtheoretische Bestimmung geben, so ist dies nur im Rahmen der Informationstheorie möglich. Luhmann spricht ebenfalls nur in diesem theoretischen Zusammenhang von rekursiver Vernetzung oder von rekursiven Netzwerken (vgl. 1992, S. 83). Zugleich liefert diese Beschreibung eine Vorstellung vom gemeinsamen Fokus der Aufmerksamkeit zu Konkurrenzunternehmen wie der ANT, die dasselbe Phänomen mit dem Begriff des Akteur-Netzwerks belegt (vgl. Latour 2010, S. 228ff.). Die ANT arbeitet sich an der Paradoxie ab, dass sie nicht davon ausgeht, dass den beobachteten Sachverhalten ein Netzwerkcharakter innewohnt und die Netzwerk-Metapher deswegen lediglich als ein Leitkonzept zum Verfassen von Berichten versteht. Entsprechend muss sie ihr Verständnis von Assoziationen über materielle Gegenstände operationalisieren, um der Netzwerk-Metapher ihre Plausibilität zu verleihen. Erkennt man aber die Realität der Unterscheidung an und betrachtet die Unterscheidung als eine weder räumlich noch zeitlich fixierbare Beziehung, die sich als dreiwertige Form darstellen lässt, dann ergibt ihre Entfaltung tatsächlich eine Art von Netzwerk. Dieses lässt sich aber nicht einfach, wie eine Karte flach ausbreiten. Um ein reibungsloses Gleiten in der Form zu ermöglichen, muss das rekursive Netzwerk von Unterscheidungen in sich selbst zurückgefaltet werden, um sowohl genügend Redundanz als auch genügend Varietät zur Verfügung zu stellen – vereinfacht gesagt, um genügend Bewegungsfreiheit bzw. Informationsfreiheit beim Gleiten zu haben. Spencer-Browns Notation stellt einen Versuch dar, dieses Netzwerk darzustellen. Inwieweit die Notation auch für soziologische Beobachtungen angewendet werden kann, kann an diese Stelle nicht geklärt werden. Mithin wird aus dieser informationstheoretischen Perspektive auch sichtbar, wieso es Latour nicht gelingt diesen Sachverhalt weiter zu präzisieren. Ihm stehen zum einen nicht die begrifflichen Mittel zur Verfügung, um auf dieser kommunikationstheoretischen oder semiologischen Ebene anzusetzen. Zum anderen verleitet ihn seine Methode, über Metaphern Theoriebildung zu betreiben, dazu alle kommunikations- und sprachwissenschaftlich akzeptierten Allgemeinplätze über Bord zu werfen. Das führt letztlich dazu, dass er versucht Grenzen zu überschreiten, die nicht überschritten werden können.

[13] Durkheim (vgl. 1981) und mit ihm Collins (vgl. 2005) würden an dieser Stelle von Efferveszenz sprechen. Ebenso muss Goffmans action (vgl. 1986) in diesem Kontext gelesen werden.

[14] Der erste Fall trat beim Übergang von der Form zur Information auf. Siehe Abschnitt VII. Die Form der Form wurde auf sich selbst angewendet und als Information entfaltet. Nun wird die Form der Information auf sich selbst angewendet und als Sinn entfaltet.

[15] Auch an dieser Problemstelle macht es sich die ANT zu einfach, wenn sie von Plug-Ins spricht (vgl. Latour 2010, S. 352 – 368). Bei diesen Plug-Ins handelt es sich um das, was hier als Unterscheidungen beschrieben wurde. Die Plug-In-Metapher suggeriert, dass man sich einfach mal ein paar Plug-Ins aus der Umwelt runterladen kann und schon hätte man lokale Handlungskompetenz. Schon der Vorgang des Runterladens stellt sich praktisch wesentlich schwieriger dar, denn es handelt sich dabei um Lern- und Anpassungsprozesse von operativ geschlossenen Systemen. Die Plug-In-Metapher suggeriert dann auch dass eine ebenso schnelle Deinstallation von nutzlos gewordenen Plug-Ins möglich sei. Bei kurzweiligen Moden mag dies noch zutreffen. Sobald es sich aber um über Jahre oder Jahrzehnte eingeübte Beobachtungsgewohnheiten handelt, gestaltet sich der Prozess des Vergessens weitaus schwieriger als das Lernen. Wäre es so einfach, wie Latour es mit der Plug-In-Metapher darstellt, wären alle Psychologen, Psychiater und Psychotherapeuten sofort arbeitslos. So bleibt denn auch völlig unklar, wie sich mit der ANT Lernprozesse konzeptualisieren lassen. Gerade wenn man sich ausmalt, welche sozialpsychologischen Implikationen die ANT hat, wird die geradezu bestürzende Naivität deutlich.

[16] Siehe zur Nicht-Modernität der ANT Fußnote 7 im Text „Doppelte Kontingenz und die Schematismen der Interaktion“.





Literatur 
Bateson, Gregory (1982): Geist und Natur. Eine notwendige Einheit. Frankfurt am Main 
Bateson, Gregory (1985): Double bind, 1969. In: ders: Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven. Frankfurt am Main. S. 353 – 361 
Collins, Randall (2005): Interaction Ritual Chains. Princeton 
Csikszentmihaly, Mihaly (2010): Flow. Das Geheimnis des Glücks. Stuttgart 15. Auflage 
Durkheim, Emile (1981): Die elementaren Formen des religiösen Lebens. Frankfurt am Main 
Goffman, Erving (1986): Wo was los ist – wo es action gibt, in ders: Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt am Main. S. 164 – 292 
James, William (2006a): Eine Welt der reinen Erfahrung. In: ders: Pragmatismus und radikaler Empirismus. Frankfurt am Main. S. 28 – 57 
James, William (2006b): Wie sich zwei Geister eines Dinges bewußt sein können. In: ders: Pragmatismus und radikaler Empirismus. Frankfurt am Main. S. 77 – 84 
Latour, Bruno (2008): Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Frankfurt am Main 
Latour, Bruno (2010): Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Frankfurt am Main 
Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main 
Luhmann, Niklas (1987): Tautologie und Paradoxie in den Selbstbeschreibungen der modernen Gesellschaft. In: Zeitschrift für Soziologie Jg. 16 Heft 3, S. 161 - 174 
Luhmann, Niklas (1991): Sthenographie und Euryalistik. In: Gumbrecht, Hans Ulrich/Pfeiffer, K. Ludwig (Hrsg.): Paradoxien, Dissonanzen und Sinnzusammenbrüche. Frankfurt am Main. S. 58 – 82 
Luhmann, Niklas (1992): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main 
Luhmann, Niklas (1993): Die Paradoxie der Form. In: ders: Aufsätze und Reden. Stuttgart. S. 243 – 261 
Luhmann, Niklas (1995): Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt am Main 
Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main 
Luhmann, Niklas (2002): Das Erziehungssystem der Gesellschaft. Frankfurt am Main 
Luhmann, Niklas (2005a): Über die Funktion von Negation in sinnkonstituierenden Systemen. In: ders: Soziologische Aufklärung 3. Soziales System, Gesellschaft, Organisation. Wiesbaden 4. Auflage. S. 41 – 57 
Luhmann, Niklas (2005b): Handlungstheorie und Systemtheorie. In: ders: Soziologische Aufklärung 3. Soziales System, Gesellschaft, Organisation. Wiesbaden 4. Auflage. S. 58 - 76 
Luhmann, Niklas (2005c): Haltlose Komplexität. In: ders: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven. Wiesbaden 3. Auflage. S. 58 - 74 
Rosa, Hartmut (2005): Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen der Moderne. Frankfurt am Main 
Rosa, Hartmut (2012): Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung. Umrisse einer neuen Gesellschaftskritik. Frankfurt am Main 
Serres, Michel (1987): Der Parasit. Frankfurt am Main 
Simon, Fritz B. (1999) Unterschiede, die Unterschiede machen. Klinische Epistemologie: Grundlagen einer systemischen Psychiatrie und Psychosomatik. Frankfurt am Main. 3. Auflage 
Spencer-Brown, George (1997): Laws Of Form. Gesetze der Form. Lübeck 
Turner, Victor (2005): Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur. Frankfurt am Main

7 Kommentare:

  1. Ein sehr lehrreicher Text. Aufgefallen ist mir diese Stelle:

    "Die Darstellung ist von der Grundannahme geprägt, dass es im Anbetracht der weiteren Theorieentwicklungen nach dem Tode Luhmanns noch zu viele Unklarheiten hinsichtlich der einzelnen Teile der Systemtheorie und ihrer Beziehungen zueinander gibt."

    Wodurch rechtfertigt sich die Annahme, dass durch eine Euryalistik Unklarheiten beseitigt werden können? Warum überhaupt sind Unklarheiten problematischer als Klarheiten? Warum Unklarheiten vermeiden, warum nicht auch Klarheiten, zumal Kommunikation beides herstellen muss, damit Kommunikation darüber möglich ist?

    Nüchtern betrachtet würde ich annehmen, dass Paradoxien und der Umgang mit ihnen geradezu erzwingt, dass die operative Balance zwischen Klarheit und Unklarheit gar nicht eingehalten werden kann, dies als Voraussetzng dafür, dass Ordnung möglich wird. Ordnungsfindung wird ja nicht durch Unklarheiten behindert oder blockiert. Eher im Gegenteil scheint viele dafür zu sprechen, dass ohne eine Differenz zwischen Klarheit und Unklarheit Ordnung kaum entstehen könnte.
    Und außerdem, genauso prinzipiell gefragt: wie kommt man zu der Festellung, eine Theorie enthalte zuviele Unklarheiten? Und nicht auch zuviele Klarheiten?

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  2. Euryalistik ist ein Versuch Unklarheiten zu beseitigen, wo es notwendig sein könnte. Es gibt natürlich keine 100%ige Sicherheit, sondern ist immer geprägt von Versuch und Irrtum. Ob es eine operative Balance zwischen Klarheit und Unklarheit gibt, weiß ich nicht. Ich würde diesbezüglich lieber von der dreifachen Kontingenz jedes Ereignisses sprechen.

    Neben der operativen Paradoxie der Form gibt es ja noch, die durch re-entry oder double bind erzeugten Paradoxien. Warum das soziologisch relevant ist, werde ich voraussichtlich im nächsten Beitrag behandeln. Es betrifft natürlich die Bildung von Erwartungen.

    Dass Luhmanns Systemtheorie noch zu viele Unklarheiten enthält, ist mein persönlicher Eindruck. Warum ich das so sehe, hatte ich eigentlich versucht im Text anzugeben. Ich habe bei Luhmann an keiner Stelle eine so klare Abgrenzung bzw. Präzisierung der Beziehung zwischen Kommunikationstheorie und Informations-/Beobachtungstheorie gelesen - zumindest ist mir keine bekannt. Möglicherweise kann man mir vorwerfen, dass das, was ich da geschrieben habe, nicht neu ist, sondern, dass man das alles schon bei Luhmann lesen kann. Soweit ich sehen kann, hat aber noch niemand auf diese Art die Aufmerksamkeit auf Luhmanns Systemtheorie und auch auf empirische Phänomene gerichtet - also beobachtet. Speziell der Aspekt der Aufmerksamkeitsfokussierung scheint mir sehr unterbelichtet zu sein.

    Wo siehst Du zu viele Klarheiten bei Luhmann?

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  3. "Wo siehst Du zu viele Klarheiten bei Luhmann?"

    Das kann ich nicht sagen.
    Was ich sagen will ist: nachdem es mit Luhmann nun gelungen ist, Selbstreferenz, Tautlogien und Paradxoien für eine Theoriebildung nicht mehr zu vermeiden, werden nun die Vermeidungsversuche nichtetwas aufgegeben, sondern sie werden auf einen Punkt verlagert, der genauso aussichtslos ist, aber trotzdem noch einmal ventiliert wird. Dieser Punkt betrifft die Schaffung von Klarheit. Jetzt soll immer noch Unklarheit vermieden werden, und dies obgleich bei Nichtvermeidung von Selbstreferenz, Tautologien und Paraxdoxien dieses Geschäft nun vollendes aussichtslos ist.
    Das Argument lautet, dass für eine Ordnungsbildung Klarheit nicht wichtiger ist als Unklarheit; dass also auch genügend Unklarheiten zustande müssen, damit Ordnung gelingt. Andersherum mag das nicht gelten, dass für die Bildung Unordnung genügend Klarheiten gebraucht würden, jedenfalls müssten auch im Fall von Unordnung immer noch genügend Klarheiten für Systeme auffallen, damit dann doch wieder Ordnung entstehen kann.
    Daraus folgt eher die Frage nach der Beobachtung von Ordnung und Unordung und weniger die Absicht, für Klarheit zu sorgen. Das ist der eine Punkt.
    Der andere Punkt ist: wenn ich mir Luhmanns Schriften angucken finde ich immer beides: genügend Klarheiten und Unklarheiten. Und kann mir unmöglich einbilden, dass ich beides weder auf den Autor noch auf mich als Leser zurechnen müsste, weil für jeden Leser etwas anderes klar oder unklar bleibt. Also rechne ich dies auf Kommunikation zu und nur darauf.
    Ich vermute nun, dass Luhmann darauf vorbereitet war und seine Schriften für die Kommunikation geschrieben hat, nicht für Leser, woraus man ableiten kann, dass für den Erfolg der Theorie Klarheiten wie Unklarheiten unbedingt gebraucht werden, wenn die Plausibilisierung durch Anschlussdiskusion erbracht wird und nicht durch Wahrheit.
    Und dann wundert es nicht, dass viele Unklarheiten zustande kommen, aber es wundert der Versuch, noch einmal mit der aussichtslosen Findung von Klahrheit anzufangen.
    Das ist sehr beachtlich.

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  4. Nun ja, dass Texte ein Thema niemals erschöpfend behandeln können, soviel sollte doch wohl klar sein. Insofern kann immer irgendwie an einen Text angeschlossen werden.

    Was ich mit Klarheit im speziellen Fall von Luhmanns Theorie gemeint habe, habe ich versucht anzugeben. Ich würde Klarheit allerdings nicht in dem generalisierten Sinne verwenden, wie Du es tust. Da muss ich wiederum zurückfragen, was verstehst Du unter Klarheit, was über ein Alltagsverständnis von Eindeutigkeit oder Verständlichkeit hinausgeht? Was ich hinsichtlich der erschöpfenden Behandlung eines Themas im Rahmen eines Textes geschrieben habe, gilt ja im Prinzip auch für Kommunikation allgemein. Kein Kommunikationsereignis kann erschöpfend über etwas informieren und genau deswegen geht's weiter.

    Das würde ich aber strikt von der Frage nach sozialer Ordnungsbildung trennen, denn dabei geht es um die Bildung von Erwartungen. Dann geht es nicht um Klarheit, sondern um Unterschiede, die Unterschiede machen. Und das kann, abhängig vom Beobachter, sehr verschieden sein. Ebenso geht es dann nicht mehr darum Paradoxien zu vermeiden, sondern damit umzugehen. Denn es wird immer mal wieder vorkommen, dass man auf Paradoxien bzw. blinde Flecke hin beobachtet und damit konfrontiert wird. Ob die angebotene Lösung dann andere Beobachter überzeugt, ist schon die nächste Frage. Auch aus diesem Problem ließen sich genug Gründe herleiten Kommunikation immer weiter fortzusetzen. Aber es lassen sich auch genauso viele Gründe finden nicht mehr weiter zu machen.

    Anders ausgedrückt, geht es um die positive oder negative Rückkopplung von Erwartungen. Da man sich nicht ewig mit demselben Sachverhalt rumschlagen kann, handelt man sich damit allerdings auch das Risiko der Exklusion ein.

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  5. Mal eine andere Frage: Was wird durch die Unterscheidung von Normalität und Seltsamkeit durch Ausschluss eingeschlossen?

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  6. Hervorragende Analyse! Man merkt auch Ihre praxische Erfahrung, die in die Theorie einfließt und diese zu entfalten versteht.

    Wenn ich diesen Abschnitt zugrunde lege,
    "Um ein reibungsloses Gleiten in der Form zu ermöglichen, muss das rekursive Netzwerk von Unterscheidungen in sich selbst zurückgefaltet werden, um sowohl genügend Redundanz als auch genügend Varietät zur Verfügung zu stellen – vereinfacht gesagt, um genügend Bewegungsfreiheit bzw. Informationsfreiheit beim Gleiten zu haben. Spencer-Browns Notation stellt einen Versuch dar, dieses Netzwerk darzustellen. Inwieweit die Notation auch für soziologische Beobachtungen angewendet werden kann, kann an diese Stelle nicht geklärt werden."

    dann stelle ich die These auf, dass Spencer-Brown's "Notation" dieses Netzwerk auf vergleichsweise einfache Art und Weise auch mit Heinz von Foerster's Ansatz sowie Maturana/Varela's "Baum der Erkenntnis" zusammenzubringen sind.
    Komplexität kann einfach sein, wenn man sie nicht immer wieder trivialisierend verkompliziert. Und auf dieser Basis können auch die "Laws of Form" als Instrument für soziologische Beobachtungen in korrekter Form angewendet werden. Und können auch dazu dienen, die schier unausrottbaren synaktischen Verdrehungen und Verzerrungen durch falsche Anwendung von Begriffen aufzudröseln, damit Information anschließend auch wieder Sinn macht.

    Denn gerade hierin liegt in der Regel der Hund begraben:
    "Was in der Theorie so einfach klingt, gestaltet sich in der Praxis jedoch immer wieder als äußerst schwierig - spätestens wenn es um die Selbstreflexion geht."

    Die Vorstellungen eines Beobachters sein operatives Kalkül folge auch den Anweisungen den "Laws of Form" in Selbstreferenz, erweist sich in der Tat zumeist als ein und dasselbe Dilemma, das lediglich etwas anders verpackt erscheint:

    "Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt.
    Es ist die gewöhnlichste Selbsttäuschung wie Täuschung anderer, beim Erkennen etwas als bekannt vorauszusetzen und es sich ebenso gefallen zu lassen; mit allem Hin- und Herreden kommt solches Wissen, ohne zu wissen wie ihm geschieht, nicht von der Stelle.
    Hegel, Vorrede zur Phänomenologie des Geistes

    Üblicherweise wird der Erste Kanon allzu gerne unterschlagen, obgleich er zum Kern der "Laws of Form" führt.

    “ERSTEN KANON. VEREINBARUNG ÜBER DIE ABSICHT.
    Laß den ZWECK eines Signals (einer Botschaft, eines Textes, einer Abhandlung, einer Handlung, eines operativen Vorgehens etc.) auf dessen VERWENDUNG BESCHRÄNKT sein.
    Im Allgemeinen: „WAS NICHT ERLAUBT IST, IST VERBOTEN“.”

    ("Laws of Form", Vorwort zur Internationalen Ausgabe, S. X)
    Dieser Hinweis ebenso:
    “Mit anderen Worten geht dieser Text NIRGENDWO nach der SELBSTBETRÜGERISCHEN Methode von GEREDE und INTERPRETATION vor, sondern nach der SELBSTKORRIGIERENDEN FORM von Befehl und Betrachtung.“

    Es empfiehlt sich schon, die Anweisungen zunächst lesen, sonst fällt ein Beobachter, der die Anweisungen zur Übernahme von Eigenverantwortung in Selbstreferenz nicht beachtet, bereits vom Ansatz her auf die Nase. Mit etwas Übung ist dies auf einen Blick erkennbar.
    Diese Handwerkskunst muss man, gerade wenn es sich um Grundlagen der Kommunikation dreht schon beherrschen.
    Kunst wird auch dann nicht zur Kunst, wenn man es anschließend dranschreibt.

    "IN DER TAT beginnt die gesamte Disziplin der Kunst dort, wo der denkende Theoretiker aufhört" (George Spencer-Brown)

    Ihnen herzlichen Glückwunsch für Ihre Arbeit.
    Bleiben Sie auf der begonnenen Spur. Die Einheit der Zwei-Seiten-Form in ihrer konditionierten Struktur ist vergleichsweise einfach zu verstehen.
    Der Rest per mail



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  7. Vielen Dank für den ermutigenden Kommentar.

    "dann stelle ich die These auf, dass Spencer-Brown's "Notation" dieses Netzwerk auf vergleichsweise einfache Art und Weise auch mit Heinz von Foerster's Ansatz sowie Maturana/Varela's "Baum der Erkenntnis" zusammenzubringen sind.
    Komplexität kann einfach sein, wenn man sie nicht immer wieder trivialisierend verkompliziert. Und auf dieser Basis können auch die "Laws of Form" als Instrument für soziologische Beobachtungen in korrekter Form angewendet werden. Und können auch dazu dienen, die schier unausrottbaren synaktischen Verdrehungen und Verzerrungen durch falsche Anwendung von Begriffen aufzudröseln, damit Information anschließend auch wieder Sinn macht."

    Grundsätzlich gehen meine Überlegungen in eine ähnliche Richtung. In wie weit von Förster und Maturana/Varela noch das Potential haben, meinen Ansatz zu präzisieren kann ich nicht beurteilen. Kann Ihre These irgendwo nachgelesen werden?

    Dirk Baecker verdanke ich den wichtigen Hinweis, dass mein Ansatz sehr stark Nathaniel S. Hellerstein's Diamond Logic ähnelt. Siehe hier die Kommentare:

    http://catjects.wordpress.com/2013/04/02/george-spencer-brown-wird-90/

    Der wichtige Unterschied zu Hellerstein ist, dass er anscheinend Spencer-Browns "Laws Of Form" nicht kennt und statt nach der Einheit der Unterscheidung bzw. des Paradox zu fragen, nur das Paradox variiert. Bei einer Visualisierung tritt der Netzwerkcharakter deutlich hervor. Meine eigene "Notation" - sofern man das überhaupt so nennen kann - geht in diese Richtung. Im Prinzip ist es nicht mehr als Mindmapping auf der Grundlage der dreiwertigen Form. Die Spielregeln stehen oben.

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